Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Tallesen - Stills Lit Through
Christian: Schon vor über einem halben Jahr ist Tallesens Debüt bei Dan Lopatins „Software Label“ erschienen. Nach gängigen Aufmerksamkeitsökonomien also schon Schnee von gestern, lässt mich „Stills Lit Through“ noch immer nicht los, vielleicht weil es sich einfach nicht klassifizieren lassen will. Die Unschärfe des Artworks scheint irgendwie auch die Kernkompetenz dieser Platte zu sein, aber unter den vernebelt-abstrakten Sounds spielt immer auch eine entsättigte Bassmusik, und manchmal schälen sich fast anrührend melodische Momente hervor. Und doch bleibt Tallesens Sound unnahbar und distanziert und unwirklich, was wohl auch damit zu tun hat, dass die Skizzenhaftigkeit dieser Stücke meist auf veritable Popsong-Länge ausgedehnt wird. Einfach macht es einem der New Yorker Maler nicht. Die erschütternde Schönheit von „Stills Lit Through“ hat sich mir nach unzähligen Durchläufen erst vor einigen Tagen eröffnet (vorher war es immer „bloß interessant“), in einem dieser unwirtlichen Fernbusse, der mich bei hereinbrechender Nacht auf einer erschreckend wenig befahrenen Autobahn zurück nach Berlin brachte. Von draußen stieß Schneeregen gegen die Fenster und in der Ferne versicherten diese gelblichen Lichtkegel, die über Kleinstädten hängen, die Existenz von Zivilisation. So ungefähr klingt „Stills Lit Through“ – wie die Erinnerung an Urbanität an einem ganz und gar verlassenen Ort.
##Consolidated - Friendly Fa$cism
Thaddeus: Meat is good and if you don't like America, go live in Russia. Die Polit-HipHopper (argh!) von Consolidated rappten in den 1990er-Jahren gegen das Patriarchat, gegen die Politik von Bush Senior, die Macht der Konzerne, den unverantwortlichen Umgang mit der Umwelt, die Ressourcen-Verschwendung, alte Feindbilder und neue Gefahren. Gegen Fleischesser und für Frauen. Gegen gesellschaftliche Missstände und darüber, wie all diese Dinge zusammenhängen und die Welt vergiften. In den USA und weltweit. Rappen ist vielleicht gar nicht die richtige Beschreibung. Denn dem Kollektiv fehlte zumindest in Sachen Sound ein klarer Anknüpfungspunkt. Ihre Musik war vielmehr geprägt vom fast schon penetranten Einsatz von Sprach-Samples aus Film und Fernsehen und der konsequenten Verschachtelung dieses Materials mit ihren eigenen Ideen und Lyrics. Ihre Konzerte unterbrachen die weißen Jungs immer mit Diskussionsrunden mit dem Publikum. Und dieses Material wurde dann gnadenlos für kommende Platten verwendet. Das hat etwas von Überheblichkeit, wenn die vermeintlich cleveren Produzenten die ebenso vermeintliche Dummheit ihres Publikums offenlegen, zeigt aber auch, wie blass die eigene Meinung sein kann, wenn es um das geht, was eine Nation angeblich ausmacht, gerade in den USA. Vieles wirkt auch dieser Platte von 1991 aus heutiger Sicht schal und weit weg. Musikalisch und inhaltlich. Andere Momente und Themen sind aber aktueller denn je. Sexismus, die Macht von Konzernen, die Versorgung einer immer größer werdenden Weltbevölkerung mit Lebensmitteln. Consolidated waren edgy, provozierten ganz bewusst und hatten oft gute und meistens die besseren Beats. Den Rest muss jeder mit sich selbst ausmachen. You have your opinion, I have mine. You're going to hell, I won't.
Head High - Home.House.Hardcore
Ji-Hun: Als 2010 die ersten Head High-Platten auf Power House rauskamen, war das Geschrei groß. Wer von den ganzen Hardwax-Typen steckt nun diesmal dahinter? Wer hat die Chuzpe, Hardcore und alten Techno so derart kompromisslos rauszuhauen, als hätte es die 90er nie gegeben? Nach den ersten Nachpressungen wurde der Flurfunk immer eindeutiger. Es konnte nur René Pawlowitz sein, den die meisten bis dahin als Shed kannten. Ein gutes halbes Jahrzehnt und vier EPs später kam vor einiger Zeit endlich das erste Album heraus, in dem sich Tracks von René als Head High, wie auch als WK 7 versammeln. Die, die alle EPs schon haben, finden nichts Neues. Aber so ein Album im Technokontext kann auch immer eine Werkschau sein und diese hier ist notwendig, weil es hier die geilsten Bassdrums und Snares ever zu hören gibt und trotz der Tatsache, dass es eben kein Album „aus einem Guss“ ist, ist das hier absolut essentiell. So etwas darf nicht in elitären Vinylläden in einer 1.000er-Auflage versauern. Und eigentlich sagt man als DJ sowas selten: Es lohnt vor allem der „Continous DJ Mix“. Killer.