Glamour, Edelweiß und obernice TypenDas große DJ Koze-Interview
23.10.2014 • Sounds – Interview: Ji-Hun Kim, Fotos: Gepa HinrichsenDJ Koze ist seit gefühlten Dekaden einer der gefragtesten DJs und Producer überhaupt. Überhäuft mit „DJ des Jahres“-Auszeichnungen ist der Hamburger noch immer ein Unikat. Kauzig, eigen, unorthodox und trotzdem immer ziemlich smart. Sein letztes Jahr erschienenes Album „Amygdala“ auf dem eigenen Label „Pampa“ wurde von Kritikern wie Publikum hart gefeiert. Das mag unter anderem auch daran liegen, dass er viele Dinge anders macht als der Großteil seiner Kollegen. Wir sprachen mit ihm über DJs, die überall gleichzeitig sein können, egale Bassdrums, HipHop und sein dieser Tage erscheinendes Remix-Album „Reincarnations Part 2“ mit Arbeiten für Herbert, Moderat, Mount Kimbie und vielen mehr.
Lass uns über Remixe sprechen. Reincarnations Part 2 ist mittlerweile dein drittes Remixalbum.
Es lag auf der Hand. Es hat sich viel angesammelt. Es ist wie ein Abschluss, weil eigentlich will ich keine Remixe mehr machen. Es ist aber auch eine Art der Überbrückung, bevor in acht Jahren mein nächstes Artist-Album kommt. Irgendwann habe ich meine Remixe im Zusammenhang gehört und festgestellt, dass das alles Sinn macht. Ich fand, dass die Musik eine Berechtigung hatte, noch mal so kompiliert zu werden.
Wieso keine Remixe mehr?
Weil es anstrengend ist, weil es suckt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es zieht viel Zeit und Liebe und einige Remixe gehen dann doch immer wieder einfach unter. Mir ist aufgefallen, dass selbst meine Freunde die Remixe nicht alle kennen, nicht mal die Musiknerds. Die haben halt auch Besseres zu tun, als sich mit Google-Alert informieren zu lassen, wann ein neuer Kosi-Remix rauskommt. Die Remixe versenden sich oft. Ein Album, das in sich geschlossen ist, hat einfach mehr Impact.
Aber nur dass deine Freunde die Remixe nicht mehr kaufen, kann doch nicht der Grund sein …
Nein! Remixe machen nervt einfach. Man bekommt kaum Geld dafür, wenn man sich da reinsteigert, sitzt du drei Wochen dran. Für die Mühe hätte ich mir ein eigenes Stück ausdenken können. Dann schaust du auf YouTube und dein Remix hat nur 327 Views - im Extremfall. Da denkst du doch nur: Das ist totaler Schwachsinn. Zugleich ist es ist aber auch eine Art Flucht. Remixe zu machen, ist ja tendenziell einfacher als eigene Stücke.
Wie meinst du das?
Weil man eine Aufgabe lösen muss. Das ist wie ein Rätsel. Du hast eine Zutatenliste und dann stellen sich Fragen wie: Macht das Sinn? Wie kann ich die Teile zusammenbringen? Man fängt nicht mit einem weißen Blatt Papier an. Remixe sind auch nicht so verbindlich. Bei einem eigenen Stück hinterlässt man immer ein Statement, eine Visitenkarte. Da bin ich häufig schon so gehemmt, dass ich gar nichts hinkriege.
Aber du hast ja auch sehr erfolgreiche Remixe gehabt.
Wenn sie erfolgreich sind, ist natürlich wieder alles geil! Aber ehrlich. Es kommen auch wenig interessante Anfragen. Und immer dieses Minimal-Geklöppel, das ist doch öde …
Die Remixe sind von 2009-2014. Wie würdest die Phase beschreiben?
