Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Aix Em Klemm – s/t
Thaddeus: Es gab eine Zeit, da kaufte man Platten auf „Kranky“ praktisch blind. Der US-Indie hatte jegliche Sympathien praktisch für sich exklusiv gepachtet. Es gab auch eine Zeit, in der man die mühsam zusammengeklaubten LPs wieder verkaufte und sich fragte, warum man die mal in irgendeiner Weise beachtenswert fand. Dieses Album hat bei mir überlebt. Aix Em Klemm waren Adam Wiltzie und Robert Donne. Letzterer spielte bei Labradford, einer Band, deren Mitglieder immer ihren viel zu langsamen Gitarren hinterherschlufften. Auch Wiltzie hat an diesem Projekt gearbeitet. Und mit vielen anderen Bands seine Spuren hinterlassen. Stars Of The Lid zum Beispiel oder aber – aktuell! hui! - A Winged Victory For The Sullen, das fast schon episch-energetische Gegenstück zu den Stars Of The Lid. Alles vollkommen egal, die Platte hier ist groß. Und auch sehr langsam. Zur Jahrtausendwende kam das Album auf den Markt. Damals war die Entschleunigung dringend notwendig, nicht nur, weil Y2K so viele unbegründete Sorgen verursacht hatte. Das Album ist eine Auseinandersetzung mit Technik. Wie man diese langsamen Gitarren irgendwie in die damals aktuelle Studiotechnik reindrücken und gleichzeitig bewerkstelligen kann, dass das nicht künstlich klingt. Damit kannten sich beide Protagonisten bestens aus und das ist auch der Grund, warum die Platte auch heute noch funktioniert. Man kann auch einfach Analogambient dazu sagen. Mit Wüsten-Country und Roadmovie-Anleihen. Jedenfalls ist alles sehr grobkörnig, in sich verschoben unscharf und - hatte ich schon erwähnt, glaube ich - langsam. Wem das alles in dieser Beschreibung nichts taugt und Pseudointelektuelles für alte Männer befürchtet, dem sei der letzte Track als Einstieg empfohlen. Der klingt wie ein Mittelwellen-Radio mit Liebeskummer und einer Sendersuche, die zwischen Radio Vatikan und der Warteschleife von Radio Moskau feststeckt. Sage niemand, dass man nicht sofort weiß, wie das wohl klingt.
##Schwarz Dont Crack – EP
Benedikt: Schwarz Dont Crack, das sind Ahmad Larnes und Sebastian Kreis. Ahmad kommt ursprünglich aus New York City, Sebastian Kreis hingegen aus einem namenlosen Dorf in Süddeutschland. Getroffen haben sich die beiden in Berlin, ihrer neuen Heimat, wo auch diese zweite EP entstanden ist. Die zwei haben sich über ein Craigslist-Inserat kennengelernt, was ja per se sympathisch ist, denn wer benutzt hierzulande überhaupt die oldschooligste Kleinanzeigenseite der Welt? Die Rollenverteilung innerhalb der Band ist klar: Sebastian kümmert sich um Beats und Sound, Ahmad Larnes summt die Melodien ein, schreibt darauf herzzereißende Texte kurz vor Kitsch - über das Geben und Nehmen, über gescheiterte Liebe – und singt. Heraus kommt R’n’B mit eindeutig britischem Einschlag, auch wenn sich der Opener „All My Love“ doch gut in die Landschaft des Berlin-Techno integrieren lässt. Wenig verwunderlich, das Schwarz Dont Crack 2013 noch als Vorband von Jessie Ware unterwegs war. Das Duo liegt irgendwo zwischen Moderat und SBTRKT+Sampha und da mir beides gut gefällt, bin ich guter Dinge, dass mich diese EP wunderbar durchs Wochenende bringt. Jetzt noch Albumlänge, das wäre schön.
##Joey Bada$$ – B4.DA.$$
Ji-Hun: Es war im Frühjahr 2012. Ich war auf einem Presse-Event von Mercedes-Benz in Slowenien. Fuhr und cornerte mit dem smarten Sunnyboy MC Winkel vom Lifestyle-HipHop-Blog Whudat in der damals neuen A-Klasse durch die Gegend. Ich äußerte meine (durchaus berechtigten?) Zweifel, wo denn die neuen großen Rapper blieben. Tyler, The Creator war cool, konnte mich aber nie so recht überzeugen. Mir waren Odd Future damals schon zu sehr Tumblr. Ist aber Geschmacksache. Dann spielte Winkel „1999“ von Joey Bada$$ auf seinem Smartphone vor. Ich hab bis dahin weder von ihm noch von seiner Crew Pro Era je was gehört. Das Gehörte kam mir unterdessen aber sehr vertraut vor. Beats von J Dilla, DJ Premier. Raps wie bei Mos Def, Nas, Q-Tip. Als hätte HipHop in den 90ern nie aufgehört. Den Timbaland-Neptunes-Burnout der frühen Nullerjahre nie gegeben. Dann die Überraschung: Der New Yorker Joey Bada$$ war damals gerade mal 17. Seine Beats sampelte er sich aus YouTube-Videos zusammen. Die Mixtapes/Platten stellte er alle frei im Internet zur Verfügung. Jahrgang 1995. Als Notorious B.I.G erschossen wurde, war Joey zwei Jahre alt. Das musste erstmal sacken und war nicht so leicht einzuordnen. Wie macht jemand wie er so HipHop? Mittlerweile ist Bada$$ mehr als nur Wunderkind. Mehr als Martin Ødegaard für Real Madrid. Er ist einer der Erben/Kronprinzen des Ostküstenraps. Nach dem Tod von Biggie Smalls haben sowohl Jay-Z wie auch Nas den New Yorker Rap-Thron für sich beansprucht. Wer aber klug ist, macht wie Prince Charles den Weg frei für die darauf folgende Generation. Das wären Moves der ganz Großen.