Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
##Phill Niblock - T H I R
Christian: Auch wenn Phill Niblock nie in dem Maße rezipiert worden ist wie La Monte Young, Reich oder Glass, gehört er doch zu den ehrwürdigen Vertretern der Minimal Music. Als Autodidakt ist Niblock nie ein kühler Musikberechner gewesen, sein Oeuvre war konzeptionell schon deswegen immer schwieriger zu bestimmen, da es offenbar auch um so diffuse Kategorien wie Atmosphäre und Stimmung ging. Inzwischen gelten seine Stücke als Pionierarbeit auf dem Gebiet der Drones, doch verglichen mit dem, was heutzutage unter diesem Begriff gelabelt wird, klingen Niblocks Aufnahmen oft vergleichsweise leicht, geradezu heiter. Auf seiner ersten LP stand in serifenloser Schrift „Nothing To Look At Just A Record“ – was nicht nur das puristische Programm der enthaltenen Musik spiegelte, sondern auch darauf verwies, dass Niblock in der New Yorker Szene der 60er- und 70er-Jahre häufig vermittels multimedialer Performances in Erscheinung trat. Niblock drehte auch Filme – das italienische Label VON bringt nun „T H I R“ auf DVD heraus, ein 16mm-Film aus Niblocks „Environment“-Zyklus. Ein detailversessener, aus Naturaufnahmen bestehender Film, der trotz seiner statischen Einstellungen eine geradezu vitalistische Agenda verfolgt: „T H I R“ ist wie ein lebendiges Herbarium. Niblock selbst ging es wohl eher um die „Abschaffung“ filmischer Techniken, er verstand „T H I R“ mit seinen langen Einstellungen als einen Anti-Montage Film: „The idea is to get rid of editing. My theory is that with shots over 10 seconds, you lose track of any sort of rhythmic thing from cutting.“ Diese Einschätzung ist vor allem interessant, wenn man sich an Arbeiten des 16mm-Superstars James Benning erinnert, dessen ebenfalls sehr langen Shots oft ein tieferliegendes Rhythmusgefühl evozieren. Aber das ist hier kein Filmclub, sondern ein Wochenend-Walkman. In jenen schiebe ich aber diese Woche einen Film, weil es die Tonspur eben nicht als Tonträger oder Musikdatei gibt. Dabei gehört die filmbegleitende Komposition für Bläser zu den Schönsten, die mir von Niblock bekannt sind, gerade weil der poröse Klang der Bläser die Schwere der langanhaltenden Töne so toll unterminiert. Oder andersrum? Wenigstens acht Minuten des Stückes kann man auf Vimeo anschauen/anhören.
##Arovane & Hior Chronik - In-between
Thaddeus: Mein lieber Freund Arovane hat ein neues Album veröffentlicht und mir nicht Bescheid gesagt. Wobei: Vielleicht stimmt das gar nicht, Uwe Zahn ist immer an 367.547 Projekten gleichzeitig dran. Zusammen mit Hior Chronik aus Griechenland entspinnt sich hier eine wundervolle Ambient-Welt, die man so zumindest von Arovane in letzter Zeit gar nicht mehr gewohnt war. Der Opener, „A Day, November 2013“, hätte so auch den Köpfen von Eno und Budd entspringen können. Oder “After Tomorrow“, eine kategorische Pop-Hymne, denkt man sich Beats und Hooks einfach dazu. Eine wirkliche Überraschung, dieses Album. Hier haben sich zwei Produzenten gefunden, die ganz offensichtlich schon seit der Kindheit von den gleichen Farben geträumt haben, sich mit der gleichen Emphase morgens aus dem Bett wuchten und die Synths noch vor der Kaffeemaschine anknipsen. Die Welt ist ein guter Ort, wenn sie so klingt.
Selfmade Records - Chronik III
Benedikt: Zum zehnjährigen Jubiläum hat Selfmade Records es geschafft: Die Düsseldorfer haben sich selbst den Stempel des erfolgreichsten deutschen Hip-Hop-Labels verpasst – und keiner streitet es ab. Genetikks „Achter Tag“ in diesem Jahr war das sechste Nummer-Eins-Album in Folge. Nun ist die ganze Selfmade-Bande auf dem Label-Sampler „Chronik III“ vertreten, inklusive ehemaliger Mitglieder und Freunde. Voll im Trap-Film hat nun auch die dritte Ausgabe der Chronik direkt die Chartspitze bestiegen. Verdient? Ich bin da noch skeptisch. Am Wochenende werde ich der Platte mal auf den Zahn fühlen, meine Erwartungen sind dabei aber nicht sonderlich hoch. Mit Kollegah habe ich mich schon immer schwer getan (von Farid gar nicht angefangen), Karate Andi’s Fake-Penner-Style-Gefeiere regt mich meist nach zwei Minuten auf, bei den 257ers zerren in der Regel die Beats am Nervenkostüm, die auf dieser Platte aber sicher anders klingen. Favorite ist eben Favorite – kurzweilig und unterhaltsam. Dann sind da noch Casper, Marteria und SSIO als Gäste – und eben die bereits erwähnten großartigen Jungs Genetikk, hier zuletzt genannt, weil die Erwartungen an die beiden Maskenträger am höchsten sind. Wie das alles zusammengehen soll? Keine Ahnung. Aber ich werde es mal nachhören.