Leseliste 10. November 2019 – andere Medien, andere ThemenRojava, EU-Landwirtschaft, Margarete Stokowski und Wein-Unterschiede

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Rojava

Genau einen Monat ist es her, dass die Türkische Armee ihre militärische Invasion gegen die Kurden im Grenzgebiet in Nordsyrien begonnen hat. In den Nachrichten steht das Thema schon längst nicht mehr ganz oben auf der Agenda, dabei hat sich die Lage auch angesichts eines zweifelhaften Waffenstillstandes mitnichten entspannt. Nach wie vor fallen die Bomben des Unmenschen Erdogans, täglich sterben Menschen. Wolfgang Bauer berichtet seit zwölf Jahren aus Syrien, doch jetzt geht auch er. Diese Reportage für die Zeit wird eine der letzten, wenn nicht gar die letzte Geschichte des Journalisten aus dem kriegsversehrten Land sein. Sie entstand, als die meisten seiner Kollegen schon längst die Segel gestrichen hatten.

Die letzten Stunden in Syrien. Uns allen, die in den vergangenen Jahren aufseiten der Opposition über den Krieg in Syrien berichtet haben, ist klar, dass unter der Kontrolle des Regimes die Einreise nicht mehr möglich sein wird. Ich verabschiede mich von einem Freund in Kamischli, Schriftsteller und Übersetzer. "Die Kurden sind das Schlachtlamm", sagt er mutlos, "vom Schicksal ausersehen, geschlachtet zu werden."

Die letzten Tage von Rojava

Subventionierte Agrarmafia

Mit knapp 60 Milliarden Euro jährlich subventioniert die Europäische Union die Landwirtschaft in der Staatengemeinschaft. Von Anfang an haben die Agrarsubventionen eine große Rolle in der EU gespielt, als begehrter Benefit der Mitgliedschaft – und in den letzten Jahren auch als entscheidendes Argument für den Verbleib in der Union. Aber wo kommen die Milliarden tatsächlich an? Die New York Times hat im östlichen Teil Europas nachgeforscht, versucht den Weg des Geldes nachzuvollziehen. Das Dickicht aus Geldflüssen innerhalb korrupter, undurchsichtiger und letztlich mafiöser Strukturen lässt sich allerdings kaum entwirren. Was hingegen schnell klar wird: Nicht selten kommen die Finanzspritzen den völligen falschen zugute.

It is a type of modern feudalism, where small farmers live in the shadows of huge, politically powerful interests — and European Union subsidies help finance it.

The Money Farmers: How Oligarchs and Populists Milk the E.U. for Millions

M Stokowski by Harald Krichel

Foto: Harald Krichel licensed under CC BY-SA 4.0

Margarete Stokowski

Alle zwei Jahre wird der Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik verliehen. Dieses Jahr geht der Preis an die Autorin und Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski. Stokowskis Rede wurde gekürzt bei der taz abgedruckt. Ein lesenswerter Text, auch weil die Autorin auf alltägliche Hassrede und Anfeindungen eingeht und einordnet. Denn hier sieht sie nicht nur Einzelne bedroht, sondern die gesamte Medienlandschaft. Sie berichtet von Journalist*innen, die sich aus sozialen Medien zurückziehen und wie Kolleg*innen an Polizei und Staatsanwaltschaft „mit Recht verzweifeln“.

„Manchmal fühlt es sich an wie ein schlechter Witz. Ein Beispiel. Eine Vergewaltigungsdrohung, die ich mal bekam, war sehr explizit und brutal formuliert, eine Aufzählung sexueller und gewalttätiger Fantasien. Anzeige, Verfahren, Verfahren eingestellt, Täter nicht gefunden – okay, manche können nicht gefunden werden, aber: Der Straftatbestand, den die Staatsanwaltschaft formulierte, lautete „Verbreitung pornographischer Schriften“. Ich wusste bis dahin nicht mal, dass das überhaupt etwas Strafbares ist, aber vor allem war das kein Porno.“

„Ich denke dann kurz: Ja, normal“

Naturwein Orange

Foto: Redaktion

Wein ist nicht gleich Wein

Biowein, biodynamischer Wein, Naturwein ... derzeit flattern die Begriffe rund um den Trauben-Saft nur so durch die Gegend, und ganz ehrlich: Wer kennt schon die Unterschiede? Wer weiß schon, was in konventionellen Wein alles rein darf und was bei den anderen Qualitäten erlaubt ist und was nicht? Wenngleich der Leadtext – siehe Zitat unten – nicht ganz unrecht hat, der Beitrag ist echt ein Longread und nicht immer ganz so spritzig wie ein frisch geöffneter Pet-Nat (noch so ein neuer Begriff): Wer ihn aufmerksam durchliest, ist am Ende schlauer. Und hat möglicherweise Lust auf ein Glas. Prosit.

Das ist ein elendslanger Text. Und als Radiobeitrag könnte man ihn als Schlafmittel verschreiben. Aber man erfährt fast alles über die Unterschiede von konventionell erzeugten Weinen, Bioweinen, biodynamischen Weinen und vin naturel.

Was steckt im Wein? Und was ist bio?

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Marcus Schmickler, Earl Sweatshirt und FKA Twigs

Mix der Woche: Nachtdigital MintDer Abschied vom mitbesten Festival der Welt