In dieser Zeit ist viel Gutes passiert. Aber ich sehe das auch als Abschluss. Jetzt muss es wieder nach vorne gehen. Viele der Remixe sind während der Produktion meines letzten Albums „Amygdala“ entstanden und ich finde, das Material flankiert auch diesen Sound. Da ist vieles ähnlich vom Sounddesign. So gesehen sind das zwei Alben, die zur gleichen Zeit entstanden sind. Eine ähnliche Handschrift, das ist einfach mein Style. Jetzt mach ich was ganz anderes. Ich hab Bock auf stumpfen Berghain-Techno.
Ernsthaft? So wie bei deinen alten Speicher-Platten?
Irgendwie hätte ich Lust zu.
Monaco Schranze fährt gleich dermaßen den Bass rein, dass sich die Weiber vor Angst in die Hose kacken?
(Macht auf beleidigt) Ganz genau. Das ist das Einzige, was hängen geblieben ist: dieser Spruch! Ich muss gänzlich auf Gags verzichten. Furchtbar. Die hängen einem solange hinterher …
Da gibt es aber schlimmere Sachen.
Das stimmt. Es gibt aber auch Journalisten, die mich nur auf Gunther Gabriel und „Zu viel Zeit“ reduzieren. Die kennen den anderen Rest einfach nicht.
„Am Ende soll man sagen: Ey, der Typ ist einfach obernice.“
Wie meinst du das, wenn du sagst, du brauchst einen Abschluss?
Ich mache ja die ganze Zeit Sachen und es häufen sich viele Dinge an. Das soll jetzt kein Aphex Twin-Geschwafel sein, aber ich hab ja mindestens noch sechsmal so viel Musik. Allein zu „Amygdala“ hatte ich 80 Minuten weitere Musik, die ich erst dazu veröffentlichen wollte. Ambient, Skizzen, bis meine Freundin meinte: Wer soll sich das alles anhören? Ich schaue immer, wie man was zusammen bringen kann. So ein Remix-Album zu machen, ist ja auch eine Art Werkschau.
Schon die dritte dieser Art. Ändert sich mit der Zeit auch das Verständnis für so etwas?
Eigentlich mache ich ja immer das Gleiche. Ob bei Fischmob, International Pony oder auch alleine. Diese uralte Idee eines Albums, das man auflegt und in das man wie in einen Roman oder Film hineingezogen wird. Es gibt ein Intro und „Fuuuuuuh“ (macht ein rauschendes Geräusch) dann wirst du an der Nase durch den Wunschgarten geführt. Wie bei alten Vanilla-Fudge-Alben: Die fingen mit einer ewigen Rückkopplung an. Irgendwann hat man den Baum nicht mehr gesehen, weil man dann nur noch durch den Wald schlenderte. Man macht eine Reise und irgendwann ist sie einfach vorbei. Bei den Remixen merkte ich, dass sie in sich schon zu viel Dramaturgie haben, um dem Album noch eine zu geben. Weil jeder Remix, ursprünglich für den DJ gemacht, an sich natürlich schon eine eigene, langgezogene Geschichte erzählt: Intro, die DJ-Rampe, dann kommt das Herz. Deshalb habe ich für die Album-Versionen noch viel editiert und den Rotstift angesetzt. Längen rausgenommen, damit sie weniger DJ-Tools sind und innerhalb eines Albums gut funktionieren. Man muss so was von Anfang bis Ende gut durchhören können. Und am Ende nach dem letzten Ton, soll man sagen: Ey, der Typ ist ja einfach obernice. Der hat’s einfach drauf. (lacht)
Sich so intensiv mit altem Material erneut auseinanderzusetzen, ist doch pathologisch.
Es ist wie bei einem DJ-Set, da muss jedes Element passen und einen größeren Sinn ergeben. Es passiert oft, dass sich Stücke einfach amortisieren und gegenseitig auslöschen, weil sie in der falschen Reihenfolge sind. Und dann editiert man rum. Entweder hat man zu viele Längen, dann passt die Spannungskurve wieder nicht oder es wird zu intensiv. Das ist schon ein pathologisches Geschnippel und manchmal muss man Dinge auch einfach opfern.
