Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Verdeckte Armut
Es wird wieder über Hartz IV diskutiert. Erst im Streit um die Tafeln, die in Deutschland rund 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgen, nun im Bezug auf den unrühmlichen Satz des CDU-Politikers und Gesundheitsministers Jens Spahn: „Hartz IV bedeutet nicht Armut“. Eine Petition, nach der Spahn selbst einen Monat lang von Hartz VI leben soll, erreicht in diesen Minuten die Marke von 150.000 Unterstützern – aber das nur nebenbei. Beim Spiegel kann man jetzt nachlesen, warum das angebliche Existenzminimum tatsächlich zu niedrig ist. Es liegt an der fehlerhaften Berechnung und ist so gar nicht politisch streitbar:
„Unstrittig ist aber, dass die statistische Grundlage der Berechnung fehlerhaft ist: In der Theorie sollen die 15 ärmsten Prozent der Haushalte die Vergleichsgruppe bilden, die gerade noch so viel verdienen, dass sie nicht ausschließlich von Sozialleistungen leben müssen. In der Praxis werden aber die 15 ärmsten Prozent betrachtet, die faktisch keine Sozialleistungen beziehen - ob sie nun Anspruch darauf haben oder nicht.“
Live aus der Startup-Hölle
Dass die Anziehungskraft, die ahnungslose, arbeitswillige Highperformer in die Büros von Startups zieht, nicht selten mehr auf Schein, als auf Sein beruht, lernen viele, sobald sie erstmal auf dem klapprigen 30-Euro-Drehstuhl von Ikea sitzen, der doch eigentlich ihre Basis für „maximale Entfaltungsmöglichkeiten“ sein sollte. Ein paar Wochen später hat sich der versprochene Gründer-Esprit in Rückenschmerzen und Schlafmangel manifestiert, aber hey: Das nächste Funding kommt bestimmt. Dass es einem noch deutlich schlimmer ergehen kann, davon zeugt die Website startupsanonymous.com, auf der Startup-Mitarbeiter und Gründer anonym von ihren Sorgen berichten und sich austauschen können. Das Zeit-Magazin hat den Betreiber Dana Severson zum Interview geladen. Interessant ist aber vor allem die Seite selbst.
„Das echte Leben schert sich nicht um deine Gefühle. Man bekommt keinen Trostpreis, wenn man seinen Job verliert. Niemand hat Anspruch auf Erfolg. Manchmal reicht es eben nicht, sein Bestes zu geben.“
"Stimmung ist schlecht. Alles mühselig. Trinke zu viel."
– startupsanonymous.com/
NBA-Stars und Wein
Dass amerikanische Profi-Basketballer der NBA teils wirklich viel Geld verdienen, ist kein Geheimnis. Stars wie LeBron James und Stephen Curry gehören zu den bestverdienenden Sportlern auf dem Planeten und dass protzige Karren, Bling und Häuser à la MTV Cribs natürlich dazu gehören, ist genauso Wahrheit wie Klischee. Dass aber in der NBA geheime Weinkennerzirkel existieren, ist nicht so bekannt. Baxter Holmes hat für ESPN hinter die Kulissen der önophilen Kreise der Sportidole geschaut. Von Profis wie Dwayne Wade, die schön längst in eigene Weinberge und Kellereien investiert haben, Jimmy Butler, der mit eigenen Flaschen Pinot Noir im Koffer zu den Olympischen Spielen in Rio angereist ist und anderen Spleens in einer Parallelwelt. Da soll noch einer sagen, Basketballprofis von der Straße seien nicht kultiviert.
„James, Wade and Thomas are sitting together, and soon heavy portions of red-sauced Italian dishes -- spicy rigatoni, chicken Parmesan -- sit before them. And to drink? Well, the establishment is known for its craft cocktails, so one staffer expects that they'll bring out Don Julio 1942 and that will be that. But no. Oregon pinot noir is ordered off the menu, and one member of their party unveils bottles of old Barolo from his private cellar. Over the next three hours, perhaps half a dozen bottles are opened, and each time, the mood turns serious: Players swirl the glasses, taking in whiffs, sipping the wine, discussing. Out come the phones, as they snap away at the labels -- and log on to something called Vivino.“
Bundeswehr beim SXSW
Um die technische Ausstattung der Bundeswehr ist es nicht gut bestellt, die mediale Berichterstattung der vergangenen Wochen und Monate hat dies immer wieder exemplarisch aufgezeigt. Aber: Das deutsche Militär unterhält den „Cyber Innovation Hub“ und bezeichnet die Abteilung offiziell als Schnittstelle zwischen „Startup-Szene und Bundeswehr“. Und der Chef – Marcel Yon – war auf dem SXSW. Auf der Suche nach Start-ups, die die Digitalisierung der Bundeswehr vorantreiben könnten. Die Suche war dabei ganz klassisch: Haus mieten, Start-ups einladen, sich Pitches anhören. Yon kennt dieses Geschäft bestens, der Fregattenkapitän der Reserve ist nämlich selbst vornehmlich Entrepreneur. Ein merkwürdig anmutendes Aufeinandertreffen zweier Welten. Aber Start-ups brauchen Aufträge und Geld. Und Sensoren und KI machen nicht nur in Smartphones und Teslas Sinn. Natürlich schwebt über diesem Clash der Kulturen die Frage: Wie weit geht man als Jungunternehmer, um seine Firma zum Erfolg zu bringen. Könnte man zumindest denken. Faktisch waren alle Beteiligten zufrieden.
„Unsere Sensoren funktionieren bei Schlamm, Blut und Schweiß“.