Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Mykki Blanco - Betty Rubble: The Initiation
Benedikt: Chris Kelly fasste seine Review für das FACT Magazine zu dieser Platte wie folgt zusammen: ‚Betty Rubble: The Initiation ist nicht nur Höhepunkt von Mykkis bisherigem Schaffen— es ist auch Vorzeichen für das, was noch kommen wird.‘ Das war im Mai 2013. Zwei Jahre später sieht alles anders aus, Myyki Blanco hängt ihr Mikrofon scheinbar an den Nagel. Per Facebook verkündete sie, sich von nun an investigativ journalistisch betätigen zu wollen, das Schreiben von Texten auf Beats gebe ihr nicht mehr genug. Das wäre verdammt schade, war Mykki neben Le1f und Zebra Katz doch stets die vielversprechendste Künstlerin der nach wie vor viel zu undergroundigen Queer-Hip-Hop-Bewegung: Knallhartes Gespitte auf finsteren, gern minimalen Beats, stets an Hater adressiert, immer Vollgas: „Welcome to Hell bitches, this is Mykki Blanco / New World Order motherfucker, follow pronto.“ Und jetzt? So ganz sollte man solchen Verabschiedungen ja nie glauben. Und vor ein paar Tagen hieß es dann auch schon wieder: ‚Studio Vibes = "I thought you were quitting music" = yall think 2 much. #i_do_shit_now_at_my_own_pace_cuz_like_the_teenagers_on_Maury_i_do_whatever_i_want‘ Mit Foto aus dem Studio. Die Story der Rapperin Mykki Blanco ist also noch nicht zu Ende geschrieben. Gut so.
##The National - Trouble Will Find Me
Thaddeus: Heute vor zwei Jahren holte ich mir eine der schlimmsten Erkältungen überhaupt. Es war ein Donnerstag, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, und ich stand im bitterkalten Innenhof des Berliner Michelberger Hotels. Auf der improvisierten Open-Air-Bühne spielten The National ein Konzert. Ihr Album „Trouble Will Find Me“ sollte wenige Wochen später erscheinen und das Konzert war der Abschluss eines Pressemarathons. Das Publikum bestand ausschließlich aus Journalisten und einigen wenigen Fans, die Tickets gewonnen hatten. The National ist meine Lieblingsband. The National ist aber auch keine besonders gute Liveband. Die Skills der Musiker auf der Bühne sind nicht schnell genug mit dem immer ausgeklügelteren Sound ihrer Alben mitgewachsen. Oder sie waren einfach nicht gut drauf. Oder ihnen war genauso kalt wie mir, auch wenn die Bühne randvoll mit Heizpilzen war. „Trouble Will Find Me“ ist auch bestimmt nicht das beste Album der Band, hat aber genügend großartige Songs, die einem in Erinnerung bleiben. Mit dem Steuerberater von Das Filter echauffiere ich mich regelmäßig über die Frage, welche Platte von The National denn nun die beste ist. Der Steuerberater echauffiert sich dann immer sehr schnell darüber, dass ich ihn vielen anderen Menschen immer als Steuerberater vorstelle und nicht als das, was er eigentlich ist: mein bester Freund. Ich hab' dich lieb, Clemens. Auch wenn ich immer noch ein bisschen sauer bin, dass du dir an diesem Abend im Michelberger (er war natürlich dabei) nicht diese Erkältung geholt habe, die mich zwei Wochen lang nicht aus den Augen schauen ließ, sondern ich. Es war's wert.
##Portico - Living Fields
Ji-Hun: Nach gut vier Jahren gibt es endlich wieder ein neues Album des von mir sehr geschätzten Portico Quartet. Mittlerweile sind sie kein Quartett mehr, sondern zu dritt. Mittlerweile haben sie sich umbenannt in Portico (weil wäre ja Etikettenschwindel) und sich auch musikalisch komplett neu ausgerichtet. Neustart as much as possible. Begeisterte das Portico Quartet die vergangenen Jahre über mit einem spannenden und anspruchsvollen elektronisch-infizierten Jazz-Ansatz, der sowohl Reich, Glass, Warp Records, aber auch Weilheim gut verstand, macht das Portico Trio nun lupenreinen, elektronischen UK-Pop. Das fängt mit den zahlreichen Gesangsfeatures an. Neben Joe Newman von den Überfliegern alt-j, sind noch Jono McCleery und Jamie Woon als Vokalisten mit an Bord. An der Kuration kann man erkennen: Es wird emotional. Radiohead, James Blake, alt-j und meinetwegen auch Chet Faker werden erinnert. Das will alles natürlich mehr Aufmerksamkeit und größere Bühnen. Mehr Facebook-Fans und Mercury Prizes. Hat da jemand Kuschelkurs und Ausverkauf gesagt?