Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Oddisee – The Odd Tape
Susann: Schon Oddisees „The Good Fight“ (2015) lief rauf und runter bei mir, und auch sein kürzlich erschienenes Instrumental-Album „The Odd Tape“ scheint ein großartiger Dauerkandidat für die kommenden heißen, bequemen Sommertage zu sein. Allein die Tracklist liefert dafür schon die Bildunterschriften: Alarmed, No Sugar No Cream, Live from the Drawing Board, Out at Night, Still Sleeping. Laut eigenen Angaben verfolgen wir dabei auch „nur“ seinen ganz gewöhnlichen Künstleralltag – ein bisschen produktiv sein, chillen, Kaffee trinken. Dass es immer ganz so entspannt und meditativ ist, wie es klingt, fällt allerdings schwer zu glauben. Der tüchtige Rapper und Produzent, geboren in Washington, D.C., aufgewachsen in Maryland und wohnhaft in Brooklyn, nennt zahlreiche Einflüsse für sein Schaffen: Golden-Era Hip-Hop, seine sudanesischen und afroamerikanischen Wurzeln, Jazz, Soul, Boom Bap. Das klingt dann auf „The Odd Tape“ sehr schön eklektisch und gleichermaßen authentisch. Da muss man auch nicht allzu traurig über die fehlenden Texte sein, wenngleich Amir Mohamed el Khalifa auf seinen bisherigen Alben ebenso durch kluge Lyrics fernab vom Gangster-Pathos auffiel. Also, zurück auf „The Right Side of the Bed“ und der Leichtigkeit des Alltags lauschen.
##Solo Andata – In The Lens
Thaddeus: Ich erinnere den Projektnamen sehr genau, nicht jedoch die dazugehörige Musik. Auf „Hefty“ haben Paul Fiocco und Kane Ikin 2006 debütiert, das müsste ich eigentlich auf dem Tisch gehabt haben, die Alben auf 12k sowieso. „In The Lens“ ist nun das vierte Album der beiden Musiker und es ist mindestens so fluide wie die Fotografie auf dem Cover. Ich habe das Album in den vergangenen Wochen oft und regelmäßig zu Hause laufen lassen und merkte schnell, dass dieses Album etwas Besonderes ist. Die Sounds, das akustische Grundgerüst der Stücke, sollen allesamt „Abfall“ sein, Übrigbleibsel, die man findet, wenn man seine Festplatte aufräumt, weil man nicht schon wieder eine neue kaufen möchte. Danke für dieses Aufräumen. Das sage nicht nur ich, auch viele Gäste, die in den letzten Wochen am Tisch saßen, horchten bei all der Stille von „In The Lens“ gehörig auf und erkundigten sich interessiert, was da denn gerade laufe, das sei ja ganz wunderprächtig. Ist es. Ambient im besten Sinne, eigentlich, stolz und voller Überzeugung vorgetragen, sich dabei aber in nichts einmischend. Wenn solche Platten, die schon im Hintergrund so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, in den Vordergrund rücken ... man mag sich nicht ausmalen, was dann passiert. Es ist eine dieser seltenen Glücksfälle, die zum ruppigen Beginn des Sommers passieren können. Denn genau für diese Momente ist „In The Lens“ wie geschaffen. Wenn der Tag vorbei ist, die Hitze langsam weicht, der Schweiß trocknet und man wieder einen klaren Gedanken fassen kann, dann legen Solo Andata genau den richtigen Windstoß auf die P.A.
Beginner – Ahnma
Benedikt: Endlich. Die legendärste Rap-Kombo Hamburgs ist „Back in Town“ und kündigt sich nach mehr als einem Jahrzehnt (!) lautstark an, Hamburg wieder zu der HipHop-City zu machen, die sie einst war. Zunächst mit dieser Single, bald dann per Album. Dabei war es ja zuletzt gar nicht so ruhig in der Hansestadt: Die 187 Strassenbande um Gzuz und Bonez MC haben HipHop aus Hamburg einen neuen und auch ziemlich erfolgreichen Einschlag verpasst. Hamburg kann Gangster, Hamburg kann Straße, Hamburg kann hart sein. Das hat nie jemand bezweifelt, nur stand die Hamburger Rap-Schule bisher vor allem für das Gegenteil: intellektuell und/oder wortwitzgewandt, politisch korrekt und von leichter Arroganz gegenüber dem Gangster-Prolltum. Dass die 187er an einem großen Teil der Beginner-Fanbase völlig vorbeigegangen sind, wundert also wenig, amüsiert aber ungemein, wenn man sich in die Kommentarspalten zum neuen Video begibt. „Was macht der Proll/Assi/Gangster dort im Video?“ „Wer ist dieser GZUZ, der kann ja gar nichts“ – so die O-Töne. Tja, liebe politisch korrekte Nostalgie-Faschisten: Hamburger Rap-Realness findet ihr heute abseits von Schanzenviertiel und Eimsbüttel, nämlich dort wo die „9MM“ locker sitzt und der pinke „CL500“ ironiefreies Gangsterstatement ist. Eure einstigen Idole haben das verstanden, deshalb ist Gzuz völlig zurecht mit von der Partie. Aber geht mal weiter beim Biobäcker unter eurer Altbauwohnung einkaufen, weint den „Blast Action Heroes“ nach und lasst das „187“-Tag von eurer Haustür entfernen. Rap ist weiter.