Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Junior Boys – So This Is Goodbye
Thaddeus: Erinnert ihr euch an die Zeit, in der das britische Indie-Label Domino plötzlich so etwas wie Coolness für sich proklamierte? Die Gitarren Gitarren sein ließ und Kode-9-Remixes für Folk-Sänger einkaufte? Dieses Album der Junior Boys, einem kanadischen Duo, ist aus dieser Zeit. Tolle Platte. Wenn man damit klarkommt, wie die Junior Boys funktionieren. Sehr diskoides Songwriting einerseits und dann ist da natürlich der gehauchte, fast schon kopfstimmige Gesang. Zwei Dinge, mit denen ich eigentlich gar nicht warm werde – generell – hier aber passt das. Dieses zweite Album der Junior Boys ist ihr bestes. Behaupte ich. Stimmt aber auch, glaube ich zumindest. Neulich erst habe die insgesamt vier LPs nochmals in Reihe nachgehört und fühlte mich bestätigt. Kein Wunder, dass es um die Band zu diesem Album einen kleinen Hype gab. Und die beiden sich mit Tonnen von Synthesizern durch die Clubs quälten und spielten, spielten, spielten. Wie das klang, kann auch auf dieser aufgebohrten Bonustrack-Version des Albums hören. Fast besser, als die Studio-Produktion.
##Prince Paul – A Prince Among Thieves
Ji-Hun: Vor rund 16 Jahren erschien das große HipHop-Epos „A Prince Among Thieves“ vom New Yorker DJ und Produzenten Prince Paul, der ganz zu Beginn seiner Karriere bei Stetsasonic („Talkin all that jazz“) hinter den Technics stand. A Prince Among Thieves ist vielleicht das „Dark Side of the Moon“, das weiße Album, das vielleicht bedeutsamste Konzeptalbum des Rap. Denn statt narzisstischer Ego-Raps und den typischen Features wird hier komplex die Geschichte des jungen Rappers Tariq erzählt, der ein Demo produziert und es dem großen RZA vom Wu-Tang Clan vorspielen will. Dafür schmeißt er seinen Job, fängt mit Drogendeals an und schon beginnt die Scheiße mit Polizei, Knast und anderen Problemen erst richtig an zu dampfen. Dafür konnte Prince Paul eine illustre Riege großer Rapper versammeln, die bei diesem Wire-mäßigen Drama (damals hatte man diesen Vergleich natürlich noch nicht) mitmachen. Von Kool Keith als Crazy Lou, Biz Markie als Diehard, Big Daddy Kane als Count Macula, Chris Rock als Crackjunkie, Everlast (House of Pain) als Bulle und vielen mehr. Eine Geschichte so intensiv und brillant erzählt, dass selbst jedes kleinste Skit elektrisierend-spannend ist. Dieses Album ist heute noch immer stilprägend, einmalig, schockierend gut und ein Manifest, das bei jedem Hören beweist, wozu HipHop wirklich in der Lage sein kann.
##Genetikk – Achter Tag
Benedikt: Eine Woche raus, direkt auf die #1 der deutschen Albumcharts. Das dürfte auch das Label freuen, immerhin ist „Achter Tag“ das sechste Release infolge von Selfmade Records, das auf direkt von null auf eins einsteigt. Das liegt sicher auch daran, dass Selfmade Records ziemlich heterogen aufgestellt ist und doch unterschiedliche Zielgruppen bedient. Da gibt es Kollegah und Farid Bang, die Pumperherzen im Gangsterfilm mit Mutterficker-Slang höher schlagen lassen. Da sind Favorite und die 257ers, die sich selbst nicht zu ernst nehmen und gelegentlich zur Talentverschwendung neigen. Und außer Karate Andi (noch ohne Releases) sind da die Jungs von Genetikk. Die Themen Schöpfung, Moral & Gerechtigkeit ziehen sich als roter Faden durchs vierte Album und bilden einen angenehmen Kontrast zu den sonst so üblichen Gewaltfantasien im Deutschrap der härteren Gangart. Mit den Features mit Sido und Max Herre und Tracks wie „Wünsch dir was“ bewegen sich Rapper Karuzo und Produzent Sikk in Richtung Pop. Vielleicht auch etwas zu gewollt, denn Beats und Flow fallen in diesen Tracks doch deutlich ab. Dort wo es passt, klingen nämlich New York und Boom Bap durch, während Karuzo lässig und mit unendlich viel Luft und Ego einfach laufen lässt und rücksichtslos unterschiedliche Flowschemen kombiniert. Da dürfen die ernsten Themen dann auch mal beiseite gelassen werden, stattdessen wird der „Überüberstyle“ von den „Jungs ausm Barrio“ gefeiert. „Achter Tag“ ist kontrastreich und kurzweilig, voll komplexer Bilder und Metaphern. Letztendlich zwar doch zu durchwachsen für ein Meisterwerk, aber für ein Wochenende? Schon geil.