Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Google auf dem Weg zur Weltherrschaft
Es tut schon weh, was Shoshana Zuboff hier (einmal mehr) für die FAZ zusammenargumentiert hat: Das von Google vorangetriebene Tracking der Nutzerdaten (Überwachung) hat sich mit Beginn der Auswertung zur kapitalistischen Größe entwickelt, die keiner Kontrolle unterliegt und dem Ziel, das Nutzerverhalten in Echtzeit beeinflussen zu können, immer näher kommt. Aus der konzentrierten, ungleichen Verteilung dieser Daten entstehe eine neue, „zutiefst antidemokratische Macht.“
Zugegeben, Shishana Zuboff hat das nicht gerade erst festgestellt, sondern ist schon seit Jahren leidenschaftliche Kämpferin gegen die „Enteignung“ unserer Daten. Die Snowden-Enthüllungen werden sie nur in ihren schlimmsten Befürchtungen auf der staatlichen, institutionellen Ebene bestätigt haben. Insofern sollte man ihr zuhören, auch wenn es schwerfällt, weil sie dem Beschnitt freiheitlicher, demokratischer Errungenschaften durch Big Data die größtmögliche Dimension verleiht und ein Vokabular nutzt, dem der Versuch einer objektiven Betrachtung von Anfang an abgeht: Überwachung, Enteignung, beispiellose Macht, Regime, Ausbeutung, etc. Trotzdem, sie trifft einen wahren Kern. Und der reicht schon.
„Von Überwachungskapitalisten zu verlangen, sie sollten die Privatsphäre achten oder der kommerziellen Überwachung im Internet ein Ende setzen, wäre so, als hätte man Henry Ford dazu aufgefordert, jedes T-Modell von Hand zu fertigen.“
Überwachungskapitalismus – Wie wir Googles Sklaven wurden
Google as a Fortune Teller – The Secrets of Surveillance Capitalism
##Pantone-Propaganda
Die Ernennung von Rose Quartz und Serenity als Farben des Jahres 2016 fand Ende letzten Jahres auch seinen Weg in die großen Zeitungen und Modemagazine. Hinter Pantone steckt ein standardisiertes Farbsystem für die Druck- und Grafikindustrie, welches tausenden von Farben eine Nummer und ein spezifisches Mischverhältnis zuweist um Verbindlichkeiten in der Farbreproduktion zu schaffen. Das amerikanische Unternehmen bezeichnet sich selbst als Markführer und sein Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Der Designer und Autor Kevin Yuen Kit Lo beschreibt wie die diesjährige Wahl von Rosa und Hellblau („RQ+S“) als ein Akt der Aneignung von subkultureller Ästhetik gesehen werden kann.
„The tonal pink and blue palette has been growing exponentially in popularity online since the emergence (circa 2010–11), purported death (circa 2012), and expanding influence of the micro-cultures of Seapunk, and its successor, Vaporwave, as part of a more broadly defined subculture of internet-fuelled art employing what can be described as a Tumblr aesthetic.“
Akribisch werden hier visuelle Trends wie Seapunk oder Vaporwave beschrieben, ihr Bezug zu neuerer, feministischer Ästhetik aufgezeigt und letztlich als der Ursprung von „RQ+S“ charakterisiert. Pantone selbst benennt kaum diese Bezüge: „The aim is to fully divorce the colours from their specific cultural context in order to generate a mass market commodity.“
The Propaganda of Pantone: Colour and Subcultural Sublimation
##Der Musikindustrie drückt der Schuh
99 Probleme hat Don O für digitalmusicnews.com zusammengetragen, mit denen sich die Musikindustrie herumschlagen muss. Das heißt natürlich: mit denen Musikerinnen und Musiker zu kämpfen haben. Der Titel ist reines Clickbaiting, viele der aufgeführten Punkte sind mindestens diskussionswürdig. Es geht um die immer noch voranschreitende Entwertung von Musik. Um Probleme mit dem Album-Format, mit dem Streaming, der Piraterie, den neuen Plattformen und den damit einhergehenden Vermarktungsmechanismen, um Konzerte, Plattenläden und immer wieder das Geld. Vieles scheint mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogen, etwas Über-die-Stränge-schlagend assoziiert und miteinander verwoben. Aber Listen sind beliebt und dank dieses Formats rauscht die Musikbranche so schnell an einem vorbei, dass man glatt zum Ludditen werden und nur noch Shellack hören will. Was Don O nicht in seiner Liste hat: Egal in welcher Zeit ein Musiker Musik macht, belogen und betrogen wurde er von der dahinterstehenden Industrie schon immer. Ist das nicht das eigentliche Problem? Die Diskussion ist eröffnet.
„Got more problems? Add them below.“
##Wie man einen TED-Talk hält
Wir alle haben schon großartige, mittelmäßige und nicht so spannende TED-Talks gesehen. Keine Marke im Bereich der Präsentationen ist größer, auch Powerpoint nicht. Wer in Vancouver 14 Minuten auf der Bühne steht, dem muss doch der Kupferbolzen hinten rausschauen bei einer globalen Zuschauerschaft. Vorbereitung ist alles, sagt Tim Urban, und verrät, wie man einen guten Talk hält. Streber. Warum sollte man sich das durchlesen? Weil Tim Urban Prokrastinationsprofi ist und das Aufschieben lebt und als solcher trotz guter theoretischer Struktur in praxi schön ins Schwitzen kommt. Die TED-Leute hängen ihm im Nacken, wollen Vor- und Generalproben, und sein Zukunfts-Ich erst: Oktober-Tim wartet dringlich auf den den Input von September-Tim ... ein Comic zum Brüllen.
„If you record yourself saying the talk and play it back at 2x speed, can you say it out loud while it’s playing and stay ahead of the recording?“