Bei dir geht es schon um einen Werksgedanken, oder nicht?
Total. Ich habe Uwe Schmidt (Atom TM) in Chile kennengelernt und das war herrlich. Der bastelt gerade an seinem Werkskatalog mit 2.000 Stücken (!), lässt teils uralte Sachen von DAT neu mastern und legt sich einen richtig fetten Katalog an. Total irre. All seine Stücke für Theater, Filme, alle Alben. Die werden dann irgendwann auf seiner Seite zu hören sein. Das hat mir schon imponiert. Ist ja nicht so, dass ich jetzt so viel Musik gemacht hätte und Werk hört sich immer groß an, aber am Ende ist das wohl das einzige Wort, das dazu passt.
Für jemanden, der aus dem HipHop kommt, heute elektronische Musik macht und DJ ist, sollte der Werksgedanke ja eigentlich fern liegen.
Ich sehe mich ja auch eher in der Tradition von Bach, Schubert und Mozart als von Fler oder Toni, der Koch (lacht).
##Neue Routinen
Nach all den Jahren, wie motivierst du dich?
(lange Pause) Joa. Mittlerweile spüre ich keinen großen Druck mehr, ich betrachte das alles ein bisschen lapidarer und gleichgültiger. Was einerseits gut ist, dafür bin ich aber nicht mehr so produktiv wie früher. Vielleicht braucht man das mal. Dieses Manische, sich jeden Tag damit zu beschäftigen und da durchzumäandern, das ist ein bisschen bei mir weg. Ich merke aber, dass mir das gut tut. Ich fühle mich gesünder. Ich find’s hochmodern.
Nennt man das nicht Routine?
Ich dachte immer, wenn die Routine kommt, hat man eine Endstufe erreicht. Lange Zeit bin ich davon ausgegangen, man müsste jedes Mal sein Herz auf die Tanzfläche pfeffern, letzter Gast sein und mit jedem einen Schnaps trinken, weil sonst die Magie verschwindet. Das sehe ich heute nicht mehr so. Ich bin jetzt 42 und muss das nicht jedes Mal so machen. Klar wird man routinierter und professioneller. Früher hätte ich meine heutige Attitude indiskutabel gefunden. Mittlerweile finde ich das OK. Beim Musik machen ist das nicht so und darf auch nicht so sein. Aber beim Spielen kann man auch routiniert sein. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder du machst das „from scratch“, schaffst ein komplett neues Ereignis, begibst dich wirklich aufs Glatteis, feierst mit, spielst Achtstundensets, ohne eine Ahnung zu haben, was die nächste Platte sein wird, verschmilzt mit der Menge. Oder du spielst dein Set etwas unaufgeregter runter und versuchst routiniert eine tolle Stimmung zu erzeugen. Der Vorteil dabei ist: Du verlierst dich nicht total. Früher dachte ich, das wäre abgewichst und schockt nicht. Sehe ich nicht mehr so.
Wo du schon bei Bach und Mozart warst, ein Dirigent wird im Alter häufig auch erst besser.
Ich kann das nicht beurteilen. Aber ich hab nicht vor, mich zu verschlechtern. Immer auf der gleichen Stelle zu treten ist OK, wenn es auf einem guten Niveau bleibt. Wenn man aber etwas macht, das man zuvor schon mal gemacht hat, aber schlechter, das würd ich gern vermeiden. ich finde zum Beispiel das letzte Klavierstück auf dem neuen Aphex-Twin-Album toll, aber nicht annähernd so schön wie Avril 14. Dann lieber was ganz anderes machen.
Beim Auflegen macht es dir nichts aus, mit 18-jährigen Italienern auf Festivals rumzuhängen?
