Meeting Eric SchmidtDer Google-Vorstand auf Stippvisite in Berlin
14.10.2014 • Gesellschaft – Text & Bild: Thaddeus HerrmannLobbying vor Gleichgesinnten. Eric Schmidt, Googles Vorstandsvorsitzender, hat die Berliner Musiksoftware-Experten von Native Instruments besucht. Und natürlich über das Internet geplaudert. Sind wir nicht alle ein bisschen Startup?
Eric Schmidt findet's toll. Berlin („Wussten sie eigentlich, dass das Brandenburger Tor 26 Meter hoch ist? Hab' ich vorhin gegooglet, als ich davorstand!“), aber ganz besonders diesen Kreuzberger Hinterhof, in dem rund 300 Frauen und Männer Soft- und Hardware für die Musikproduktion programmieren, konzipieren und verkaufen. Wie das klingt und funktioniert, wird Schmidt gleich zu Beginn auf amtlicher Lautstärke demonstriert: Traktor, Maschine und auch die neuen Keyboards werden ihm und dem Publikum vorgeführt und so kommt es, dass es - These - Schmidts einzige Keynote ist und bleiben wird, die mit einem kurzen Schwenk auf die elektronische Musik beginnt. „It's everywhere, right? And I even like some of it.“ Dann murmelt er etwas über EDM und konzentriert sich auf das Wesentliche.
Es geht um das Kreative, das Disruptive, um die Kurzlebigkeit der Technik-Branche, um den cycle of life, der für jedes Produkt, jeden Service, jede Idee irgendwann erreicht ist. Zeit für etwas Neues, etwas Besseres. Für seine Botschaft braucht Schmidt die Einfachheit, die lapidare Wahrheit, die sich auf alles in der Welt anwenden lässt. Je schärfer gegen seinen Konzern geschossen wird, desto simpler muss die Antwort ausfallen. Schmidt fährt gut mit dieser Taktik. Man hört ihm gerne zu. Weil all das, was er sagt, stimmt. Aber eben auch nur ein Teil des großen Ganzen ist.
„Innovation entsteht immer aus Frustration.“
Geht es nach Schmidt, dann sind für den Erfolg von Google ganz alltägliche Dinge verantwortlich. Zum Beispiel Jennifer Lopez. Oder nicht ganz so alltägliche Dinge wie 9/11. Bei den Emmy-Awards trug Lopez ein Kleid, das so eindrucksvoll gewesen sein muss (grün, von Versace, Schmidt schaut träumerisch zur Decke), dass das Outfit die mit Abstand meisten Suchanfragen bei Google produzierte. Das war der Startschuss für die Entwicklung der Bildersuche. Und die Anschläge vom 11. September? Der Beginn von Google News und Google Translate. Information muss frei sein, immer verfügbar, schnell erreichbar, ohne Hindernisse, so multimedial wie möglich. Kreative Ideen mit disruptiver Wirkung. Denn: „Innovation entsteht immer aus Frustration.“ Wenn das nicht immer wieder geschieht, so ein Durchbruch, so ein Knotenplatzen, auch bei Google, „glauben sie wirklich, dass unsere Nutzer sich weiterhin für uns entscheiden würden?“
Es muss sich lohnen
Das Bild, dass die Welt von Google habe, sei ohnehin falsch. Sagt Schmidt nicht, das ist aber der Subtext, der während der rund 30 Minuten Smalltalk konstant mitschwingt. Vor allem in Europa, pardon, in „Brüssel“ - Schmidt setzt zu dieser amerikanischen Anführungszeichen-Geste an - sei das doch alles nur ein Missverständnis. Man regt sich gerne über die Datenkrake Google auf, und wenn ein Unternehmen sich beschwert, Google würde deren Geschäftsmodell übernehmen oder angreifen, dann hat Schmidt die Daten, um das Gegenteil zu beweisen. Auch wenn man preiswerte Flüge direkt bei Google sehen kann und nicht mehr auf Opodo klicken muss: „Die bekommen von uns mehr Traffic als in der Vergangenheit, als wir diesen Service noch nicht angeboten haben.“ Vielleicht ist der Lebenszyklus solcher Seiten mittlerweile abgelaufen? Würde Schmidt nie sagen, ein Lächeln reicht ihm, um das klar und deutlich zu kommunizieren. „Und haben sie sich zufällig mal die Nutzerstatistken auf Smartphones angeschaut? Sieben von zehn Minuten gehen zu Facebook, nicht zu uns. Google sei anders, könne nicht auf den Netzwerk-Effekt setzen. „Google ist beliebt, weil es nützlich ist. Bei Facebook ist es andersherum.“ Aber natürlich muss sich die Sache auch lohnen. Und das, sagt Schmidt, habe Google eben raus. Anders als große Erfinder wie Nicola Tesla, den er sehr bewundere, der es aber nie geschafft habe, seine Innovationen auch angemessen zu vermarkten. Der eine schafft es eben aus der Startup-Garage, der andere nicht.
Aus der ist Google längst raus, genau wie Native Instruments. Und deshalb ist dieser Termin hier auch kein Zufall, keine Irritation, kein ungewöhnlicher Schulterschluss. Ein Interesse an dem, was hier entwickelt wird, ist Schmidt klar und deutlich anzumerken. Wenn vielleicht auch auf einem eher abstrakten Level. Schmidt hat etwas übrig für den kreativen Mittelstand, das merkt man sofort. Und will am Ende gar nicht mehr gehen. Sagt Dinge wie: „Das was wirklich eine tolle Veranstaltung, so tolle Musik,“ während er sich vom CEO von Native Instruments Daniel Haver noch die Produkte erklären lässt. Eric Schmidt ist ein Botschafter des Positivismus. Immer höflich, immer eloquent, nie um eine Antwort verlegen. Das merkt man vor allem bei der kurzen Fragerunde zum Schluss seiner Keynote, als er die Frage zu Googles selbstfahrendem Auto perfekt abbügelt: „Da können die jungen Leute endlich was trinken am Wochenende. In den USA sterben jährlich 30.000 Menschen auf den Autobahnen. Die können wir doch retten!" Oder die junge Frau, die ihm mit viel Effet die Frage nach den Konsequenzen unserer technisierten und automatisierten Welt stellt. Ob das nicht einen immer größeren Prozentsatz der Bevölkerung ohne Aufgabe zurückließe und deren einzige Perspektive der Konsum sei, den sie sich nicht mal leisten könnten? „Das wird nicht passieren. In den letzten 500 Jahren war es auch nicht so.“
Er hat bestimmt die Daten, um das zu beweisen.