Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Ben Lukas Boysen – Spells
Thaddeus: Die Musik von Ben Lukas Boysen begleitet mich schon sehr lange. Kontinuierlich seit den frühen Nuller-Jahren landeten seine Werke – zunächst als Hecq – auf meinem Schreibtisch und schließlich im CD-Player. Da waren immer gute Tracks dabei, oft unberechenbar, immer im Wandel und meistens frisch. In den vergangenen Jahren habe ich ihn jedoch aus dem Blick verloren, auch die Alben, die er unter seinem Klarnamen veröffentlicht hat, kenne ich nicht. Mein iTunes schweigt. Und genauso still beginnt „Spells“, seine erste Arbeit für das stets vornehm strampelnde Label „Erased Tapes“. Es ist ein großes Werk, mit dem ich dennoch an einigen Stellen nicht richtig d’accord bin. Der Rahmen ist Erased-Tapes-typisch. Früher nannte man diese Art der zeitgenössischen Musik fälschlicherweise „Neoklassik“. Widersprüchlich in sich und grundlegend falsch, aber natürlich catchy und deshalb so gerne gedroppt. Auch Boysen zaubert ein ganzes Orchester aus dem kompositorischen Hut, mit Betonung auf Streichern und Piano. Martyn Heyne, den wir vor kurzem in seinem Studio besucht haben, spielt Gitarre drauf. Sehr gut ausgedacht, mit viel melancholischer Emphase. Die die Melange dann immer wieder jedoch umkippen lässt. Denn Boysen liebt seine Elektronik, die Störer, die Verzerrung. Und das Schlagzeug von Achim Färber, das Boysens Musik sporadisch begleitet. Ist es sanft, dann ist es gut. Bricht es aus und wird laut, dann wähnt man sich mitunter hinter einer leicht humpelnden Wall Of Sound à la Mogwai. Die machen ja seit 476 Jahren immer mit dem gleichen Trick Album um Album und genau diese – glücklicherweise nicht oft vorkommenden Mini-Explosionen – lassen „Spells“ dann vom schmalen Grat in den Abgrund kippen. Zum Glück steht Boysen dann schon unten mit dem Sprungtuch. Beachtenswert. Der Herbst beginnt ja schon übermorgen früh.
##Mark Kozelek – Mark Kozelek Sings Favorites
Ji-Hun: Der große Singer-Songwriter Mark Kozelek aka Sun Kil Moon aka früherer Chef vom Dienst bei Red House Painters hat ein Pianoalbum herausgebracht. Mit Coverversionen. Einfach mal Lieblingslieder spielen, ohne sich davor zig Gedanken über eigene Songideen und Texte gemacht zu haben. Das kann für Liedermacher etwas Befreiendes haben. Dass in dem Katalog von Kozelek auch so immortale Schmonzetten wie „Moon River“ und „Somewhere over the rainbow“ auftauchen, mag kitschig erscheinen – aber es sind einfach nunmal unsterbliche schöne Songs. Kozelek instrumentiert die Stücke allesamt mit minimalen Arpeggi und sanften Akkorden auf seinem Klavier. Impressionistisch, naiv, reduziert. Gäste gibt es auch einige zu bestaunen. Mike Patton, die Schauspielerin Minnie Driver, Will Oldham, Rachel Goswell von Slowdive und Mimi Parker von Low. Klingt nach einer sehr schönen Party, die da stattgefunden hat. Eine, die sich auch nicht zu ernst nimmt, was immer von Vorteil sein kann.
##Moon Hooch – Red Sky
Benedikt: Vor über vier Jahren hab ich mal ein Video dieser Band gesehen, darin: zwei Saxophonisten und ein Drummer, die New Yorks Straßen samt Passanten ungefragt in eine Tanzfläche verwandeln. Von der Energie, die die drei in ihrer komplett analogen Minimalbesetzung erzeugten, war ich so begeistert, dass ich mir damals direkt eine CD organisierte, sobald das erste Release erhätlich war. Nicht per Amazon oder aus dem lokalen Plattenladen, denn dort gab es die Jungs noch gar nicht. Nein, die Scheibe wurde damals von Ihnen selbst per Hand aus Brooklyn verschickt und ich war sehr glücklich, das Päckchen einige Wochen später in meiner Hand halten zu können. Seitdem sind ein paar Jahre auf konstantem Erfolgskurs ins Land gezogen. Seit gestern ist „Red Sky“, das dritte Album der Jungs draußen. Immer noch dominieren die harten Percussions und das Saxophon, deren Kombination auf 45 Minuten in sämtliche Richtungen zwischen House und Metal gedreht wird. Immer öfter sind mittlerweile Elektronik und Vocals mit von der Partie, was gut tut. Denn das Saxophon ist eigentlich ein Instrument (neben dem Schifferklavier) dessen penetrant nasaler Sound mir in kürzester Zeit gehörig auf die Nerven geht. Daher wird diese Platte auch niemals hoch und runter laufen, sondern immer wieder nur angespielt. Aber das lohnt sich trotzdem, denn einzelne Tracks sorgen nach wie vor – oder eher mal wieder? – für größte Begeisterung. Trotz Saxophon-Penetranz. Das schafft sonst niemand.