Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
##Fatima Yahama - Imaginary Lines
Benedikt: „Im Mai legte das holländische Label Dekmantel „What’s A Girl To Do“ von Fatima Yamaha neu auf, Erstveröffentlichung 2004. So catchy der Synthesizer, so reduziert das Drumherum. Und obwohl „What’s A Girl To Do“ schon mehr als ein Jahrzehnt auf dem Buckel hat, schließt das gestern erschienene Debütalbum des Holländers genau daran an. Eine Dreiviertelstunde House voll markanter Synthie-Melodien, die nur deshalb niemals nerven, weil sie völlig unaufgeregt daherkommen. Die Melodie steht zwar eindeutig im Mittelpunkt der Platte, aber man zeigt nicht auf dem Finger auf sie. Auf der anderen Seite langweilt „Imaginary Lines“ zu keinem Zeitpunkt. Zwar greift Fatima Yamaha beherzt zurück in längst vergangene Synthie-Welten, stellt diese aber in einen House-Kontext, der 2015 völlig angemessen ist. Ich glaube es war ein gutes Jahr für ihn.
##Bill Wells & Friends - Nursery Rhymes
Ji-Hun: Dieses Wochenende besuche ich zum ersten Mal mein neues Patenkind. Im privaten Umfeld gibt es neuerdings (wobei eigentlich ist es ja immer so) viele Neugeborene, und Einschlafprobleme der Kinder, so wie aus dem Ruder geratene Schlafrhythmen der Eltern scheinen dazu zu gehören wie Geschenke zu Weihnachten. Einige Eltern haben da mehr „Glück“, die anderen weniger. Umstellung und Verzweiflung spielen aber so gut wie immer eine Rolle dabei. Der schottische Musiker Bill Wells hat nun auf Karaoke Kalk ein Album nur mit Schlafliedern veröffentlicht. Wie passend, denke ich mir. Er schart dabei seine liebsten Musikerfreunde um sich rum: Isobel Campbell, Yo La Tengo, Deerhoof, Teenage Fanclub und viele mehr. Das Ergebnis sind Interpretationen bekannter angloamerikanischer Schlaflieder mit Stilanleihen von Indie bis Jazz. Ein Gegenstück zu Max Richters Mammutwerk und irgendwie gar nicht so für Kinder, wenn man sich die teils experimentellen Eskapaden anhört. Aber wer weiß das schon. Ist natürlich Erwachsenenmeinung
##Tropic Of Cancer - Stop Suffering
Thaddeus: Keine wirklich gute Woche, global sowieso nicht, aber auch persönlich. Immerhin: Endlich mal „Tropic Of Cancer“ gehört. Und auch wenn ich mir eigentlich geschworen hatte, diese Art des Wave-Nachbaus, der – die einen – nie weg war bzw. – die anderen – in den vergangenen Jahren wieder verstärkt durch die Kunstnebel-Decke ging, mir irgendwie auf den Schirm zu holen, mag ich diese neue EP von Camella Lobo. Ich war lange genug live dabei. Sänge Camella eine Quarte höher, dann wäre sie Rachel Goswell, einfach nur mit einer mit einer Xanax mehr drin. Das ist ja schon mal nicht das Schlechteste, die frühen EPs von Slowdive waren eh ihre besten, vor allem die B-Seiten. Was genau Josh Eustis von „Telefon Tel Aviv“ hier produziert hat, erschließt sich mir zwar nicht, ist aber auch egal. Denn der Kopf rattert schon und holt mit erprobter Zielgenauigkeit eine Hand voll Platten aus dem Schrank, die damals genauso klangen wie Camella heute. Die beste davon war das erste Album von „Bowery Electric“, die vor ihrer TripHop-Phase, von der sie in nur zwei Album konsequent aufgefressen wurden, eine wirklich tolle Platte gemacht hatten. Dunkelblau, Musik und Vinyl. Die noch besseren Platten jedoch liegen bestimmt hinter dem Regal. Oder dem Sofa. Wo Camella auch hinschaut. Man kann solch eine Packung distanzierten Schmerzes ja mal 20 Minuten über sich auskippen lassen.