Wochenend-WalkmanDiesmal mit You + Your D. Metal Friend, Aesop Rock und Drake

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.

You And Your Metal Friend Cover

##You + Your D. Metal Friend – Sonnier
Thaddeus: Markus Acher von The Notwist schaut mal wieder über den Band-Tellerrand. Das ist eigentlich immer eine gute Nachricht, sein neues Projekt zusammen mit Cico Beck macht da keine Ausnahme. Das kurze, dafür umso intensivere Mini-Album kreist um einen von den unterschiedlichsten Percussion-Instrumenten dominierten Orbit der Gamelan-Liebhaberei, ist dabei aber enorm fokussiert und ergebnisorientiert. Will sagen: Die sechs Stücke atmen nicht nur minimale Tiefe, sondern stellen Loops und sonstige Fragmente exponiert nach vorne. Hier sind die Ideen, nimm sie, hab sie lieb, oder lass es bleiben. Im Kopf entspinnt sich ein immer leicht überbelichtetes Super-8-Roadmovie in Zeitlupe, alles klingt nach Erinnerungen, vielleicht auch nach einer Vergangenheit, die gestern noch Gegenwart war. Greifbare, nachvollziehbare Mikrokosmen, die real scheinen, kein Ethno-Bewusstsein vorgauckeln, sondern vielmehr die Indie-Startrampe ein wenig in eine andere Richtung drehen. Mal steiler gen Himmel, mal ganz flach gen Horizont. Magisch und anziehend. So wie eine kleine Musikbox zum Aufziehen. Das Projekt ist auf mehrere Teile angelegt, ich hoffe, es geht bald weiter.

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Aesop Rock The Impossible Kid Cover WW14052016

##Aesop Rock – The Impossible Kid
Ji-Hun: Eine kluge Infografik hat vor einiger Zeit offenbart, dass Aesop Rock, bürgerlich Ian Matthias Bavitz, der Rapper mit dem größten Vokabular im HipHop ist. 7.392 unterschiedliche Wörter konnten in seinen bisherigen Aufnahmen ausgemacht werden. Zum Vergleich: Drakes Vokabular umfasst 3.522 Wörter, das von DMX 3.214. Was macht man also mit einem so ausgeprägten Sprachschatz? Es ist wie in der Literatur, man erzählt im besten Falle tolle Geschichten und das macht Aesop Rock auch auf seinem neuen Album „The Impossible Kid“, das just erschienen und das erste nach vier Jahren ist. Aesop war mal das große Aushängeschild der Def-Jux-Community. Mittlerweile ist er aber auf dem Label Rhymesayers heimisch und „The Impossible Kid“ ist ihm ausgesprochen gut gelungen. Alles aus seiner Hand. Beats, Lyrics, Produktionen, keine Features – keine großen Songschmieden und Producer-Armeen wie bei seinen Mainstream-Kollegen. Dennoch, oder gerade deshalb: Es klingt tight, echt, großartig, wer will da schon Kanye West hören?

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Drake Views Cover Walkman Mai 2016

Drake – Views

Benedikt: Vertraglich steht Drake immer noch unter Lil Waynes Fittichen. Nur wird das mittlerweile oft vergessen, ist Drake doch dem Schatten des Young-Money-Bosses längst entwachsen. Auf „Views“ macht Aubrey – wie Drake von meinem Lieblings-Drake-Hater, Radioquatschkopf und HipHop-Head Charlamagne Tha God so gern genannt wird – seine Heimat zum Thema. Und die ist eben nicht East, West, Random Coast, sondern Kanada, genauer: Toronto. Drake zeichne ein positiv realitätsverzerrendes Bild einer Stadt, die längst nicht alle Probleme im Griff habe, so einschlägiger Feuilleton-Ton zum neuen Album. Es fehle, anders als bei einem Dre oder Kendrick Lamar, die Kehrseite der ansonsten ach so schönen Heimat. Schon komisch. Drake war schon immer „nur“ der Typ, der vor allem schöne Frauen und schönere Frauen zum Thema hatte, gern auch herzzerreißend. Woher also diese Erwartungshaltung? Es kann eigentlich nur an seinem letzten Mixtape „If You’re Reading This It’s Too Late“ liegen, denn dort hatte er tatsächlich was zu erzählen, mit rauer und ehrlicher Wirkung. Aber es war eben nur ein Mixtape. Jetzt ist Drake auf offiziellem Album zurück und manchem fehlt die Tiefe, die kritische Ebene, obwohl sie nie da war, auch auf einem Album wie „Take Care“ nicht wirklich. Nicht so schlimm. Denn letztendlich ist Drake ist kein Rapper wie Dre oder Kendrick. Drake ist in erster Linie Musiker. Und auf der musikalischen Ebene funktioniert „Views“ dann doch wunderbar, ist noch stärker von Noah "40" Shebibs einmaligen Ovo-Sound-Produktionen geprägt, als die Vorgänger. Und 40 hat vor allem eines: einen Geschmack, der perfekt mit Drakes Gemisch aus Rap und Singsang zusammenpasst. „Views“ wird bei mir laufen. Rauf und runter. Und wenn Toronto in Wirklichkeit doch nicht so toll ist wie beschrieben, juckt mich das an dieser Stelle mal recht wenig.

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Plattenkritik: Mark Pritchard – Under The SunRostrot wie der Mars

Leseliste 15. Mai 2016 – andere Medien, andere ThemenBeate Zschäpe, Smartphones, Giftspritzen, Menschenhandel