Wochenend-WalkmanDiesmal mit Randweg, Jeff Buckley und Fatima Al Qadiri

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.

Randweg Meanderlust

##Randweg – Meanderlust
Thaddeus: Ich bin ein bisschen befangen und sehr stolz. Mein lieber Bekannter Andreas Ernst hat sein zweites Album fertig. Randweg hat er sich gemeinsam mit David Baumann ausgedacht, in ihrem Projekt rollen sie die elektronische Musik quasi von hinten auf. Denn auch wenn Synthesizer, Sampler und Drumcomputer deutlich hörbar und sehr prägnant (deutlich hörbarer und prägnanter als noch auf ihrem ersten Album „Equisetales“) ihre Arbeit verrichten, geht es bei Randweg doch vornehmlich um zwei Instrumente, die man so nicht als musikalische „Geschmacksträger“ auf dem Dancefloor kennt. Andreas spielt Klarinette, David Gitarre. Letztere klingt, wie man es erwartet, die Klarinette jedoch wird als Klangquelle in der Orbit der Verfremdung geschickt, durch eine Vielzahl kleiner und magischer Bodenpedale gedrückt. So verhängen Randweg unsere Ohren mit einem dicken Teppich der Orientierungslosigkeit. Ist das jetzt noch die Klarinette oder doch ein anderes Instrument? Dieses Arpeggio-hafte Flirren, ist das ein Synth oder etwa das elegante Blasinstrument? Dabei geht es bei Randweg nicht um das bewusste Verwischen von Spuren, sondern vielmehr um das Aufzeigen von Möglichkeiten, wie man sich in unseren Zeiten mit Musik auseinandersetzen kann, wie unwichtig festgelegte Genres sein können, manchmal zumindest. Es geht um Sound. Und wie Randweg klingt sonst niemand da draußen. Das bedeutet nicht, dass diese Platte leichte Kost ist, die sich nebenher „weghört“, im Gegenteil. Randweg erfordert volle Konzentration, ist sehr ambitioniert und kann einem (mir) auch vorbildlich auf die Nerven gehen. Doch während man andere Platten dann einfach ausmacht, läuft „Meanderlust“ weiter. Eben weil es so herrlich und unberechenbar meandert und man wissen will – muss! –, was hinter der nächsten Taktbiegung passiert. Eine Platte so verrückt wie unsere Welt. Erinnert sich noch jemand an die Zeichentrickserie „Es war einmal der Mensch“? Da verkündete das weißbärtige Menschlein am Ende jeder Folge: „Mehr davon beim nächsten Mal, wenn wir uns wiedersehen. Ihr müsst unbedingt sehen, wie es weitergeht.“ Genau so ist Randweg. Und wer wissen will, wie das klingt, dem sei natürlich nicht nur das Album empfohlen, sondern auch eines der beiden anstehenden Konzerte: am 18. März in Berlin (Roter Salon) und am 19. März in Aachen (Busdepot).

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Jeff Buckley You and I Cover WW12032016

##Jeff Buckley – You And I
Ji-Hun: Knapp 19 Jahre ist es nun schon her, dass der amerikanische Singer-Songwriter Jeff Buckley gestorben ist. Wie sein legendärer Vater Tim Buckley verstarb er jung. 30 Jahre wurde Jeff Buckley alt. Der Senior kam gerade mal auf 28 Jahre. Neben dem Suizid von Kurt Cobain war der missglückte Schwimmausflug von Jeff Buckley wohl einer der tragischsten Zwischenfälle in einer Grunge-geprägten Jugend in den 90ern. Das Album „Grace“ war eines der kräftigsten und zerreißendsten Solisten-Alben, die diese Generation gehört hat. Nun erscheint mit „You And I“ eine weitere posthume Veröffentlichung. Es handelt sich vielmehr um Demos. Coverversionen von bekannten Songs, die Buckley vor den Aufnahmen zu „Grace“ privat aufgenommen haben soll. Neben Liedern von The Smiths, singt er „Just Like A Woman“ von Bob Dylan und auch „Everyday People“ von Sly and the Family Stone. Die Musikkritik ist bei „You And I“ ungnädig. Unnötig, man möge lieber die richtigen Alben hören, heißt der eindeutige Tenor, ob bei Guardian oder Consequence of Sound. Aber ich möchte widersprechen. Keine Frage: „You And I“ ist kein geschliffenes Album mit Anspruch auf ein Meisterwerk. Aber wie auch, wenn es sich um unfertige Demoversionen handelt. Macht man das Album an, muss man sich aber nur vorstellen, man feiert ein kleines Fest bei sich daheim. Es gibt angeregte Intellektuellendiskussionen und noch mehr Alkohol. Und auf der Couch sitzt ein Merlot-getränkter, lümmelnder Jeff Buckley, der in sich gekehrt auf seiner Gitarre einfach seine Lieblingslieder mit Inbrunst singt. Keine Inszenierung, einfach ein privates Wohnzimmerkonzert. Auf dem Weg zur Toilette denkt man sich nur: Was für ein Genie ... Eine wundervolle Vorstellung. So einen Abend dürfte keiner von uns je vergessen.

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Fatima Al Qadiri Brute Wochenend Walkman

##Fatima Al Qadiri – Brute
Benedikt: Just in dem Moment, in dem sich der Sound dieser Platte als völlig egal herausstellt, zieht er doch wieder rein. Weil etwas besonders ist. Mal ein unerwarteter Synthie, mal ein Wechsel im Drumpattern, mal ist es ein Voice-Sample, das überrascht. Was sich hingegen nicht ändert, ist der Charakter der Platte. Der bleibt eindeutig kalt, düster und analytisch – teilweise schon sehr kalkuliert, chorale Samples lassen grüßen. Aber gerade, wenn „Brute“ zu kalkuliert wirkt, überrascht die Künstlerin wieder. Ich wiederhole mich, aber genau so geht es immer weiter durch „Brute“, Fatima Al Qadiri changiert zwischen Langeweile und Hochspannung, wobei sich die Distanz zum Hörer nicht aufzulösen vermag. Aber das soll wohl auch so sein.

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Leseliste 13. März 2016 – andere Medien, andere ThemenTumblr-Teen-Untergrund, der Kampf des Tim Cook, Sam Harris kneift und als dicker Mensch fliegen