Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Western Skies Motel – Settlers
Thaddeus: Manchmal stolpert man über Platten, die man nie wieder hergeben und vergessen will. Das neue Album von Western Skies Motel ist genau so ein Album. Musik und Artwork atmen eine Historizität, mit der immer wieder gerne gespielt wird: die alte Zeit, vermeintlich gut, auch wenn längst nicht alles gut war. Eine Zeit des Aufbruchs, der „final frontier“, eine Art modernisiertes Versprechen von John Winthrops „City Upon A Hill“ von anno 1630. Warum lösen Sepia-Töne auf Fotografien eigentlich ebensolche Sepia-Gefühle in unseren Herzen aus? Manche nennen es vielleicht einfach Americana, für mich ist es ein ganz bewusster Fokus auf die Flüchtigkeit unseres Lebens. Schockierend aber wahr: Diese Auseinandersetzung mit den Weiten des nordamerikanischen Kontinents kommt aus Dänemark. Dort lebt René Gonzàlez Schelbeck und übersetzt diese Zeit, die nachträglich mit Romantik und Melancholie übergossen wurde, faktisch jedoch damals höchst problematisch, blutig und voller Entbehrungen war, in instrumentale Miniaturen. Der Clou: Schelbeck projiziert die musikalische Jetztzeit auf das damals. „Settlers“ ist kein Hillbilly, kein Blues, kein Bluegrass, absolut un-rootsig, sondern zieht seine Kraft eher aus introvertiertem Songwriter-Tum von heute. Und doch gelingt Schelbeck der Brückenschlag in die Vergangenheit. „Settlers“ ist ein akustisches Roadmovie der besonderen Art, ein zehn Songs andauernder Trip die staubige Piste hinunter in eine Welt, in der alle fair zueinander sind, aufeinander achtgeben, weil die Welt da draußen sich noch nicht entschieden hat, ob sie einen als Freund oder Feind betrachtet. Und weil die Musik noch besser in Verbindung mit dem Artwork funktioniert, sei hier an dieser Stelle allen dringend angeraten, sich irgendwie das Vinyl zu besorgen. In meinen 30 Jahren Plattensammeln ist mir noch nie ein derart schönes Cover untergekommen. Die Pappe des Klappcovers ist so dick, dass das Vinyl kaum hineinpasst. Perfekter Schutz. Und genau den brauchten die Settlers damals ja ebenso, auch wenn das Vinyl noch nicht erfunden war.
##Masha Qrella – Keys
Jan-Peter: Napster, ey. Klassifiziert doch tatsächlich sowohl The Field als auch Contriva als „Dream Pop“. Wenigstens ist deren Sängerin „Indie Pop“ und sie hat ein neues Solo-Album rausgebracht, ihr fünftes. Wie schön. Alles beim Alten? Fast. Die etwas dünne, doch so supersweete Stimme, das nicht minder sweete Denglisch (unter der ich bei den Weilheimern hingegen immer so gelitten habe), die sparsame Instrumentation, sie bringen ein für mich inzwischen abhanden gekommenes Lebensgefühl der Nuller-Jahre zurück. Zugleich klingt Masha Qrella 2016 poppiger, wärmer. 40 ist sie jetzt, vom Prenzlauer Berg in den Wedding gezogen, die beiden Töchter gibt sie bei den Großeltern ab, wenn sie tourt oder ins Studio geht, das sich praktischerweise in der (groß-)elterlichen Villa befindet. Warm geworden ist sie mit dem Wedding noch nicht, das landläufig praktizierte, privatisierte Erziehungskonzept stellt sie in Frage, das alles weiß man, wenn man dieses Feature über die Musikerin durchsteht (bei dem ich das Gefühl nicht loswurde, dass die Redakteurin schon lange heimlich verliebt in sie ist). Kann man aber auch alles beiseite schieben und einfach „Keys“ hören. Ist gut.
##Lush – Blind Spot EP
Ji-Hun: Vor 20 Jahren gab es das letzte produzierte Lebenszeichen der britischen Band Lush. „Lovelife“ hieß das letzte Album der Band aus dem Jahr 1996. Die Geschichte der Band nahm daraufhin eine traurige Wende. Drummer und Gründungsmitglied Chris Acland beging im selben Jahr Selbstmord, die restlichen Musiker stoppten sämtliche Bandaktivitäten, um 1998 Lush offiziell aufzulösen. Lush gelten heute als Blaupausen-Band des Shoegaze neben Ride, My Bloody Valentine oder auch Slowdive und dieser Tage ist relativ überraschend eine neue EP mit neuen Songs erschienen. „Blind Spot“ nennt sich der Vier-Tracker, den Miki Bereny, Emma Anderson und Phil King aufgenommen haben und die Tatsache, dass sie nicht zuvor unmotiviert auf Reunion-Tour gegangen sind, sondern vier wirklich erfrischend wunderschöne Songs geschrieben und produziert haben, zeigt, dass die Band trotz der vielen Jahre Pause wirklich noch was zu sagen hat und auch zahlreichen Dreampop-Indie-Bands von heute beweist, wer für diesen Ansatz von Musik wirklich verantwortlich ist. Schön, dass ihr wieder seid, ihr lieben Lushies, ich freue mich auf mehr Musik von euch.