Als wir klein waren, dachten wir: Wer über Musik schreibt, hört den ganzen Tag Musik. Stimmt leider nicht ganz. Vieles fällt unter den Tisch, Hypes werden verpennt oder die Bucketlist mit Platten, die man sich schon immer anhören wollte, wird immer länger. Unsere Redaktion stellt ihr Walkman-Futter für die arbeitsfreien Tage vor. Da darf gerne auch mal was Seltsames, Altes oder vermeintlich Peinliches dabei sein.
##Pink Floyd - The Endless River
Ji-Hun: Es gibt Platten, vor denen man Angst hat sie zu hören. Das neue Album von Pink Floyd ist so ein Fall. Das erste nach 20 Jahren und wohl nun das wirklich letzte ihrer langen Karriere. Mit Mitte 30 darf ich mich zwar nicht zur typischen „Pink Floyd hat mein musikalisches Leben beeinflusst-Generation“ zählen. Geprägt haben sie mich aber trotzdem. Mit 14 sah ich die Band live im Gelsenkirchener Parkstadion im Rahmen ihrer letzten Division Bell-Tournee. Eines meiner ersten Konzerte überhaupt und noch immer eines der beeindruckendsten, die ich je gesehen habe. Die Quadrophonie, diese unfassbare Lichtshow, Gimmicks und wie sehr Musiker und keine Showmen David Gilmour, der mittlerweile verstorbene Richard Wright und Nick Mason doch waren. In der Zeit danach sah ich viele andere Großveranstaltungen und Superband-Konzerte. Diese megalomanische Brillanz und Großartigkeit meine ich aber nie danach wiedergesehen zu haben. Ich spielte zu Beginn meiner Teenagerzeit in einer Musikschulband. Gecovert haben wir „Wish You Were Here“ und „Another Brick in the Wall“. Trotz Rage against the machine, Tocotronic und Sonic Youth ließen mich die Rentner-Rocker also nicht so wirklich los. Pink Floyd cool zu finden, war und ist uncool. Es sei denn man wollte irgendwann wie Peter Rüchel vom Rockpalast enden. Die letzten 15 Jahre habe ich die Band eigentlich gar nicht mehr gehört. Vor einiger Zeit traf ich aber Nick Mason zu einem Interview und erlag seinem sympathischen, bescheidenen Charme der Marke „Good old British gentleman“. Er wirkte frisch, voll auf der Höhe und genau wissend, was er tut und danach fragte ich mich euphorisch, wie es wohl wäre, wenn es noch ein Album geben würde. Erzählt hat mir Nick Mason damals noch nichts davon, zumindest nicht so richtig, außer er würde an „Pink Floyd-Sachen arbeiten“. Und mir wurde auch klar, dass die Band nichts machen würde, nur um den Markenwert nochmal fürs Erbe ein letztes mal ausnehmen zu wollen. The Endless River anzumachen bringt dementsprechend Skepsis mit. Eine natürliche Abwehrhaltung. Ein tiefes Gefühl des Vertrauens sagt mir aber, dass ich nicht enttäuscht werde.
##LCD Soundsystem - The Long Goodbye
Benedikt: Das Projekt LCD Soundsystem wurde vor nunmehr drei Jahren aufgelöst, aber es kommt mir immer noch vor, als sei es gestern gewesen. James Murphy hat Punk und Elektronik verschmolzen wie kein anderer. Wie präsent LCD Soundsystem eigentlich war, merkt man erst jetzt: Die Lücke, die James Murphy hinterlassen hat, mag niemand zu füllen. Wie auch? LCD Soundsystem war in jeder Hinsicht einzigartig. Doch immerhin gab der nun hauptberufliche Labelboss von DFA Records eine angemessene Verabschiedung: Drei Stunden live im Madison Square Garden, mehr Party als Konzert. Tatsächlich passen in diese drei Stunden so ziemlich alle (guten) Songs, die LCD Soundsystem jemals zustande gebracht hat. Vom Opener „Dance Yrself Clean“ über „Daft Punk is playing in my House“ bis „Losing my Edge“ ist alles dabei. Live klingt LCD Soundsystem noch deutlich rougher und rotziger als auf Platte, erinnert streckenweise an DAF - nur besser. „The Long Goodbye“ heißt das erst in diesem Jahr veröffentlichte Live-Album. Es gibt übrigens einen Film mit dem gleichen Titel. Interessanterweise lautet der deutsche Titel des Films „Der Tod kennt keine Wiederkehr“. So wird es dann wohl sein.
##King Creosote & John Hopkins - Diamond Mine
Thaddeus: Ich mag King Creosote und zusammen mit John Hopkins ist er am besten. Ich mag auch John Hopkins, der wiederum mit King Creosote am besten ist. Diese beiden so unterschiedlichen Musiker wachsen zu etwas ganz Besonderem zusammen, wenn sie gemeinsam arbeiten. Diese Kooperation muss man mögen, aber das gilt auch für die jeweiligen Solo-Produktionen. Dieses Album zeigt, wie samtig elektronische Samthandschuhe im Umgang mit Folk sein können, vor allem aber müssen. Wenn ich mich für einen Song dieser extended Version entscheiden müsste, dann geht das nicht. Es müssten mindestens zwei sein. Gleich den ersten, „First Watch“ mit den fröhlich plaudernden Café-Ladies. Und dann natürlich „Bats In The Attic“, am besten in der Remix-Version, weit hinten. „sweet drumroll for those embittered big ideas.“ Ich habe keine weiteren Fragen.