Als wir klein waren, dachten wir: Wer über Musik schreibt, hört den ganzen Tag Musik. Stimmt leider nicht ganz. Vieles fällt unter den Tisch, Hypes werden verpennt oder die Bucketlist mit Platten, die man sich schon immer anhören wollte, wird immer länger. Unsere Redaktion stellt ihr Walkman-Futter für die arbeitsfreien Tage vor. Da darf gerne auch mal was Seltsames, Altes oder vermeintlich Peinliches dabei sein.
##Gravenhurst - Flashlight Seasons
Thaddeus: Als ich dieses kleine Textchen schrieb, wusste ich noch nicht, dass Nick Talbot gerade gestorben war. Ich war auf dem Weg nach London und ärgerte mich, dass ich sein Konzert knapp verpassen würde. Das Konzert zu genau dieser Platte. Ich schrieb also das Textchen. Und flog los. Dass Talbot nun im Alter von 37 Jahren gestorben ist, ist traurig, schockierend, auch wenn wir natürlich die Hintergründe nicht kennen. Uns auch nichts angehen. Wenn er krank war, dann ist es hoffentlich in Ordnung, so früh zu gehen. Oder zumindest die bessere Alternative. Für Talbot. Wenn sein Tod andere Gründe hatte, dann erheben wir den Mittelfinger in Richtung Leben und brüllen Fuck You. Das Wort „Fuck“ kommt auch der Platte auch ein paar Mal vor. Hier also mein Textchen zu dieser wundervollen Platte. Ich hab ihn so gelassen, nur hinten zwei Sätze rausgenommen. Wegen der Konzerte, die nun nicht mehr stattfinden werden.
Rauschen. Knistern. Irgendetwas feedbackt. Könnte auch eine Orgel sein. Moment, ist eine Orgel. Dann kommt Nick Talbot. Dieses Gravenhurst-Album ist das einzige, das mit jemals etwas bedeutet und gesagt hat. Dafür tut es das aber auch noch immer. Ich habe ja etwas übrig für Songwriter, machmal zumindest. Bedingung: Sie dürfen nicht zu gute Laune haben. Die hatte Talbot auf dieser Platte nicht. Zumindest klingen die wundervollen Songs nicht so. Wer würde sich sonst Title wie „I Turned My Face To The Forest Floor“ ausdenken. Gute Idee übrigens. Seit die Platte 2003 erschien, habe ich sie regelmäßig wieder rausgekramt. Und nach wenigen Sekunden der Eingewöhnung bin ich wieder drin in Talbots Kopf. Mehr braucht es selten. Enttäuschend war damals ein Konzert von Talbot im Berliner Knaack Club. Das war so ... rockig. Da höre ich lieber „The Diver“, eines der Highlights auf der Platte.
Lebe wohl, Nick Talbot.
##Fat Freddy’s Drop - Blackbird
Benedikt: Dieses Album ist seit einem Jahr durchgängig auf meinem iPod und läuft auch auf der heimischen Anlage rauf und runter - die Playlist für jede Stimmung, jeden Ort und jede Zeit. Die musikalische Allzweckwaffe seit Release 2013. Alle sieben Bandmitglieder sind großartige Musiker, ihr Sound ist geprägt von Dub und Raggae, dazu gibts ordentlich Soul und Jazz, Gitarren- und Bläsersoli inklusive. Doch das Album Blackbird fängt nur in diesem Stil an. Je weiter die Nadel auf der Platte nach innen läuft, desto größer wird der musikalische Horizont der Neuseeländischen Band. Zwischenzeitlich kommen Singer-Songwriter-Qualitäten durch. Am Anfang bedächtig und sporadisch eingesetzte Synthies treten immer weiter in den Vordergrund und spätestens in der zweiten Hälfte von „Never Moving“ grüßt der Dub-Techno, der auch in „Mother Mother“ noch fortgesetzt und zum Ende hin immer kompromissloser wird. Diese Reise vom Reggae in Richtung Techno und zurück, von Saxophone, Trompete und Gitarre in Richtung Drummachine und Synthesizer ist völlig einzigartig. Und beweist vor allem eins: Musiker klassischer Istrumente (Gitarre, Schlagzeug, Bass, Bläser) sollten viel öfter eine Drummachine oder einen Synthesizer mit ins Studio nehmen. Denn so werden kurzerhand jegliche Genregrenzen gesprengt und es kann eine einmalige Mischung aus handgemachter und maschinengemachter Musik entstehen. Das geht vor allem raus an Indie- und Alternative: Eine Musikrichtung, die seit 10 Jahren (quasi) tot ist, weil Bands sich weigern, über den Bass-Gitarre-Drums-Tellerrand zu schauen. Vielleicht mal Fat Freddy’s Drop hören und staunen, was sich auf einer Tracklänge von knapp zehn Minuten fabrizieren lässt.
##Silk Rhodes - s/t
Ji-Hun: Im Virtuellen gibt es Momente, die sind wie im richtigen Leben. Man diggt sich durch die Neuheiten und sieht so ein knackiges Cover. Ein Schulmädchen (?) mit einer LSD auf der Zunge. Auf der Pappe der Names des Acts so wie der Albumtitel „Silk Rhodes“. Wortspiel. Ha! Rhodes statt Roads. Passt. Muss also um warme E-Pianos gehen. Dann noch das Kaufargument der frühen 90er für pubertierende Jungs schlechthin der „Parental Advisory Explicit Lyrics“-Sticker. Ein Blick auf die Rückseite. Label: Stones Throw. Gekauft. Und wehe es ist scheiße.