Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Joyce Muniz – Made In Vienna
Benedikt: Als kompromisslos poppig und doch für den Dancefloor gemacht könnte man das Albumdebüt von Joyce Muniz bezeichnen. Gebürtig kommt die Künstlerin aus Brasilien, lebt aber in Wien, der Albumtitel ist also Programm. Als DJ ist sie schon eine Weile international unterwegs, in Österreich kennt man sie als Featuregast im Song "Kabinenparty" des Wiener Rappers Skero. Ein furchtbares Stück Musik der Sorte Partysong, das im Alpenland zum Viral wurde. Leider. "Made In Vienna" hat damit – ein Glück – gar nichts gemeinsam, auch das Mikro hat sie auf dem Album lieber anderen überlassen. Und bis auf in drei Songs steht tatsächlich immer jemand dahinter, was für das omnipräsente Popgefühl sorgt. Deep House ist hier vor allem Fundament. Die Wege, die Joyce Muniz dabei geht – hinsichtlich Songstruktur, aber auch Instrumentarium und Mixing – darf man durchaus als konventionell bezeichnen. Nicht im negativen Sinne, auch wenn nicht jede Kante hätte abgerundet, nicht jede Fläche hätte geglättet werden müssen. Die LP lebt von ihren Stimmen: Bam sorgt für G-House-Feeling, an Seite von Kat Vinter erinnert Muniz ein wenig an die österreichischen Kollegen von HVOB und wie aus einer anderen Zeit wirken die Vocal-Cuts von Human Life. Aber genau diese Art von Abwechslung hat es ewig nicht gegeben und dürfte der unbewusste Grund dafür sein, dass "Made In Vienna" schon seit Wochen bei mir rauf und runter läuft.
##The Radio Dept. – Running Out Of Love
Ji-Hun: Eigentlich hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben und gedacht, dass die schwedischen The Radio Dept. ihre Karriere wegen Volvokombi fahren und Kinder aufziehen aufgegeben hätten. Waren sie doch mit Alben wie „Pet Grief“ und „Clinging To A Scheme“ für mich so etwas wie die beste Synth-Pop-Band der Welt. Total unterschätzt, kaum bei jemandem auf dem Zettel, dabei ist es Pop, der die Welt retten kann. Elin Almered und Johan Duncanson aus Lund haben es sich glücklicherweise anders überlegt und nach sechs Jahren endlich einen neuen Langspieler herausgebracht. „Running Out Of Love“ nennt sich die Platte und ist ungewohnt politisch. Es wird gegen die schwedische Waffenindustrie gewettert. Der Rechtsruck thematisiert, der auch in Schweden Überhand nimmt – da schwingen Unmut und Protest in den Zeilen. Genau dann, wenn man dachte, dass Protest und Pop mittlerweile so unvereinbar sind wie Diesel und Teslas. Sehr zeitgemäß.
##Skudge – Balancing Point
Thaddeus: Skudge war mal Hype. Mysteriös, skandinavisch, vinylig und technoid. Zwei Männer, Label und Projekt gleichzeitig, verschleiertes Understatement. Vor allem aber durch und durch Techno. Mal dubby, meistens aber schnell. Heute ist Skudge nur noch ein Mann. Der Rest? Gleichbleibend. Die anfängliche Faszination hat sich, wie bei allen Neuentdeckungen, reduziert, normalisiert. Gerade erschienen: „Balancing Point“, das zweite Album. Und das ist tatsächlich fein. Mit dem Digitalen hat es Herr Landberg eher nicht so, bzw. nur mit großer Verzögerung, wer sich also schon längere Zeit nicht mehr mit seinem Output beschäftigt hat, bekommt hier Tracks serviert, die in ihrer tief verwurzelten Techno-Historizität fast schon überraschend modern glänzen. Dunkel wobbelnde Ambient-Exkursionen, vor allem aber die reine Techno-Lehre. Und diese Lehre ist bei vielen, die schon so lange dabei sind, ja oft genug nur noch eine Leere. Auf „Balancing Point“ jedoch ist es mehr als erfrischend, diesen Techno-Techno an sich vorbeifahren zu lassen, sich darauf einzulassen. Und das Tempo (kategorisch flott, ist ja Techno) wird durch das mehr als feinfühlige Sound Design auf normale Herzfrequenz runtergebremst. Kann man machen, muss man manchmal sogar machen. Sehr elegant gelöst, die Sache mit dem Techno.