Filter Tapes 011„Past“ von Future 3

Filter Tape 011 - Illu

Das war überfällig. Thomas Knak, Anders Remmer und Jesper Skaaning bringen die Band wieder zusammen. Ihr erstes gemeinsames Projekt, „Future 3“ katapultierte Kopenhagen in den 90er-Jahren auf die Landkarte der elektronischen Musik. Drei Alben und zwei EPs veröffentlichte das Trio von 1995 bis 2001, danach war Schluss. Zusammen Musik gemacht haben die drei jedoch weiterhin, nur unter anderen Vorzeichen, anderen Namen und mit anderem Schwerpunkt. Außerdem sind alle Mitglieder mit ihren Solo-Projekten aktiv. Jetzt, nach 13 Jahren, schwingt Kopenhagen wieder im Klang der Elektronika. Pünktlich zur Veröffentlichung des vierten Albums „With And Without“ haben die Dänen exklusiv für uns die neuste Folge der Filter Tapes aufgenommen. Zwischen Kraftwerk und Indie, Chet Baker und Aphex Twin. Eine radikal gemixte Reise in die Vergangenheit. Und genauso heißt auch ihr Mix: Past.

Es war eine ausgesprochen schöne Nachricht, dass ihr wieder zusammen im Studio seid. Für diejenigen, die eure Arbeit nicht so verfolgen: Was war in den vergangenen Jahren so los?

Seit dem letzten Future-3-Album haben wir solo viel veröffentlicht. Und, naja. Arbeiten muss man ja auch noch, das Familienleben kommt dazu. Aber auch zu dritt haben wir Musik gemacht. Zwei Alben als System und eines als People Press Play, zusammen mit Sara Savery.

Als ihr mit Future 3 begonnen habt, war „Elektronika“ der heiße Scheiß. Seitdem ist viel passiert, die Musikindustrie hat sich drastisch verändert. Es gibt nicht nur mehr Musik denn je, auch die Vertriebskanäle sind vielfältiger. Wie seht ihr das und wie passt euer neues Album in diese Situation?

Ach, eigentlich ist das alles super, oder? Das Interesse an Band und Produzenten, die damals angefangen haben, als auch wir starteten, ist immer noch groß. Und die eher minimale Produktion von damals hatte aus heutiger Perspektive einen enormen Einfluss, auch für große Labels wie Warp oder Mo Wax. Vor einigen Jahren war es schwierig. Da waren viele Tracks unheimlich komprimiert und laut, einfach vollgepackt. Neue Musik, also Musik von heute, kommt aber wieder mit weniger Elementen aus und ist generell luftiger, auch in der Dance Music. Zum Beispiel frische Grime-Produktionen aus England. Die haben keine Vocals und auch praktisch keine Beats mehr. Logos ist hierfür ein gutes Beispiel.
Und auch die oldschooligen Elektronika-Produktionen werden seit einiger Zeit wieder mehr und mehr goutiert. Das ist gut, nicht nur weil wir immer noch genauso arbeiten wie damals. Unser neues Album ist allerdings in einer ganz speziellen Weise aufgebaut. Erst die Tracks mit Gesang, dann nur noch instrumental. Daher ja auch der Titel der Platte „With And Without“. Wie das ankommen wird, können wir nicht recht einschätzen.

Wie lebt es sich aktuell in Kopenhagen?

Die ganze Stadt zieht um. Von draußen - es war ein toller Sommer, wirklich! - nach drinnen. Hier zu leben und zu arbeiten ist immer noch toll. Es gibt eine große kreative Szene, von DIY-Projekten bis zu groß aufgestellten und finanzierten Aktionen. Das Tolle ist, dass beide Extreme miteinander harmonieren. Einzig die Politik macht uns Sorgen. Da gibt es kaum Positives zu berichten.

Future 3 full

Thomas Knak, Anders Remmer und Jesper Skaaning / Bild: Dennis Morton

Euer Mix heißt „Past“, also “Vergangenheit“. Sehr passend für eine Band, die sich “Future 3“ nennt. Was für ein Verhältnis habt ihr generell zu Vergangenheit? Immerhin lag das Projekt für viele Jahre brach.

Auf die Vergangenheit kann man sich ja immer irgendwie einigen, gerade in der Musik. Ein Grund, warum wie damals mit der Musik angefangen haben, war ja die Tatsache, dass wie uns für die gleichen Dinge begeisterten: Dub aus den 70ern, Steve Reich, aber auch Breakbeats. Nicht zu vergessen die Popmusik, die sonst niemand zu interessieren schien.

