Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Blood Orange – Freetown Sound
Ji-Hun: Heutzutage gilt es als Überraschung, wenn ein Album vier Tage vor dem öffentlichen Release veröffentlicht wird. Das mag natürlich auch an ungewollten Leaks liegen und da der physikalische Vertrieb auch keine große Rolle mehr spielt, wieso auch nicht. „Freetown Sound“ von Blood Orange ist das mittlerweile dritte von Dev Hynes und ist dieser Tage auf Domino erschienen. Wer doch eine CD oder Platte haben will, der muss bis Mitte August Geduld beweisen. Das war vor einigen Jahren auch nicht so. Wie dem auch sei. „Freetown Sound“ ist ein spannendes, tolles Album geworden. Eines, das die große Lücke, die Prince hinterlassen hat, zwar nicht auszufüllen weiß - wie auch. Aber doch zumindest einen schönen Satz Setzlinge in jenes Brachland pflanzt und das große Erbe mit Verve und souveräner Einfachheit ins 21. Jahrhundert bringt. Es schimmert nach Neonlichtern, Lofi-Hochglanz, Schulterpolstern und beweist ein feines Geschick für umwerfende Harmonien und Melodien. Mit dabei sind so unerwartete Features von Nelly Furtado, Carly Rae Jepsen, Kindness (das passt auf jeden Fall), Debbie Harry und vielen mehr. Ein hoch inspiriertes wie inspirierendes Stück Musik.
##Biosphere – Cirque
Thaddeus: Die Biosphere-Alben des Norwegers Geir Jenssen haben mich eine lange Zeit lang begleitet. Nun ist das Problem bei Ambient (unfaire Kategorisierung, aber irgendwie doch passend) ja oft genug, dass die Komposition zwar laut, aufgrund fehlender Lautheit aber gleichzeitig sehr leise und somit flüchtig ist. „Cirque“, aus dem Jahr 2000, bringt diese filigrane Waage in ein strukturiertes Gleichgewicht. Die Tracks knistern, sprechen, gitarren, akkorden, loopen, sampeln, hauchen, fauchen, tröten in angedeuteter Dunkelheit glasklar und sonnenhell. Vielleicht ist es der prominente Einsatz von Sprach-Samples, der mich immer wieder zu diesem Album zurückkehren lässt, vielleicht es aber auch einfach die auskomponierte Stille, die trotz dem für Jenssen fast schon ungewöhnlichen Einsatz von Beats die federführende Dominanzmütze aufhat. Das gilt in Teilen auch für die Platten, die dieses Album hier einrahmen: „Subtrata“ von 1998 und „Shenzhou“ von 2002. „Cirque“ jedoch ist für mich die perfekte Balance.
##Chance the Rapper – Coloring Book
Benedikt: Wo will der Junge noch hin, wenn er sich schon jetzt mit allen (außer Drake) umgibt, die in Sachen US-HipHop gerade angesagt sind? Kanye West, Lil Wayne, 2 Chainz, Jeremih, Young Thug, Future, Justin Bieber, Ty Dolla Sign. Leider nur Typen, aber nichtsdestotrotz kann sich die Liste der Featuregäste auf „Coloring Book“, dem dritten Mixtape(!) von Chance the Rapper sehen lassen. Er ist ja erst 23. Nachdem Kanye West seine jüngste LP „The Life Of Pablo“, dessen Featuregast im Eröffnungstrack übrigens CTR war, bereits als Gospel-Album bezeichnete, wird erst CTR dieser Bezeichnung wirklich gerecht. Gospel ist das Rückgrat dieses Mixtapes – und wird gepaart mit Chicagoer Einflüssen, denen er ja letztlich entspringt. Und tatsächlich passt Gospel auch sehr viel besser zum Chicagoer Youngster als zu Kanye selbst, denn Chance The Rappers spirituelle Ader verläuft keineswegs nur im Hintergrund seines musikalischen Schaffens. „Jesus' black life ain't matter/I know, I talk to his daddy.“ Da spricht der Christ Chancelor Bennett. Und das nervt erstaunlich wenig, denn Chance The Rapper ist mehr und vor allem musikalisch. Deshalb tauchen die eingangs erwähnten Namen in den Credits auf. Auf „All Night“ mit Knox Fortune, zum Beispiel, wandert CTR tief in den musikalischen Spuren von Chicago House.