Als wir klein waren, dachten wir: Wer über Musik schreibt, hört den ganzen Tag Musik. Stimmt leider nicht ganz. Vieles fällt unter den Tisch, Hypes werden verpennt oder die Bucketlist mit Platten, die man sich schon immer anhören wollte, wird immer länger. Das soll sich ändern. Unsere Redakteure stellen ihr Walkman-Futter für die arbeitsfreien Tage vor. Da darf gerne auch mal was Seltsames, Altes oder Peinliches dabei sein.
##Moderat - II
Benedikt: Was Sascha Ring alias Apparat und die beiden Modeselektoren Gernot Bronsert und Sebastian Szary mit den beiden Alben von Moderat geschaffen haben, ist meines Erachtens einfach nur beeindruckend. Moderat klingt eben unverkennbar nach Modeselektor und unverkennbar nach Apparat, ergibt zusammen aber trotzdem eins - der musikalische Gin Tonic, was durchweg positiv gemeint ist, schließlich handelt es sich um meinen Lieblingsdrink. Na gut, den Song „Bad Kingdom“ skippe ich nach wie vor, der lief ja überall rauf und runter. Abgestanden, prickelt nicht mehr, um im absurden Bild zu bleiben. Aber der Rest des Albums ist nach wie vor jede Sekunde seiner Spielzeit wert. Man muss sich Moderat sogar auf Albumlänge geben, denn die Balance zwischen Apparats Stimme und Modeselektors Instrumentarium kommt erst über mehrere Tracks hinweg zustande: Mal geht es mit Modeselektors typischem Techno-Sound voran, weiter gehts im 2 Step, dann nimmt ein wenig Ambient völlig das Tempo raus und an genau den richtigen Stellen tritt Sascha Rings Stimme gänzlich in Erscheinung. Dabei wird stets die Brücke zum Pop geschlagen, ohne dass man hinüber geht. Doch genau dafür hatten diese Musiker schon immer ein besonderes Faible - und zwar alle drei.
##The Jesus And Mary Chain - Darklands
Thaddeus: Ich war nie Fan von „Psychocandy“, dem ersten, angeblich so sensationellen Album der Gebrüder Reid. Als das erschien, war ich 13: Man kann nicht überall von Anfang an dabei sein. Diese Platte hier jedoch, der Nachfolger von 1987, war und ist von enormer Bedeutung. Wenn ich mich recht erinnere, spielte die Band zur Single „Happy When It Rains“ einen schlecht gelaunten Auftritt in der Chart Show „Formel Eins“ unter einer zum Regenschauer umgebauten Sprinkler-Anlage. Oder war das das Video? Das Tolle an diesem Album ist seine Einfachheit. Und die Drummachines natürlich. Die Reids können nur fünf, sechs Akkordfolgen und schreiben seitdem immer wieder neue Songs um sie herum. So baut alles aufeinander auf, es ist wie ein sich immer wieder leicht biegendes Gedicht. Alles komplett berechen- und vorhersehbar, aber manchmal braucht man das. Mein kleines Wohlfühlzimmer im gefürchteten Rock’n’Roll-Haus.
##Keane - Hopes And Fears
Jan-Peter: Ganz egal, wie zugegebenermaßen rinnsalhaft das ist, was Keane danach produziert haben - zuletzt musste ich mir das miserable „Strangeland“ in einer Dauerschleife in einem Hotel-Frühstücksraum auf den Azoren anhören: Ihr Debüt ist eines der besten Popalben der Nuller Jahre. Die damals eiligen Vergleiche mit Coldplay gehören meines Erachtens nach allesamt so tief in die Tonne getreten wie deren Spätwerke (ich nenne sie jetzt voller Hoffnung auf ein baldiges Ende mal so). Keane hätten die Nachfolge von a-ha antreten können. „Hopes And Fears“ hat keine Lücken, keine Füller, wie „Hunting High And Low“. Lupenreiner Pop, den es heuer selten gibt. „Somewhere Only We Know" - ein Hit-Opener der alten Schule, gefolgt von vielen weiteren tollen Nummern, mein Favorit ist bei jedem Hören ein anderes Stück. Ein Album, das ich immer noch gerne höre, nicht allein wegen der damit verbundenen Erinnerungen. Sicherlich auch, weil statt Gitarren hier ein Yamaha CP 80 den Ton angibt. Ich mag Piano. Man hört, das Keane-Trio habe sich danach öfter mal verstritten, das Trio von a-ha soll sich - angeblich - auf Touren auch gerne mal in unterschiedlichen Hotels einquartiert haben. Die Norweger haben danach noch so manches brauchbare Stück und Album abgeliefert, Keane bislang nicht. One-Album-Wonder. Leider.