Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Masayoshi Fujita – Apologues
Thaddeus: Dieses Album widersteht der Zeit. Masayoshi ist ein ganz besonderer Künstler. Der Japaner lebt schon seit langen Jahren in Berlin, manchmal begegnen wir uns durch Zufall, dann wird der Tag ein guter Tag. Masayoshi hat lange und hart gekämpft für seinen Sound, der ganz um das Vibraphone kreist, dem Instrument, das er als sein Hauptausdrucksmittel gewählt hat. Vielleicht war es auch anders herum. Zieht man die zahlreichen Kollaborationen ab, mit denen er in den vergangenen Jahren immer wieder an den Start ging (u.a. mit Jan Jelinek), ist „Apologues“ erst sein zweites „richtiges“ Album. Und doch scheint es mir, als wäre Masayoshi und seine Musik schon immer da gewesen. Ich habe das immer gemocht, was er macht, diese Platte hier jedoch ist einfach nur perfekt. Das Vibraphone fällt in ein sanftes Bett aus kammermusikalischem Soundtrack mit Streichern, Klarinette, Querflöte und Horn. Klingt kitschig, ist es aber gar nicht, im Gegenteil. Das von Masayoshi perfekt beherrschte Vibraphone steht immer im Fokus der Stücke und verleiht ihnen so eine ganz eigene Farbe und Dynamik. Wäre das Vibraphone ein Klavier, dann wäre dieses Album nett, aber nicht weiter relevant. So jedoch entsteht hier große Musik. Ein später, aber nicht zu später Tipp. „Apologues“ kam schon im September 2015 auf den Markt. Aber wie gesagt: Dieses Album widersteht der Zeit.
Kaytranada – 99,9%
Ji-Hun: Der kanadische Produzent, Musiker und DJ Louis Kevin Celestin mischte vor einigen Jahren das Internet mit diversen Edits und ungefragten Remixen von Janet Jackson, Erikah Badu, TLC, Common, Missy Elliott, Azealia Banks und vielen mehr auf. Prima war damals schon diese fantastische Schnittstelle zwischen RnB, HipHop und Deep House und bezüglich Beats-Musik war mir dieser Ansatz tatsächlich sympathischer als die bis heute durchgehende Trap-Manie mit 32tel-Triolen-HiHats und zu viel Hustensaft in den Raps. Nun hat Kaytranada sein erstes richtiges Künstleralbum herausgebracht. „99,9 %“ nennt sich der Langspieler und natürlich sind auf so einem ersten großen Werk zahlreiche Features (und trappige Beats, geht heute wohl nicht anders) mit an Bord. Kann man gut finden oder nicht, aber die Auswahl macht den Kohl bekanntlich fett und alleine schon, dass Craig David mit dabei ist, hat einige Pluspunkte verdient. Das Album ist erwartungsgemäß klarer, dicker und hochklassiger produziert als die Schlafzimmer-Mashups aus vergangenen LoFi-Tagen. Seine eigene Handschrift wird dennoch nicht aufgegeben, irgendwo zwischen Dilla, Wrong House, 90s HipHop und kalifornische Rooftop-Party und wahrscheinlich werden auch Kanye und Co. bald bei Celestin anklopfen, um mit ihm Hits zu schrauben. Wenn das Car-Sharing-Cabrio dieses Wochenende ausgeliehen wird, dann mit Sicherheit mit diesem Soundtrack.
James Blake – The Colour In Anything
Benedikt: James Blake ganz oben. Nicht nur, dass er für Beyoncés neues Album „Lemonade“ geschrieben und gesungen hat, jetzt veröffentlicht er auch noch unangekündigt sein eigenes Album „The Colour In Anything“ – ist ja langsam Popwelt-Normalität. Und für dessen Produktion ist James Blake dann auch noch in Rick Rubins Shangri-La Studios in Malibu ein- und ausgegangen. Läuft bei James. Von Großspurigkeit ist im Album trotzdem keine Spur. Die Tracks sind dem ersten Hören nach eingängiger, ohne weniger komplex daherzuklingen: Wieder ist es die hauchzarte, oft mit Effekten versehene Stimme, die von wohligen Flächen getragen wird und über breite Bässe doch gleichzeitig schüchterne Percussion schwebt. Wie immer ist das Klavier der treue Begleiter der Elektronik. Nach wie vor dominiert Melancholie, doch die Momente der totalen Düsternis und Depression sind Lichtblicken und Freude gewichen. „The Colour In Anything“ ist facettenreicher als die beiden Vorgänger, ohne auf irgendetwas zu verzichten. Das geht, dank 17 Songs und 76 Minuten Spielzeit. Was für ein Werk.