Leseliste 26. Juni 2016 – andere Medien, andere ThemenFerndiagnose für Syrien, Lonelygirl15 und zweimal Brexit

leselistelondon

Foto: Lesen in London via Shutterstock

Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.

##Ferndiagnose
Eine der am meisten gefährdeten Berufsgruppen des endlosen Kriegs in Syrien ist die der Ärzte. Es klingt absurd und pervers, aber es ist so: Diejenigen töten, die Leben der Gegner retten, ist ein doppelter Schlag. Über 700 Mediziner sollen von den Truppen Assads schon ermordet worden sein, manche direkt am OP-Tisch. Wie arbeitet man gegen den alltäglichen Wahnsinn aus Töten und Morden an, während 95 Prozent der Kollegen aus Angst um Leib und Leben geflohen sind? David Nott, kriegserfahrener Chirurg, setzt auf die „damage control surgery“. Er vermittelt den wenigen verbliebenen Ärzten mithilfe von GoPro und Skype, wie man Kriegsopfer, meist Zivilisten, effektiv operieren kann – und somit mehr Zeit für weitere Patienten hat. Ferndiagnosen stellt er dabei auch mal vom gediegenen Dinner in London aus. Ein Text, der nur scheinbar Hoffnung macht.

When the Queen turned to him, he explained that he just returned from Syria. “How was it?“, she asked. “I tried to play it light, and I said it was absolutely dreadful,“ he told me.

The Shadow Doctors

lonelygirl15

##So lonely, so lonely, so lonely
Zehn Jahre sind eine verdammt lange Zeit im digitalen Zeitalter und eine noch verdammt längere im Zeitalter von Social Media (genau genommen fast dessen gesamtes Zeitalter). 2006 gab es auf YouTube, damals selbst noch ein Küken, den ersten großen Hype, Hoax, Viral oder wie man auch immer es heute nennen würde: Lonelygirl15. Die Geschichte des Teenie-Mädchens Bree, die Heimunterricht bekommt, in einer todlangweiligen Stadt lebt und mit ihrem Typen klappt es auch nicht so recht. Deswegen ist sie ständig online. Und hat binnen kurzer Zeit ein Milionen-Publikum, das nicht weiß, dass es eines ist. Die Story: von vorne bis hinten durch gescripted. Heute würde sowas vermutlich binnen Stunden als Fake entlarvt werden, damals dauerte es Wochen. Es gab eine regelrechte Hatz nach der Person hinter Bree. Irrerweise lief das Projekt, nachdem es aufgeflogen war, noch ganze zwei Jahre recht gut weiter. Vielleicht geht es am Ende doch darum, einfach ne gute Story abzuliefern.

They also mathematically figured out at what point in the YouTube‘s algorithmn would scape the preview image. „If it was a good freeze frame, you would get like 100,000 more views.“

Lonelygirl15: how one mysterious vlogger changed the internet

##Geld: #remain, kein Geld: #leave
Großbritannien hat in einem Referendum entschieden, aus der EU auszutreten. Was von außen nach einem basisdemokratischen Vorgang aussieht, spiegelt die tiefe Spaltung in einer Volkswirtschaft wieder: Zugang zu Ressourcen (Geld, soziales Kapital etc.) oder nicht bestimmten in hohem Maße darüber, wofür sich die Wähler aussprachen. Die Gründe für diese Spaltung, so die These dieses Beitrags, sind deeply hausgemacht und gehen bis auf die verheerenden Auswirkungen des Thatcher-Neoliberalismus der 1980er-Jahre zurück, der das Sozialsystem und den sozialen Zusammenhalt zerstört hat.

Britain – or what is left of it – will now take a sharp turn to the right, and the problems that have fed into this moment will only get worse. Well, there we are.

If you've got money, you vote in ... if you haven't got money, you vote out

brexit

Grafik: Brexit via Shutterstock

##Was bedeutet der Brexit für die EU?
Sollen wir wirklich froh sein, dass sie weg sind, die doofen Briten, die sich eh nicht als Europäer sehen, eine rassistische Regierung gewählt haben und die Zukunft der Gemeinschaft blockieren, wie man hier schon vor der Abstimmung lesen konnte? Sollte man den Plebiszit abschaffen, weil das Volk zu blöd ist, sich erst nach der Wahl über den Gegenstand informiert hat und Großbritannien nun ins Chaos stürzen könnte? Was sich mit dem Austritt für die EU nun anbahnt, skizziert Charles Grant, Chef des „Centre for European Reform“: Ein noch stärkeres Auseinanderdriften der „Integrierer“ um Juncker und der „Förderalisten“ um Tusk, wobei Letzterer sich langfristig durchsetzen wird. Die Trennung von Großbritannien werde rund fünf Jahre dauern und dann kommt es eine Art Freihandelsabkommen mit der Insel. Kommt am Ende also alles so, wie mehrheitlich von den pragmatischen Briten gewünscht?

European leaders will have an interest in ensuring that the EU maintains a close economic relationship with the UK, for everyone’s benefit. But they will not compromise on fundamental principles, such as free movement of labour, as the price for single market access.

The impact of Brexit on the EU

Wochenend-WalkmanDiesmal mit DJ Shadow, Claire M Singer und RLYR

Brexit und die Scheiß-Frage nach „persönlichen Konsequenzen“Warum es um viel mehr geht: ein Kommentar