So würde ich das nicht sagen. Um als DJ in Würde zu altern bedarf es einer gewissen Art von Glamour und Erfolg. Das heißt auch, nicht mehr in Erlangen vor 100 17-Jährigen zu spielen. Das will man irgendwann nicht mehr. Wenn es so wäre, würde ich den Kopfhörer an den Nagel hängen. Sven Väth lebt es gut vor. Mit seinem Lifestyle, rotierend auf der eigenen Umlaufbahn, die er sich selbst geschaffen hat, denkt man nicht groß über sein Alter nach, was sicherlich anders wäre, würde er jedes Wochenende vor 80 Leuten spielen.
„Glamour heißt, dass alles Sinn gemacht hat. Es war ein guter Event, es waren viele Leute da, es gab eine interessante Atmosphäre und es war nicht trostlos. Ab einer gewissen Liga gibt es keine Aussetzer mehr. Es gibt einfach nicht die Situation, dass nur 50 Leute da sind und alle wollen auch noch was anderes hören.“
Auch deshalb, weil man Top-DJs ab einer gewissen Liga alles verzeiht?
Da geht es ja auch um Selbstprophezeiung. Wenn du irgendwann einen Namen hast - ich rede jetzt nicht von mir - und 2.000 Menschen nur wegen deines Namens irgendwo hinkommen und Geld bezahlen, dann ist das schon mal per se ein Happening. Ist ja nicht so, dass die da stehen, sich gegenseitig anschauen und sagen: Na, jetzt bin ich aber mal gespannt - Ich hab ja kein so ein gutes Gefühl (lacht). Und Künstler, zu denen 2.000 Leuten kommen, wissen meist schon, wie man eine Crowd befriedigt. Man müsste schon Riesenscheiße machen, um bei so etwas den Wagen gegen die Wand zu fahren. Dazu kommt noch, dass man ab einer gewissen Größenordnung gar nicht mehr genau heraushören kann, ob etwas gut ist oder nicht. Alle sind froh, dass sie zusammen sind und feiern. Dann hämmert da die Bassdrum durch, die Bassdrum geht weg und wenn sie zurückkommt, dann schreien alle. Es ist ab einer gewissen Hallengröße, ehrlich gesagt, fast egal.
Frustriert dich das nicht?
Ich weiß nicht. Ich finde es nicht so frustrierend, wie in einem halbleeren Club zu spielen. Da hast du die ganzen Honk-Nerds, die wollen, dass du den einen Remix von der Blabla-Platte spielst. Oder was von Adolf Noise. Das ist wirklich schrecklich. Ich will das aber nicht pauschalisieren. In Japan hab ich auch schon vor 5 Leuten gespielt und es war OK. Aber ernsthaft behaupten zu wollen, dass mir die 60 Musikliebhaber aus der Provinz lieber sind als die 2.000er-Meute, die sich vielleicht nicht so für Musik interessieren, wäre einfach Quatsch. Das ist eine Minus-Rechnung. Irgendwann kannst du davon nicht mehr leben.
Hauptsache Quantität?
Ich fand es einfach mal einen erfrischenden Ansatz, das Ganze so zu sehen und nicht schon wieder mit „Hauptsache die Stimmung ist gut, es geht um die Musik und der Rest ist egal“ zu kommen. Ich krieg das doch von Kollegen mit. Da legst du in London vor 80 Leuten auf, wartest davor drei Stunden einsam im Hotelzimmer, dann kommst du in ein Warehouse, musst dir ne Daunenjacke anziehen, weil es so kalt ist und hinterm DJ-Pult ist direkt auch noch ein Dixi-Klo. Das ist einfach Scheiße. Da ist es auch egal, wie cool das Label ist, das die Party schmeißt. Und natürlich ist das andere auch nicht immer gut. Ich war mal in Bologna auf einem Großevent und da haben die Leute die ganze Zeit geredet und geschrien. Aber so, als würde hinter mir ein Film laufen. Das war überhaupt nicht mit meiner Musik synchronisiert. Das hat schon entfremdet. Ich dachte, die würden irgendwelche Abzählreime aufsagen. Das hatte nichts mit mir zu tun. Zwei verschiedene Filme. Das war beeindruckend. So was gibt es auch.
