Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Peter Broderick – http:// www.itstartshear.com
Ji-Hun: Ein Album wie eine Webseite zu nennen ist ziemlich 90er. Eigentlich. Aber Peter Broderick hat sein 2012 erschienenes Album trotzdem wie eine benannt. Aber wenn die Musik gut ist, wird sowas plötzlich ziemlich egal. http://www.itstartshear.com ist auf Bella Union erschienen und war in etwa sowas wie Brodericks erstes lupenreines Singer-Songwriter-Album. Zuvor versteckte er sich lieber hinter Schaltkreise und zähen Ambientwolken. Genauso toll, aber anders eben. http://www.itstartshear.com besticht bei mir durch diese eindrucksvolle Klarheit. Er singt so (Achtung Blasphemie-Alarm!) wie Arthur Russel vielleicht gerne gesungen hätte. Die Melodien, alle fantastisch. Eines meiner Lieblingsalben des aus Portland stammenden Künstlers, der ja mittlerweile auch mit der dänischen Legendenband Efterklang unterwegs ist. Man kann auch vieles richtig machen.
##Vega - Kaos
Benedikt: Mal wieder Rap aus Frankfurt. Aber nicht im Gangster-Style der Azzlacks-Crew – nicht mal ein bisschen. Das fängt beim Bling-befreiten (sehr geilen) Cover an, geht mit Beats fernab der Trap-Seuche weiter und hört damit auf, dass man nach dem Hören des Albums keine Ahnung hat, wie viele Goldketten Vega im Schmuckkästchen hat. Der Mitbegründer des Labels Freunde von Niemand ist da unendlich viel klassischer, in Tradition eines Azad oder Moses Pelham. Umso besser, dass auch diese beiden sich auf dem Album blicken lassen und gerade Azad mit seiner Meisterstimme absolute Gänsehaut-Parts liefert. Na klar kassieren auch auf „Kaos“ Bullen Kugeln, aber in erster Linie ist Vega eben kein Gangster - sondern Hip-Hop durch und durch. Wer seine bisherigen Releases kennt, merkt schnell, dass sich er sich mit „Kaos“ treu bleibt, ohne in der Langeweile des Status Quo einzugehen. Gekonnt pendelt er mit KKS-Dramtik in der Stimme zwischen Hass, Wut, Trauer, Herzschmerz und seinem Bezug zum Rap. Als weibliche Gesangsstimme gesellt sich neben Glaushaus-Sängerin Peppa Singt auch seine Freundin Nea zum Hessen - sicherlich Geschmackssache. Vor ziemlich genau einem Monat ist Vega mit „Kaos“ erstmalig auf der Eins eingestiegen. Nicht aus dem Nichts, sondern verdient mit organisch gewachsener Fanbase und einem tollen vierten Studioalbum – und über 30 Kilo weniger auf den Rippen.
##Photek - Modus Operandi
Thaddeus: Auf der Suche nach prä-frühlingshafter Eleganz landet man früher oder später bei Rupert Parkes. Das hier ist Photeks beste Platte. Finde ich. Parkes war einer der ersten Drum-and-Bass-Produzenten, die das ruffe Erbe von Jungle in ein ausgeklügeltes Studio-Experiment verwandelten, den Sound entschlackten und mit minimaler Präzision die Zukunft orchestrierten. Er und die Jungs von Source Direct. „Modus Operandi“ erschien 1997. Mitten in der Wendezeit von Drum and Bass. Umso bemerkenswerter ist es, wie perfekt die Tracks noch heute in die Zeit passen. Eleganz hat eben kein Verfallsdatum. Es war die Zeit, als die Majors sich final auf den Sound der Clubs stürzten. So erschien dieses Album nicht auf Photeks eigenem Label, sondern bei Virgin. Das fand man damals schon recht befremdlich, war aber auch irgendwie egal. Zum Beispiel wegen der Platten von Photek, der ja auch immer mehr konnte und wollte als Drum and Bass. So ist auf dieser Platte der für mich entscheidende Track auch der mit der angedeuteten geraden Bassdrum: „124“. Wer Techno damals verstand, rettete Drum and Bass vor dem allzu schnellen Untergang und der zunehmenden 2-Step-Verprollung. Auf die Eleganz. Danke, Rupert.