Als wir klein waren, dachten wir: Wer über Musik schreibt, hört den ganzen Tag Musik. Stimmt leider nicht ganz. Vieles fällt unter den Tisch, Hypes werden verpennt oder die Bucketlist mit Platten, die man sich schon immer anhören wollte, wird immer länger. Das soll sich ändern. Unsere Redakteure stellen ihr Walkman-Futter für die arbeitsfreien Tage vor. Da darf gerne auch mal was Seltsames, Altes oder Peinliches dabei sein.
##Flying Lotus - You’re Dead!
Benedikt: 19 Tracks auf knapp vierzig Minuten. Auch auf dem neuen Album sorgt Steven Ellison aka Flying Lotus wieder für akustische Überforderung - die Textur des Albums ist gnadenlos dicht. Mit Kendrick Lamar und Snoop Dogg hat er sich genau die beiden Rapper ins Studio geholt, die in Sachen Flow der Komplexität seines Sounds gerecht werden können - wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise: Während Kendrick selbst ein Monster in Sachen Flow ist, kann Snoop Dogg ganz lässig wirken, auf jedem noch so irren Beat. Und als Captain Murphy tritt Steven Ellison nun auch selbst als Rapper in Erscheinung. Im Vorhinein des Albums hat sich der Warp-Künstler auch mit Metal à la Slayer beschäftigt und selbst dieser Einfluss hat seine Spuren hinterlassen. FlyLo schafft es wie kein anderer ein Chaos mit System zu erzeugen, indem man sich als Hörer nur dank sorgsam eingestreuter Fixpunkte zurecht findet. Ein Album, das sich selbst jeder übergeordneten Genrezuschreibung verweigert. Wohl auch ein Grund, warum Flying Lotus in jedem Musikmedium von RollingStone bis hiphop.de stattfindet.
##Lackluster - Container
Thaddeus: Eine der wichtigsten Platten überhaupt für mich. Der Finne Esa Juhani Ruoho wuselt seit mittlerweile 14 Jahren mit diesen Tracks immer wieder durch meine Ohren. Prototypische Elektronika, die aber vor allem in den Beats eigentlich etwas ganz anderes im Sinn hat. Einfache, klar strukturierte Banger in allen Geschwindigkeiten, für mich eine Art Machbarkeitsstudie der Möglichkeiten, die man damals mit einer MPC eben so hatte. Jenseits von HipHop. Wundervolle, tief schimmernde Melodien, vermischt mit schwerem Rumpeln, das einem dennoch nur die Leichtigkeit vorführt. Zum Mitpfeifen. Jeder Track. Das Album erschient im Jahr 2000 auf dem britischen Label „deFocus“, das von Clair Poulton gemacht wurde. Die hatte vorher schon für „Clear“ gearbeitet und rettete einige ihrer Kontakte hierher mit rüber. Genau wie „Clear“ hielt auch dieses Label hier nicht sonderlich lange durch, es gab wohl Geldprobleme, Künstler wurden nicht bezahlt und irgendwann war Frau Poulton einfach verschwunden und nicht mehr erreichbar. Erzählte man sich damals im noch relativ neuen Internet. Neben diesem Lackluster-Album erschien hier zum Beispiel auch John Tejada, CiM oder Tim Koch. Erinnert sich natürlich niemand mehr dran, „Container“ hat aber überlebt. Aus guten Gründen.
##J. Tillman - Year In The Kingdom
Ji-Hun: Es gibt einen alten Musikerwitz. Der geht in etwa so: Woraus besteht eine Band? Antwort: Aus drei Musikern und einem Drummer. Will meinen: Schlagzeuger zählen in der popmusikalischen Überlieferung nicht als die Allerhellsten und von Musik haben sie auch nicht so die Ahnung. Außer Phil Collins vielleicht, ähem. Von wegen Ausnahmen bestätigen die Regel und so. J. Tillman ist eigentlich auch Schlagzeuger, er spielte bei Bands wie Saxon Shore und bis vor wenigen Jahren war auch für die Drums bei den Fleet Foxes verantwortlich. 2009 veröffentlichte er sein Soloalbum „Year In The Kingdom“. Es war nicht sein erstes Soloalbum, aber das erste, das ich mitgeschnitten hatte. Soso, der Schlagzeuger von den Fleet Foxes also, dachte ich und befürchtete einiges (musste wohl an Bela B. von den Ärzten denken). Wurde aber diesbezüglich enttäuscht. Denn J. Tillman entpuppte sich als hervorragender Singer-Songwriter. Für jemanden, der ein großer Fan von Mark Kozelek (Red House Painters/Sun Kil Moon) ist, lief das ohnehin gut runter. Weniger Hippie-Geträller als bei den Fleet Foxes, dafür mehr staubamerikanischer Folk und was auffiel und hängen blieg, war diese außergewöhnliche Stimme von Tillman. Der Musiker startete in der Zwischenzeit ein weiteres Projekt namens Father John Misty und stieg wie erwähnt 2011 bei den Fleet Foxes aus, um sich seiner eigenen Musik zu widmen. Leider war der Output bis heute relativ überschaubar und der große Durchbruch à la Phil Collins blieb erstmal aus, was die Qualität dieses wunderbaren Albums aber auch nicht schmälern kann. Musik, die mehr Menschen hören sollten, dann wäre die Welt vielleicht eine bessere.