Leseliste 13. Oktober 2019 – andere Medien, andere ThemenDiesmal mit Peter Handke, Klassik, Mark Zuckerberg, Joseph Vogl

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Die Ankündigung des Nobelpreises für Literatur vom 10.10.2019

Peter Handke

In dieser Woche wurden die Nobelpreise verliehen. Der für Literatur wurde im letzten Jahr ausgesetzt, in diesem Jahr dafür an zwei Leute vergeben: die polnische Autorin Olga Tokarczuk und den österreichischen Autor Peter Handke. Erstere hat ihren Preis mehr als verdient, darüber sind sich alle einig. Darüber, dass Peter Handke diesen Preis niemals hätte bekommen dürfen, wird leider gestritten – denn es sollte klar sein. Während Politiker aus Deutschland und Österreich blind gratulieren – Nobelpreis für deutschssprachige Literatur, yeah –, im Verlagshaus Suhrkamp die Party steigt, bemühen sich zusprechende Journalisten um die Trennung zwischen Werk und Autor, nach der sich die politische Haltung Handkes in Bezug auf den Bosnien-Krieg ausklammern ließe. Das ist blanker Hohn. Es geht bei der Kritik an Handke um weit mehr, als die Grabrede bei der Beerdigung des Massenmörders Slobodan Milosevic im Jahr 2006, obwohl das eigentlich schon gereicht hätte. Es geht neben einer Vielzahl von unsäglichen, verbalen und politischen Verfehlungen, der mutmaßlichen Gewalt gegenüber seiner ehem. Lebensgefährtin Marie Colbin, auch um sein konkretes literarisches Werk.
Dieser Preis hätte niemals an Peter Handke gehen dürfen.

Die Suggestion des Erzählers ist klar: Handke unterstellt den Kosovo-Albanern einen lange im voraus gefassten Zerstörungsplan. Er variiert damit, unabhängig von der Tatsache, dass es neben serbischen Übergriffen im Jahr 2004 auch von Seiten der Kosovo-Albaner gewaltsame Übergriffe gegeben hat, die alte Legende des von den Kosovo-Albanern begangenen „Genozids“ am serbischen Volk.

Ich sehe was, was ihr nicht fasst

Dabei spielte Handke gerne einen Balkan-Experten, der sich allerdings als ein an Fakten nicht interessierter Dichter rechtfertigen kann. Er nahm den Spruch "Serben alle und überall" ernst und nannte die Kroaten "die katholischen Ustascha-Serben"; er fragte sich, ob "die serbokroatisch sprechenden, serbisch-stämmigen Muselmanen Bosniens denn nun ein Volk sein sollten".

Handke und der Balkan - Nobelpreis in den falschen Händen

Quo Vadis, Klassik?

Im vergangenen Jahr kamen in Deutschland elf Klassik-CDs pro Tag in den Handel. Doch auch, wenn diese Zahl vielversprechend klingt, geht es der Branche alles andere als gut. Die großen Namen verkaufen zwar noch ordentlich, kleinere Labels und unbekanntere Künstler*innen jedoch bekommen finanziell kaum noch ein Bein auf den Boden. Nur zwischen 300 und 500 Exemplare werden von den meisten Veröffentlichungen verkauft – das ist Techno-12"-Niveau. Und die Abrechnungsmodalitäten im Streaming fangen die sinkenden physischen Verkäufe nicht auf. Das führt zu einem fundamentalen Wandel des Geschäftsmodells, berichtet Michael Stallknecht in der SZ. Die Labels wollen mit Knebelverträgen ausbleibende Einnahmen kompensieren, und Künstler*innen entdecken die Unabhängigkeit.

"Ich glaube nicht, dass in fünf Jahren noch jemand CDs kaufen wird."

In Vorleistung

Facebook Das Filter Leseliste

Zuckerberg in der Kritik

Dass mit Macht auch Verantwortung kommt, hat bereits Peter Parker gewusst. Für Mark Zuckerberg und Facebook sind es daher seit längerem turbulente Zeiten. Ein immer schlechteres Image, eine miserable Kommunikation bei Themen wie Cambridge Analytica und andere politische Einflussnahmen durch Facebook, zu dem ja auch WhatsApp und Instagram gehören. Zuckerberg stellte sich in zwei internen Meetings im Juli den kritischen Fragen seiner eigenen Mitarbeiter. Wie soll man mit Freunden umgehen, die skeptisch dem Arbeitgeber gegenüber stehen. Wie will man gegen TikTok agieren? Was passiert mit der Währung Libra? The Verge hat Transkriptionen dieser geleakten Aufnahmen nun veröffentlicht. Das Klima bei Facebook scheint alles andere als euphorisch.

„I think a lot of the concerns are that people think that our company is very powerful. And within that, the fact that I have voting control of the company really does focus a lot of the attention on that, that concentration. It’s a concentration within the company, concentration within a person. I think, historically, it’s been very valuable … In 2006, when Yahoo wanted to buy our company, I probably would’ve been fired, and we would have sold the company. We wouldn’t even be here if I didn’t have control.“

The Full Transcript of Mark Zuckerberg’s leaked internal Facebook Meetings

Berlin Haus LL 22052016

Joseph Vogl über Mieten

Der Literatur- und Medienwissenschaftler Joseph Vogl ist Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin für Neuere deutsche Literatur. Zudem lehrt er in Princeton. Vogl übersetzte daneben wichtige poststrukturalistische Werke von Deleuze und Lyotard. Vogl lebt in Kreuzberg und setzt sich auch mit der immer schwieriger werdenden Wohnsituation in seiner Stadt auseinander. Im Interview mit der Berliner Zeitung erklärt er die Zusammenhänge von Finanzökonomie und Mietmarkt und wieso er den Mietdeckel für eine erstmal gute Idee hält.

„Ach, der sogenannte freie Markt. In den letzten Jahren hat sich das Privatvermögen durch den Immobilienboom in Deutschland um drei Billionen Euro vergrößert, und die Hälfte davon ist ausschließlich dem reichsten Zehntel der Bevölkerung zugute gekommen. Eine Bereicherungsmaschine. Knapp vierzig Prozent der Haushalte haben kein Vermögen oder Schulden, sie können also gar nicht investieren.“

Joseph Vogl über Berliner Immobilienmarkt „Das ist eine Bereicherungsmaschine“

Wochenend-WalkmanDiesmal mit 808 State, Pom Pom Squad und HTRK

„Wir müssen über CRISPR reden“Die Genforscherin Hannah Le im Interview