Das Tolle an eurem Mix ist seine Geschwindigkeit, das radikale Mixing, der lockere Finger an Crossfader. Dabei plumpst man immer wieder von Genre zu Genre, alles hört sich dabei aber so an, als würde es zwingend zueinander gehören. Das ist ungefähr so, als wenn man leicht angetrunken ein altes Fotoalbum durchblättert.

Das macht für uns einen guten Mix aus. Und das Fotoalbum ist ein guter Vergleich, denn es geht ja um Erinnerungen. Bei einem Mix sollte man sich im Vorfeld viele Gedanken darüber machen, welche Stücke man tatsächlich verwenden will. So spart man sich die Filler, die eben nicht so würdevoll gealtert sind. Die Tracks im Mix haben alle eine besondere Bedeutung für uns als Gruppe. Kennen gelernt haben wir uns durch Frühneunziger-Elektronik, die ja immer den Anschluss an Pop und träumerische Sounds suchte. Und alle anderen Einflüsse sind auch mit dabei.

Tracklist

  • Raymond Scott - Hostess - Twinkies / Auto Lite - Wheels
  • Aphex Twin - Nannou
  • Yo La Tengo - Saturday
  • To Rococo Rot - A Little Asphalt here and there
  • Broadcast - Minim
  • Kraftwerk - Music non stop ( vocals) + Morgenspaziergang (intro)
  • Boo Radleys - Rodney King (Saint Etienne Remix)
  • Boards Of Canada - Sixtyten
  • Boards Of Canada- Kid for a Day (Stereolab Remix)
  • Stereolab - Miss Modular
  • Renegade Soundwave - Black Eye Boy
  • Horace Andy - Zion Gate (King Tubby) Dub
  • Scientist - Explosion Dub
  • Isao Tomita - Snowflakes are dancing.
  • Chet Baker - I get along without you.
  • Luke Vibert - Fused into music
  • Spring Heel Jack - Take 1
  • Jan Johansson - Visa (Från Utanmyra)
  • Rhythm & Sound - No Partial
  • How Do I - Dear little Mother
  • Steve Reich - Music for Mallets Instruments
  • Raymond Scott - Ohio Bell
  • Brian Eno - An Ending (Ascent)

Kommen wir zum Album zurück. Als ihr euch entschlossen hattet, wieder ins Studio zu gehen und Future 3 neu zu beleben, wolltet ihr Dinge anders machen? Ich frage das nicht nur wegen der Vocal-Tracks.

In der Vergangenheit haben wir unsere Alben nie wirklich geplant. Die waren dann fertig, wenn genug Tracks da waren. Dieses Mal war es anders. Niemand hat auf die neue Platte gewartet, also konnten wir einfach aufnehmen, ohne Zeitdruck. So sind einige der Tracks auf dem Album auch schon relativ alt, bis zu vier Jahre. Damals wurschteln wir für rund 18 Monate einfach so rum, haben uns immer wieder getroffen und Dinge ausprobiert. Danach waren wir uns sicher, dass das etwas werden könnte. Also konzentrierten wir uns auf tatsächliche Songs, auf die Melodien und fingen gleichzeitig an, die uninteressanten Tracks wieder rauszuschmeißen. Im Zentrum stand die ganze Zeit der Versuch, unseren Sound mit den Vocals unserer Gäste sinnvoll und überzeugend zusammenzubringen.

Die Stimme war ohnehin immer ein tragender Teil unserer Arbeit, bzw. die Auseinandersetzung mit ihr. Als wir anfingen mit dem Projekt, waren Stimmen und Vocals ja überhaupt nicht in Mode. Es ging viel mehr um die Maschinen, weniger um das Menschliche. Aber sind die Stimmen ein Mal weg und ist die Musik vom Sound der Maschinen bestimmt, fragt man sich natürlich, wie die menschliche Stimme in diesem maschinellen Sound wohl passen könnte. Also haben wie sie Schritt für Schritt wieder integriert. Instrumentalmusik hört man anders. Und die Stimme kann oft sehr grob in den Klang der Maschinen eingreifen, die feinen Nuancen einfach überdecken. Deshalb haben wir uns für die neue Platte für eine klare Zweiteilung entschieden. Tracks mit und Tracks ohne Vocals. „With And Without“ eben.

Future 3, With And Without, ist auf Morr Music erschienen. Album bei iTunes.

Für dieses Filter Tape gestaltete die Künstlerin Maria Wallenstein das Artwork. Die Aufgabe: Während der Zeit des Tape-Hörens ein Bild assoziieren, finden, ausdenken und umsetzen. Auch Mixtapes haben passende Bilder verdient. Vielen Dank, Maria!

Future 3 02 full

Bild: Dennis Morton

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