Viele große DJs spielen über 200 Gigs im Jahr. Bei dir waren es immer weniger.
Viel weniger. Letztes Jahr waren es 50, dieses Jahr um die 35. Das machen andere Kollegen im Monat.
Die Mutter eines DJs soll mal gesagt haben: Junge, stell die Regentonne raus, so lange es regnet.
Wer hat das gesagt?
Ich weiß nicht, ob ich das sagen soll.
Komm jetzt.
Gerüchte sagen, es war die Mutter von Gerd Janson.
(Lacht) Da hätte ich auch selber drauf kommen können. Gerd ist Hans-Dietrich-Genscher-mäßig unterwegs. Der kommt sich in zwei Flugzeugen in der Luft selber entgegen. Das ist eine Entscheidung: Omnipräsenz. Irgendwann fliegt man im HON-Circle und du bist auf jedem Lineup, was eigentlich nicht gehen kann. Gleichzeitig auf Ibiza, Sonar und Mutek. Nina Kraviz ist darin auch richtig gut. Es ist ein plausibles Rezept zur Profilentwicklung, wenn überall zu jeder Zeit dein Name auftaucht. Das kann man so machen. Oder man macht sich eben rar und sagt, ich habe kein Bock drauf. Das sind zwei verschiedene Ideen.
Bereut man da nichts?
Ich bin froh, dass ich mir die Dinge aussuchen kann. Auch dass ich nicht das Gefühl habe, in einer Spirale drinzustecken. Ich hab das ja ausprobiert und ich kann das einfach nicht. Es gibt nicht wirklich viel mehr Vorteile, außer dass man mehr Geld hätte. Das ist aber auch nicht wirklich ein Vorteil. Irgendwann fehlt die Befriedigung, die eine Null mehr auf dem Konto bringen könnte. Dafür macht man sich halt auch richtig fertig. Ziehe ich einen Sommer lang voll durch, bin ich danach sehr trist drauf und finde alles sinnlos. Es sei denn, man versprüht sich komplett im kosmischen All und spielt elf Monate am Stück, kommt gar nicht mehr runter und fliegt von einer Welle zur nächsten. Das geht natürlich. Man bekommt permanent Liebe, die Frauen himmeln dich an und man schwebt einfach immer weiter. Oder aber man fliegt mal drei Monate hoch und kommt dann auch wieder runter. Das ist eher mein Ding.
##Die Decke hoch gehen
Was ist an der anderen Zeit so wichtig?
Es ist realistische Zeit.
Weil das andere unrealistisch ist?
Ja. Es ist ein Extremzustand, den es auch nur gibt, weil es andere vor dir durchexerziert haben. Leute wie Ricardo oder Sven, die teilweise drei Gigs an einem Abend spielen. Da geht es wie beim Leistungssport um Superlative. Wo ist die Messlatte? Wir würden gar nicht in der Form darüber reden, gäbe es nicht solche Rolemodels. Dann hat man doch 10.000 Euro gerade eben verdient. Da ist die Miete drin und ein bisschen was zu essen auch. Wieso muss man dann noch mal und noch mal und noch mal. Versteh ich gar nicht. Ich glaube aber, wenn du einmal in so einem Flow drin bist, dann ist es schwierig, zwei Monate zu Hause zu bleiben. Da würden viele die Decke hoch gehen.
Weil es eine Droge geworden ist.
Da fragst du dich, warum das geile Gefühl nicht mehr da ist. Da hängst du vor deinem Wäscheständer, musst dich um Rechnungen kümmern und die reale Welt kommt wieder rein. Da willst du wieder das Geile haben.
Du gehst dann in der Zeit laufen, machst Yoga, kochst und liest Bücher?
Ja, so was alles. Aber kein Yoga. Ich hasse das Wort schon.
