Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Secret Boyfriend – Memory Care Unit
Christian: Das Geheimnis des Secret Boyfriend hat sich mir lange nicht erschließen wollen. Denn immer wenn Ryan Martin zu singen begann, musste ich reflexartig abschalten: Gewollt schüchternes Gemurmel mag vielen sympathisch erscheinen, ich empfinde die auf diese Weise exponierten Befindlichkeiten junger Murmelmänner als aufdringlich. Insofern ist die gute Nachricht: Auf „Memory Care Unit“ ist Martins Stimme nur an zwei Stellen zu hören. Musikalisch öffnet er hingegen in jedem der sechs Songs eine andere Schublade. Frostiger Ambient, eine verspulte Wave-Nummer, eine unwirkliche Synthesizer-Exkursion, ein sedierter „Space Blues“ (hab ich in Ermangelung einer besseren Kategorisierung im Platteninfo abgeschrieben, sorry). Secret Boyfriend ist im weiteren Sinne ein Lo-Fi-Projekt – und doch klingt alles perfekt, oder: genau richtig. Es klingt auch sehr nach den 90ern: Loops, Hall, Anklänge an Industrial ebenso wie an Shoegaze. Ach, und sollten Teile der Leserschaft dieses Wochenende nach einer Überdosis Kanye West einen Downer benötigen …
##Akase – Graspers
Thaddeus: Akase? Dahinter steckt einer meiner Lieblinsgproduzenten: Midland. Harry Agius hat auf zahlreichen EPs den Dancefloor schimmern lassen und mit „Play The Game“ auf Phonica einen der herrlichsten schwermütig-leichten Tracks aller Zeiten erdacht. Für Akase hat sich Agius mit dem Sänger Robbie Redway zusammengetan. Ja, es ist die alte Idee, den Dancefloor mit Vocals popkulturell aufzuhübschen. Oder Pop einfach von der anderen Seite her, vom Dancefloor also, aufzuzäumen. Redways Gesang kommt sehr „modern“ daher, also ambitioniert, ein wenig exaltiert, auf die großen Hallen schielend. RIYL für diejenigen, die auch Howling mögen. Vielleicht. Produziert hat Ewan Pearson. Auch das muss nicht immer gut gehen, funktioniert hier jedoch easy und leichtfüßig. Nicht alle Songs des Albums bleiben einem im Gedächtnis, und manchmal – je nach Stimmung – kann Redways Stimme auch solide nerven, in anderen Momenten jedoch gibt es nichts Besseres als Akase. Es ist kein Album, das in die Analen des Pop eingehen wird, vielen jedoch ein verlässlicher Anker sein wird. Für den Moment. Bis das nächste „große“ Ding um die Ecke singt.
##Prins Thomas – Principe del Norte
Ji-Hun: Es ist seit vielen Jahren (zumindest für mich) ein großes Rätsel der elektronischen Tanzmusik. Wie kann es sein, dass im kühlen und spröden Norwegen eine so große und konsequente Leidenschaft für balearischen Sound existiert? Ist es gerade die Abstinenz des mediterranen Klimas und des entspannten Lebensstils oder woher kommt es, dass es so zahlreiche Künstler und Labels wie Lindstrøm, Todd Terje, Prins Thomas und Smalltown Supersound gibt, und diese seit über zehn Jahren so konstant an ihrem discoiden, cheesigen und cool-schimmernden Sound arbeiten wie keine andere kreative Zelle sonst auf der Welt? Prins Thomas hat nun mit „Principe del Norte“ sein viertes Album herausgebracht und auch hier tänzeln die Synthesizer im Sonnenschein, glaubt man, dass am Holmenkollen das wahre Café del Mar unter der Skisprungschanze versteckt sein muss. Tanzen hier etwa Trolle im Elchfell-Bikini? Ganz nüchtern werden hier die Songs alphanumerisch von A bis H durchgelistet. Ein wichtiger Referenzrahmen bezüglich des Sounds sind diesmal aber nicht Daniele Baldelli oder Jose Padilla sondern der stoische Krautrock eines Manuel Göttsching und anderen Koryphäen des deutschen Popbefreiungsschlags der 70er Jahre. Ein feines Album, das bei dem gerade präsenten Mistwetter Sehnsüchte auf automatisierte Vitamin-D-Produktion und gut gemachte Getränke unter freiem Himmel aufkommen lässt. Ich trinke meinen Sangria dieses Wochenende dennoch aufgewärmt aus dem Glühweinbecher.