Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
##„Hart aber Fair“ zerlegt
Seitdem Bundesrichter Thomas Fischer seine Rechtskolumne bei ZEITonline nicht mehr schreibt, fehlt ein wichtiger Beitrag in der journalistischen Landschaft Deutschlands. Umso erhellender, wenn man doch mal wieder etwas von ihm zu lesen bekommen. Hier lässt er sich beim Medienmagazin Meedia über eine Folge von Frank Plasbergs „Hart aber Fair“ aus, die am 19. Februar 2018 im öffentlich-rechtlichen TV lief. Streitthema und Titel der Sendung: „Justiz – überlastet, überfordert, zu lasch?“ Die Kritik Fischers ist vernichtend, der Ton forsch, feine Ironie und sarkastische Spitzen gehören wie üblich dazu. Wieder einmal lesenswert, auch ohne die Sendung gesehen zu haben.
„Das berühmte Plasbergsche Volksempfinden stammt aus Paragraf 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung vom 28. Juni 1935. Da hieß es: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient.“ Dies war die Anordnung der so genannten unbegrenzten Analogie im Strafrecht, also das definitive Ende jedes rechtsstaatlichen Strafsystems. Deshalb wurde das berühmte „gesunde Volksempfinden“ durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30. Januar 1946 als typisch nationalsozialistisches Unrecht aufgehoben. Ich finde, man sollte das Herrn Plasberg und dem deutschen Volk mitteilen.“
Holocaust überleben
Fred Heyman wurde als Manfred Heymann 1929 in Berlin geboren. Mit der Machtübernahme durch die NSDAP änderte sich das Leben der Familie Heymann schlagartig. Denn Heymanns Vater war Jude und wurde deportiert – er und seine Mutter haben den Holocaust dennoch mit viel Glück überlebt und wanderten kurz nach Ende des Krieges in die USA aus. Der heute 88-Jährige war kürzlich in Berlin zu Besuch und erzählte der taz die Geschichte seiner Jugend.
„Mein Vater wurde an einem Samstagmorgen verhaftet und in der Rosenstraße inhaftiert, wohin man alle Angehörigen von ‚Mischehen‘ gebracht hatte. Meine Mutter sagte: ‚Der Vater kommt nicht von der Zwangsarbeit nach Hause.‘ Sie schmierte einige Brote, weil sie richtig vermutete, dass er dort, wo er gefangen gehalten wurde, nichts zu essen bekam. Wir verließen unsere Wohnung und gingen zur Rosenstraße. Ich muss dort traumatisiert worden sein, denn ich habe keinerlei Erinnerung mehr an das, was dort passierte. Ich weiß nur, dass ich dort gewesen bin.“
Speaking Truth To Stupid
Wie macht man die Künstliche Intelligenz wirklich intelligent? Eine Frage, mit der sich so ziemlich alle Technologie-Unternehmen auseinandersetzen. Vor allem natürlich die, die eine eigene Sprachassistenz im Angebot haben und dieses Wettrennen für sich entscheiden wollen. Amazon hat dafür unter anderem einen Wettbewerb ausgeschrieben – hoch dotiert und mit klaren Regeln. Das Ziel: sich 20 Minuten lang mit Alexa sinnvoll unterhalten zu können. Bei Wired gibt es dazu eine ausführliche Reportage, Autor James Vlahos porträtiert dabei sowohl die drei Finalisten-Teams, als auch die Atmosphäre und Situation der alles entscheidenen „Unterhaltungen“. Sehr aufschlussreich, hoch interessant und nicht weniger amüsant. Es scheint, als würde das mit der Zukunft noch eine ganze Weile dauern. Denn Handarbeit ist dem Maschinellen Lernen immer noch weit überlegen.
„Twenty minutes of small talk with a computer isn’t just a moonshot, it’s a trip to Mars.“
##Botify
Angeblich sollen perfide Smartasses in den Neunzigerjahren gutes Geld damit verdient haben, indem sie mit sich nicht entleerenden Telefonkarten selbst eingerichtete 0190-Nummern dauerangerufen haben. Jetzt hat jemand in Bulgarien Spotify angezapft, mit selbst angelegten Playlists und Bots, die sich die Tracks darin unentwegt angehört haben. Denn auch mit einem Micropayment von 0,004 Cent pro „Anhören“ kommt was Stattliches zusammen, wenn man es nur oft genug tut – und 1.200 User/Bots taten nichts anderes als das. Bis die Schweden hinter den Schwindel (wobei: ist im Gegensatz zu gehackten Telefonkarten sogar legal!) kamen, hatte das Setup reichlich Geld literally eingespielt, über eine Million.
„Man kommt auch nicht umhin sich zu denken, dass die Bulgarier mit etwas mehr Geschick sogar noch mehr hätten abstauben können.“