Sollten es mehr DJs so machen wie du?
Das sag und will ich überhaupt nicht. Ich habe einfach nicht die körperliche Konstitution für so was. Es gibt so Sportler und Haudegen, die können das: zwölf Stunden unterwegs sein, kurz ne Flasche Mineralwasser, Massage und dann acht Stunden Set spielen. Und das vier Abende hintereinander. Ich bin nach einem Abend schon am Ende. Die, die krass unterwegs sind, sehen ja auch alle gesund aus. Die kümmern sich drum, dass sie alle ihren Ausgleich kriegen.
Kürzlich gab es eine Reunion der 5 Sterne Deluxe. Was ist dir durch den Kopf gegangen?
Für mich wäre das momentan keine Option. Wenn ein Veranstalter ankäme und fragt, ob wir als Fischmob oder International Pony spielen würden. Aber ehrlich, uns hat aber auch noch niemand gefragt (lacht). Man kann seine Legende verspielen. Im HipHop heute hat ein kompletter Generationswechsel stattgefunden. Es ist ein heikles Thema.
Wie meinst du das?
Das ist so. Ich gucke mir gerne 16 Bars.TV mit der tollen Moderatorin Visa Vie an. Das ist ein so dermaßen codierter Kram, ich check echt nicht mehr, worum es geht. Der eine hat Beef mit dem, der mit dem und wieder anders rum. Ich habe aber das Gefühl, die haben alle Recht. Die haben ihre Situation, ihre Generation und ihre Vertreter. Das wird nicht so rückwärtsgewandt appreciatet wie in den USA. Die ganzen 18-Jährigen dort, die Primo (DJ Premier) als Einfluss nennen. Hier würde doch kein Cro-Anhänger sagen: Torch und Toni, der Koch waren wichtige Einflüsse. Die Leute sind jetzt jung und haben Bock auf die jetzige Mucke samt ihrer Vertreter, die gleich alt sind. Da ist es schwierig mit 40 noch zu punkten, wenn man 20 Jahre zuvor relevant war.
Hat das auch mit den Texten zu tun?
Die Sprache ist eine andere. Ein Fischmob-Revival würde maximal ein Revival-Publikum aktivieren und das möchte ich nicht. HipHop an sich hat ja eine Freshness, weil es sehr nah dran an allem sein kann. Mit 20 Jahre alten Reimen und Raps, ich weiß nicht. Das kickt doch nicht mehr. Wenn ich mir die alten Dendemann-Sachen anhöre. Die alten Eins-Zwo-Sachen, das ist noch immer zeitlose, geile Scheiße.
Heißt das HipHop ist bei dir durch?
Nein! Ich höre 80 Prozent HipHop am Tag. In den deutschen komme ich jetzt nicht so rein. Aber die amerikanischen Sachen, da suche und digge ich fast jeden Tag.
Du hörst dir auch Trap und das A$AP-Zeug an?
Da komm ich nicht so richtig rein, weil ich die Miami-Bass-Sounds nicht so mag. Diese glasklaren 909s und 808s. Ich suche jeden Tag nach neuen Sounds. Was aber nicht mehr wichtig ist, sind Fragen wie: Wer ist jetzt in welcher Gang? Produktionstechnisch finde ich viele aktuelle HipHop-Sachen innovativer als House. Aber auch im HipHop ist es wie die Suche nach dem Edelweiß.
##HipHop für Arme, HipHop für Beine
Ein, zwei Namen fallen noch, Producer hier, Producer da. DJ Koze schickt mir nach dem langen Gespräch noch eine kleine Liste mit aktuellen HipHop-Sounds, Streams und Videos, die er gut findet. Ohne DJ Premier darunter. Diese Perlen können wir Euch natürlich nicht vorenthalten. Auch interessant, in dieser Zusammenstellung meint man hier und da was von dem typischen Sound des Heim-Labels Pampa Records heraus hören zu können.