Leseliste 24. November 2019 – andere Medien, andere ThemenDJs in Afghanistan, AfD ausgrenzen, Impeachment und Wut im Osten

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

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Foto: The Verge

Radio in A Box

Das ist Wafa. Er kommt aus Afghanistan und dort arbeitete einige Jahre für das US-Militär als Radio-DJ. In Afghanistan – vor allem in ländlichen Gebieten – ist das Radio nach wie vor eines der wichtigsten Informationsmedien überhaupt – und die Amerikaner nutzten diese Chance, überzogen das Land mit kleinen Sendern, auf denen Afghanen Musik spielten und natürlich auch Nachrichten verbreiteten – solche Nachrichten, die den Amerikanern genehm waren und sich gegen die Taliban wendeten. Diese „Radios In A Box“ gelten in Militärkreisen als „PSYOP“, als psychologische Operation. Psychologische Kriegsführung mit Beats und Melodien. Natürlich waren die Taliban davon nicht begeistert. Und als das Militär den Stützpunkt schloss, von dem aus Wafa sendete, war er dem Hass ausgesetzt. Christopher Harland-Dunaway hat Wafas Geschichte für The Verge aufgeschrieben. Tragisch, aber auch typisch. Im Krieg ist ein DJ nicht mehr als ein Kollateralschaden. Seine Odyssee führte ihn schließlich als Flüchtling nach Deutschland. Die USA hatten seinen Visa-Antrag abgelehnt – thanks for nothing.

“Everyone knows they collaborated [with the US]. They were on the radio for Christsake!”

Outside the wire

AfD ausgrenzen

Ob und wie man mit Rechten redet, spaltet die Medienlandschaft und die Gesellschaft. Die einen behaupten, man müsse Politikern der AfD und anderen Speerspitzen der Nazi-Bewegung wie der IB und Götz Kubitschek Plattformen und Sendezeit gewährleisten. Dass man aber Rechte ausgrenzen kann und vielleicht auch sollte, hat in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Wirkung gezeigt. Die Münchener Journalistin Verena Weidenbach hat für Zeit Online den Ansatz analysiert und kommt zu dem Punkt, dass durch Ausgrenzung und Stigmatisierung die Bemühungen der AfD als „bürgerliche Mitte“ wahrgenommen zu werden durchaus unterwandert und ad absurdum geführt werden können.

Nun sind die Primärtexte aus dem rechtsintellektuellen Umfeld der Partei ohne Zweifel aussagekräftig – allen voran die taktischen Empfehlungen, die der einflussreiche Vordenker der AfD und Stichwortgeber der neuen Rechten, Götz Kubitschek, in seiner Zeitschrift Sezession veröffentlicht. Doch so viel in seinen und den Artikeln anderer Autoren von hilfloser "Ausgrenzeritis" der "Linken" zu lesen ist, von "Selbsterdrosselung der 'Zivilgesellschaft'" und dem Nutzen, den die AfD angeblich aus den totalitären Abwehrschlachten der Gegner ziehe, so wenig sollte man dem Überlegenheitsgestus dieser Texte Glauben schenken.

Die Stigmatisierung wirkt

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Impeachment FYI

Bei den Impeachment-Anhörungen vor dem Kongress in Washington ging es diese Woche hoch her. Erst belasten Alexander Vindman, Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates, und Jennifer Williams, Mitarbeiterin von US-Vizepräsident Mike Pence den Präsidenten. Dann muss Kurt Volker, ehemaliger US-Sondergesandter für die Ukraine und eigentlich von den Republikanern als Entlastungszeuge gedacht, eine frühere Aussage zu Ungunsten Trumps korrigieren. Und dann ging es ja erst richtig los: Gordon Sondland, US-Botschafter bei der EU, bezeugte die Existenz des Kuhandels und bezichtigt auch gleich den Vizepräsidenten Pence und Außenminister Pompeo der Mitwisserschaft. Der nächste Zeuge David Holmes war beim entscheidenden Telefonat von Trump an Sondland persönlich dabei. Und das war nicht einmal alles, Stichwort Fiona Hill. Da muss man erstmal mitkommen. Klar ist: In dieser Thematik auf dem Laufenden zu bleiben ist, aller Spannung zum Trotz, zeitaufwendig. Aber es gibt Abhilfe: Dan Sinker hat die kleine aber feine Website „Impeachment.FYI“ eingerichtet und berichtet dort in aller Kürze, in angenehm stressfreier Frequenz und mit einem feinen Sinn für Humor über den aktuellen Stand in Sachen: Impeachment. Wer möchte kann sich die Updates auch direkt ins Mailpostfach schicken lassen. Super praktisch.

Nature may abhor a vacuum, but the President of the United States loves one and moved quickly to fill the void left by the absence of impeachment hearings today. President Trump gave a rambling, 53 minute interview on—where else—Fox & Friends this morning.

Impeachment FYI

Unaufgehobene Widersprüche

Ein Text, dessen Thesen wirklich interessant sind: Die Tatsache, dass heute so viele im Osten rechts sind und Widerstand skandieren – sie hat demzufolge eine Menge damit zu tun, dass der Antifaschismus der DDR quasi-staatlich verordnet, nicht aber organisch war. Dass es eine Auseinandersetzung mit der Tätergeneration analog zur BRD nicht gegeben hat. Dass es nach der Wende keine Möglichkeit gab, den „Unrechtsstaat“ zu reflektieren bei all der schnellen Installation der Weststrukturen, die die Menschen im Osten alsbald in eine neue Form der Ohnmacht überführten. Die aktuelle Stärke der AfD, sie könne am Ende vielleicht doch etwas Gutes haben, so wird schlussgefolgert:

Jetzt ist die Zeit endgültig reif, dass die Ostdeutschen miteinander über ihre eigene Vergangenheit und ihre Verdrängungen streiten, als sich immer nur in Abwehrkämpfen gegen westliche Zuschreibungen zu verbünden.

Wut schlägt Scham

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Tim Linghaus, Alva Noto & Ryuichi Sakamoto und Kele

Mix der Woche: MadgreenDie Trommel- und Bassfalter aus Bochum