Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Nocturnal Sunshine – Nocturnal Sunshine
Benedikt: Hinter dem Alias Nocturnal Sunshine verbirgt sich die britisch-japanische Produzentin Maya Jane Coles. Falls sie jemand kennt, dann wohl eher aus der House-Ecke. Sie hat sich schon durch die bekanntesten Compilation-Formate von DJ-Kicks bis BBC Essential gemixt und ist auf der ein oder anderen Bestenliste gelandet. An dieser Stelle ist das aber bloße Background-Info, denn das gestern erschienene, selbstbetitelte Debütalbum schlägt voll in die – Achtung Unwort – Post-Dubstep-Kerbe. Das Album klingt dabei viel besser als alle bisherigen Releases (& Remixe) von Nocturnal Sunshine, übt sich in Stil und Erhabenheit. Ein Soundkostüm wie Mode von Augustin Teboul, dunkel und elegant. Und statt nackter Haut blitzt der Dance-Kontext durch, in dem Maya Jane Coles eigentlich zu Hause ist. Die Stimme hat sich die Produzentin von Chelou und Catnapp geliehen. Noch nie gehört, aber sie sind toll und alles ist besser als Burials Pitch-shifted Vocals. Je näher man dem Ende des Albums kommt, desto mehr stellt sich das Gefühl ein, all dies schon einmal gehört zu haben. Der Sound ist eben doch längst bekannt und leicht abgenutzt, aber kurze Ausflüge in vertraute und doch leicht veränderte Gefilde tun ja manchmal auch ganz gut.
##The Radio Dept. – Pet Grief
Ji-Hun: Es gibt Bands, denen müsste ein Denkmal gebaut werden. Nicht weil man ihrer bereits vorhandenen Popularität zusätzlich frönen müsste, denn dafür sind The Radio Dept. zu unbekannt. Sondern vielmehr um abseits der Medien, die viel zu sagen haben und denen zum Großteil die schwedische Pop-Band am Hintern vorbeischwamm, zu zeigen, dass es überhaupt so etwas unfassbar Schönes gibt. „Da stapelt einer mal so richtig hoch“, mag man denken, aber ernsthaft, auf einer Finanzbörse der größten Songwriting- und Poptalente hätte ich wohl – mich auf der sicheren Seite wähnend – alles auf diese Band gesetzt. Zum Glück gibt es diese Börse nicht, sie wäre mein Ruin geworden. Die Welt ist nicht immer logisch und manchmal ungerecht. Ehrlicherweise müsste man sagen, dass wohl eine der größten Tugenden von The Radio Dept. zugleich ihr Kernproblem gewesen ist: die liebevolle Schüchternheit. Das ist wie im richtigen Leben. Man muss wissen, wie man sich im Raubtierkäfig zu verkaufen hat. Breitspurig, egoistisch, wenn's sein muss auch mal laut. Davon ist die Musik der Band aber weit entfernt. Pet Grief war mein Erstkontakt mit The Radio Dept. „The Worst Taste In Music“ schnell ein Lieblingssong. Das war 2006. Es war ein schönes Jahr.
##Shuttle358 - Can You Prove I Was Born
Thaddeus: Im Jahr 2000 erschien eine Platte, die vieles veränderte, zumindest bei mir. Damals veröffentlichte Dan Abrams sein Album „Frame“ und die CD landete auf meinem Redaktionstisch. 2000: Das war ein Zeitpunkt, in der die Elektronika langsam aber sicher als musikalische Alternative zum Bassdrum-getriebenen Dancefloor zerbrach, vom Cutup-HipHop aufgefressen wurde und an der eigenen Plinkerplonker-Ästhetik zu ersticken drohte. Dan Abrams – Shuttle358 – bewies mit seinem Album damals, wie sanft Hightech sein kann. Wochenlang lief der Eröffnungs- und Titeltrack bei mir auf Repeat. Im ROM-Teil der CD (erinnert sich jemand?) war das entsprechende Video gespeichert, das – die CD habe ich schon lange verlegt – immer noch in einem Ordner auf meiner Festplatte schlummert. Solide 360p-Auflösung, aber das passt nur zu gut eigentlich. Abrams machte dann noch zwei Alben, bevor er sein Projekt auf Eis legte. Nun gibt es eine neue Platte. Während ich das hier aufschreibe, habe ich mich zum dritten Track vorgewagt und sollte sich das Album weiter so entwickeln, dann ist es eine oberflächlich schöne, aber doch extrem komplexe Platte. Das fehlt Ambient ja oft, bzw. wird durch viel zu dunkle Drones erzeugt. Bei Abrams geht es eher um das Schweben. Das Gleiten. Und das Digitale. In aller Sanftheit. Willkommen zurück, Shuttle358.