Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##18+ – Collect
Thaddeus: Wenn ich mich schon so weit aus dem Fenster lehne und behaupte, bis dato überhaupt irgendeine Meinung zu 18+ gehabt zu haben, dann war diese Meinung wohl ausgesprochen ambivalent. In Gummibärchen-Soße gepackte Sex-Fantasien, mal mit guten, mal mit eher weniger guten Beats. Große Momente und schnöde Langeweile im steten Midtempo-Wechsel. Jetzt ist das zweite Album von Justin Swinburne und Samia Mirza erschienen und die schon in der Vergangenheit bestimmende Mischung aus R&B, merkwürdigen Massive-Attack- und Portishead-Liebeserklärungen, rumorendem HipHop ohne HipHop und zeitlupiger Zerstörung trockengelegter Bewässerungskanäle geht hier erstmals rundherum auf. Natürlich gehen im Kopf sofort die handelsüblichen Klischee-Lampen an, aber manchmal fühlt man sich in dieser brillenlosen virtuellen Realität genau richtig aufgehoben. Sowieso klar: je länger man langsam durch die Gegend schiebt, desto schneller wird man.
##Jessy Lanza – Oh No
Benedikt: Auch fürs zweite Album hat sich Jessy Lanza wieder mit Junior Boy Jeremy Greenspan im Studio eingeschlossen. „Pull My Hair Back“ füllte 2013 ja zuhauf die Bestenlisten. Ob das mit „Oh No“ wieder gelingt, darf bezweifelt werden, denn: Man kennt den Sound, ist weniger erstaunt. Toll ist „Oh No“ trotzdem. Lanzas hohe Popstimme gleitet geradezu über die zumeist flachen, synthie-lastigen Produktionen von Greenspan. Tiefe Bässe sucht man vergebens, die behält sich Lanza für die Live-Shows auf. Letztes Jahr durfte ich sie als Support der Junior Boys erleben, wo sie eine der Band des Co-Produzenten fast ebenbürtige Show ablieferte. Während das Debüt-Album noch einen klaren R’n’B-Einschlag hatte, ist „Oh No“ auf der Produktionsebene spannender, ausdifferenzierter. Klar, R’n’B ist immer noch präsent, aber zusammen mit Footwork-Einwürfen, Acid-House-Anleihen, Disco und nach 80ern klingendem Synthie-Pop gelangt „Oh No“ zu neuer Reife. Würdig weiterentwickelt, könnte man festhalten. Und selbst wenn es für die Bestenliste nicht reicht, den Support-Act-Status lässt Jessy Lanza hiermit allemal hinter sich. Zeit für die eigene Berghain-Show.
##Photek – Modus Operandi
Ji-Hun: Ich weiß nicht ob Zufall oder Fügung. Auf jeden Fall taucht das Thema Drum and Bass in letzter Zeit immer häufiger bei uns auf. Kürzlich traf ich Marcus Intalex/Trevino zum Interview (erscheint bei uns nächste Woche) und wir sprachen über Drum and Bass und wieso es heute so bedeutungslos geworden ist. Thaddi und ich glauben unterdessen irgendwie schon seit Jahren an das große Revival. Aber das könnte auch mehr naive Hoffnung als analytisches Prophetengetue sein. Denn irgendwie interessiert die Musik (zumindest in Kontinentaleuropa) heuer kaum noch jemanden. Nicht mal eine einmal im Monat stattfindende Dubstep/UK-Nacht im Berghain konnte sich vor einigen Jahren durchsetzen. Die gerade Vierviertel, so scheint es, denkt gar nicht mehr daran die Club-PAs auch nur für eine Pinkelpause zu verlassen. Was allerdings schade ist. Denn trotz des großen Scheiterns von Drum and Bass und seinen Protagonisten, wünschte man sich manchmal nur zu gern mal wieder solch einen Sound in einem Club wie Berghain oder Blank zu hören. Vor allem, wenn er so klug, präzise, groovy, reduziert und zugleich cineastisch-groß ist wie der von Photeks „Modus Operandi“ von 1997. Zeitlose Musik, der man mal wieder eine Chance geben sollte. Ich wüsste auch gar nicht, wann ich das letzte Mal ein Drum-and-Bass-Album von vorn bis hinten durchgehört hätte. (Und ja, nach Fertigstellen dieser Zeilen musste ich feststellen, dass Kollege Herrmann die Platte natürlich schon mal vor einiger Zeit in seiner Walkman-Rotation hatte. Aber so ist das dann wohl mit der guten Musik. Geht irgendwie immer.)