Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Ehrenamtsblockbuster
Das Timing könnte nicht unpassender sein. Zum 25-jährigen Jubiläum der Tafeln werden in Essen keine Ausländer mehr als Mitglieder aufgenommen. Die Stimmung in den Schlangen ist schlecht, es werde angeblich gerempelt und sich vorgedrängelt. Der Shitstorm ist in vollem Gang. Denn die Tafeln, die Lebensmittelausgabestellen für Bedürftige, sind ein Vorzeigeprojekt bundesdeutscher Solidarität. Kathrin Hartmann hat für den Freitag untersucht, welche Rolle die Tafeln in unserer Gesellschaft spielen und dabei besonders gerne von denen gelobt werden, die dem Kapitalismus das Wort reden und den Sozialstaat als Belastung für wirtschaftliches Wachstum ausgemacht haben. Die Ehrenamtlichen sind die Heldinnen und Helden, die Handelsketten schmücken sich mit der Kooperation, die Wirtschaft frohlockt und setzt weiterhin auf effiziente Überproduktion. Bei den Tafeln wird wichtige und gute Arbeit geleistet, die aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, wie sich die Gesellschaft in den vergangenen 25 Jahren immer mehr verändert hat. Denn über die Armen – die Klienten – redet niemand. Auch nicht zum Jubiläum.
„Die Tafeln brauchen den Überschuss – sonst gibt es ja nichts zu verteilen. So werden Armut und Überfluss an den Tafeln allenfalls verwaltet, abgeschafft werden sie nicht.“
Das Ende der Modeindustrie?
1977 gab man in Amerika noch durchschnittlich 6,2 Prozent der Haushaltsausgaben für Kleidung aus. Heute sind es nur noch die Hälfte. Die weltweite Kleidungsindustrie kriselt und die Gründe sind divers. Ist Social Media heute wichtiger geworden als ein exklusiver Style? Wieso heute noch ein Dutzend Anzüge im Schrank haben, wenn auf der Arbeit ohnehin nur noch casual angesagt ist? Billigketten, Onlinehandel, Ladensterben und veränderte Werte im 21. Jahrhundert – die Lage ist heute für die Textilindustrie in vielerlei Hinsicht kompliziert.
„When you consider all these varied pressures on the clothing industry, it’s not surprising that apparel store closures peaked last year. This doesn’t simply reflect a shift to online shopping. E-commerce startups were founded to take advantage of the disruption in retail. But even they have stumbled, a sign of the deeper problems plaguing apparel.“
##Bergung vom höchsten Berg der Welt
Dass man ganz oben auf dem Mount Everest mittlerweile Mails senden und empfangen kann, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Besteigung weiterhin hochgefährlich ist: 300 Menschen sind seit der ersten Erklimmung im Jahr 1953 hier tödlich verunglückt. Was aber dann? Wie bekommt man einen toten Körper von dort oben wieder herunter? Wie wird das organisiert, was kostet es? Dieser Longread berichtet von einer indischen Bergsteigergruppe, deren Abenteuer in einer Tragödie endete. Dabei liegt der Fokus auf der Zeit nach der Tragödie selbst: Ein Jahr nach dem Unglück beim Abstieg begann das zweite, nicht minder riskante Abenteuer – die toten, festgefrorenen Körper aus höchster Höhe zu bergen.
„If it all went right, then, the bodies of the Indian climbers would return from Everest. They would be among the highest-altitude recoveries ever made.“
Feminism Sells
Es läuft ganz gut mit dem Feminismus. Glaubt man den Werbetafeln, ist Feminismus jetzt nämlich überall angekommen. Gut, vielleicht (noch) nicht im eigenen Job-Alltag oder in der Spielwarenabteilung. Aber dafür beim Yoga, in der Drogerie-Abteilung, er steckt in jeder modernen Frauenzeitschrift und hängt mittlerweile auch auf jedem Kleiderbügel. „Female Empowerment“ hat sich als verkaufsfördernder Slogan perfekt in den konsumgetriebenen Alltag unseres kapitalistischen Systems integriert. Shampoos bringen jetzt nicht mehr den perfekten Glanz, na gut, vielleicht doch, aber zudem und vor allem: Natürlichkeit! Sei du selbst, du bist schön, du kannst alles erreichen! – Kauf einfach nur dieses Shampoo. Etwas überspitzt vielleicht, aber der Kern entpuppt sich als wahr, sobald man nur nach #femaleempowerment auf Instagram sucht. Autorin Bianca Xenia Jankovska nimmt den Feminismus-Ausverkauf in ihrem Blog auseinander.
„Das Ding ist: Feminismus ist keine millennial-pinke Kuscheldecke, auch wenn er inzwischen so aussieht. Feminismus ist nichts, das man sich anzieht. Feminismus ist nicht kurze Stirnfransen, Tattoos, Highwaist-Hosen und Peelingmasken. […] Die Kulissen des heutigen Mainstream-Feminismus sind so glatt wie die Vulva nicht rasiert sein müsste. Sie verschleiern mehr, als sie auf den ersten Blick offenbaren.
Entschuldigung, aber was ist eigentlich aus diesem Feminismus geworden?