Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Merkel-Analyse
Zwar sitzt Angela Merkel noch im Chefsessel der Regierung und wird es – dem Ekel-Horst zum Trotz – wohl noch eine Weile tun, aber die Ära der Merkel’schen Politik neigt sich zweifellos dem Ende. Merkel’sche Politik – dass sich diese Bezeichnung überhaupt etablieren konnte, macht schon deutlich, dass da eine Abgrenzung zur Partei CDU besteht. Diese Differenz, die mittlerweile gigantisch scheint, war allerdings von Anfang an da. Merkels Weg ins Kanzleramt war bereits ein Bruch mit bis dahin etablierten Traditionen. Politikwissenschaftler Philip Manow schlüsselt die Ära Merkel in einem Essay für die ZEIT auf. Der ist trotz seiner Länge zwar eine radikale Verknappung und lässt vor allem politische Inhalte außen vor, enthält im Kern aber kluge Gedanken zum „Wie?“ des Politik-Stils der Kanzlerin.
„An die Stelle von Journalismus trat die Vorstellung, Politik sei eigentlich gar nicht mehr nach links und rechts, sondern nur noch nach Vernunft und Unvernunft kodiert; und die jeweils letzte Wendung aus dem Kanzleramt sei zwingend als Emanation ebenjener Vernunft zu verstehen. Beweis: die aktuellen Umfragewerte!“
Brexit-Rave
Für den Guardian besuchte Oscar Rickett kürzlich eine bizarr anmutende Veranstaltung im Londoner Westend. Hier, im Troubadour Club, spielten schon Jimi Hendrix und Bob Dylan, an diesem Abend jedoch geben Brexit-Befürworter auf der Bühne kurze Einlagen: von (selbst) komponierten Brexit-Hymnen bis zu Stand-up ist alles dabei. Mitglieder und Sympathisanten der unterschiedlichsten Gruppierungen treffen sich – trotz der Performances mit zum Teil fragwürdiger Qualität entsteht so ein unerwartetes Gemeinschaftsgefühl. Denn – so ist zu hören – sich in der Öffentlichkeit zum Brexit zu bekennen, kommt in der britischen Gesellschaft nicht gut an. Wer hätte das gedacht!? Entsprechend offenherzig sprechen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber, warum sie an diesem Abend hier sind. So entsteht wie von selbst ein Zustandsbericht über die derzeitige englische Realität.
„This is the first time I’ve been in an environment where I haven’t got to feel embarrassed or ashamed about being a Brexiteer.“
Alibaba vs. Tencent
Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas ist im Besonderen auch diesen beiden Firmen zu verdanken: Alibaba und Tencent sind heute die beiden größten chinesischen Tech-Unternehmen und mittlerweile zählen beide mit je ca. einer halben Billion Dollar Marktwert zu den zehn größten Unternehmen der Welt. Bislang konnten die Tech-Giganten sich einigermaßen „aus dem Weg gehen“. Während Alibaba viel Geld mit der gleichnamigen E-Commerce-Plattform verdient hat, war Tencents Expertise vornehmlich im Sektor Gaming zu finden. Außerdem gehört der Messenger-Marktführer WeChat zum Portfolio. Nun treffen sie im Sektor Mobile Payment aber erstmalig mit jeweils eigenen Systemen (WePay und AliPay) aufeinander und konkurrieren um einen großen Wachstumsmarkt, der ganz Asien involviert.
„For years Alibaba and Tencent were rivals only in the sense that both were successful and prominent examples of the Chinese Internet phenomenon. At first they weren’t even that successful. “We were little brothers in the Internet industry playground,” Pony Ma reflects, compared with the leading “portals” of the late 1990s. “We were second- or even third-tier companies.”“
Niggemeier vs. Martenstein
Sie haben regelmäßig über- und gegeneinander geschrieben, der Zeit-Kolumnist Harald Martenstein und der Übermedien-Metakritiker Stefan Niggemeier. Kürzlich haben sie sich im Café zum Gespräch getroffen. Sollte es eine Aussprache werden, eine Klärung? Oder doch ein Streitgespräch? Die tldr-Version: Der Punkt geht an Niggemeier. Zwar kann der eher linke Kritiker den konservativen Kolumnisten nicht grillen, dafür ist dieser rhetorisch dann doch zu gut gewappnet, aber wer genau hinschaut, sieht: Martenstein hat den präzisen Fragen und Nachfragen wenig entgegen zu setzen. Insofern nicht das erwartete Streitgespräch auf Augenhöhe, aber aufgrund der guten Gesprächsführung durch den Übermedien-Gastgeber durchaus unterhaltsam.
„Wenn wir jetzt alle aufhören, uns über Ihre Texte zu beklagen, schreiben Sie andere Texte?
Ja, sofort.“
Man sollte mit der Verteidigung der Freiheit nicht warten, bis es keine mehr gibt