Als wir klein waren, dachten wir: Wer über Musik schreibt, hört den ganzen Tag Musik. Stimmt leider nicht ganz. Vieles fällt unter den Tisch, Hypes werden verpennt oder die Bucketlist mit Platten, die man sich schon immer anhören wollte, wird immer länger. Das soll sich ändern. Unsere Redakteure stellen ihr Walkman-Futter für die arbeitsfreien Tage vor. Da darf gerne auch mal was Seltsames, Altes oder Peinliches dabei sein.
##Kid Cudi - Satellite Flight (The Journey to Mother Moon)
Benedikt: Kid Cudi ist eine Ausnahme im amerikanischen Rap-Business, und das nicht nur, weil er gleichzeitig auch die eine Hälfte des Alternative-Rock-Projekts WZRD ausmacht. Er wirft keine gigantische Promo-Maschinerie an für seine Alben an, braucht keine Vorlaufzeiten: „When I give you the release date, it will be 24 hours before its released,“ so sein Statement zu diesem Album. Kid Cudi geht es um die Kunst, seine Alben erzählen Geschichten. „Satellite Flight“ ist das experimentellste seiner Alben, das Verbindungsglied zwischen „Indicud“ und „Man on the Moon III“, das im kommenden Jahr erscheinen soll.. Es nimmt einen mit auf eine Reise ins Weltall, zu „Mother Moon“ eben. Dunkle Synthies im Opener, Gitarren-Riffs und in „Satellite Flight“ hebt man dann auch ab: „Come get in my space whip/To the satellite, tonight/Take flight to the moon/Take a ride.“ Ein Album voller Instrumentals, mit dem der eingefleischte Fan des Sprechgesangs garantiert nichts anfangen kann. Dafür gibt es großartig produzierte Sci-Fi-Elektronik, angereichert mit analogen Instrumenten und einem ordentlichen Schuss Poesie von einem der vielseitigsten HipHop-Künstler der USA - ohne Geltungsbedürfnis.
##Grouper - Ruins
Ji-Hun: Liz Harris hat das Klavier entdeckt. Und es scheint, als wäre es nicht nur eine instrumentale Neuorientierung auch musikalisch ist bei ihrer neuen Platte Ruins vieles anders. Grouper war bis dato immer diese in Wolken gehüllte Noise-Ambient-One-Woman-Show, von Musiknerds vergöttert, sperrig und dunkle, kathartische Räume aufmachend. Gitarren, surrende Schaltkreise, selbstgesamplete Vocals, die wie eine schwere Wolke einen einhüllten. Vor einigen Jahren sah ich Grouper auf dem ATP Festival in England. Es war spannend, aber auch ein bisschen gewollt indifferent. Jetzt also Ruins, von den Gazetten extrem gefeiert ist die Platte vor allem eines: reduziert. Liz Harris, ein Mikrofon, ein Piano, dezente Fieldrecordings und zum Niederknien wundervolle, intime, eindrückliche Songs. Impressionistische Skizzen wie man sie von anderen Klavierkünstlern wie Nils Frahm oder auch Goldmund kennt, aber mit Gesang und einem brillanten Gefühl für Songwriting. Wenn man wie ich dieses Wochenende auf Hiddensee verbringt, dürfte es keinen besseren Soundtrack geben.
##.. Going thru life
Thaddeus: Techno ist immer dann am besten, wenn er nicht nach Techno klingt. Das ist so eine Marotte von mir, genau wie nach wie vor behaupte, dass es eigentlich keine guten Techno-Alben gibt. Stimmt natürlich alles nicht, vor allem wenn man sich diese Compilation hier anhört. Die erste von Delsin, dem Amsterdamer Imperium des guten Geschmacks. 2001 war das. Die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern. Die Welt war super damals, nicht nur weil sie näher dran war an der Vergangenheit, die wir immer noch nicht verstanden hatten. Das Internet war langsam, ein MacBook hieß noch PowerBook und war noch viel langsamer als das Internet, mit dem es nur schwierig Kontakt aufnehmen wollte. Die Zukunft war also kein langweiliger Zeitvertreib, kein daily business, sondern verklärte Hoffnung, die man einfach nicht fassen konnte. So schlingerte man durchs Leben und trank seine Gin & Tonics. Some things never change. „..Going Thru Life“ ist der Soundtrack zu diesem Gefühl, das mich auch heute noch oft beschleicht, keine Ahnung zu haben wie die Zukunft aussieht, nicht mal zu wissen, wie man sie wirklich buchstabiert. Da ist es keine Überraschung, dass der größte Techno-Track aller Zeiten - „Moon FM Desire“ von Ross154 - hier auf dieser CD mittig positioniert ist, als melancholischer Sekundenkleber den Kit bildet für all die wundervollen anderen Stücke, die drumherum drapiert sind. Viele von Künstlern, die noch heute Musik machen. Was man damals, als die Compilation erschien, nicht wusste, ist heute klar, und der sehr besondere Sound macht das noch deutlicher. Bei Delsin ist Zukunft einfach Freundschaft.