Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Angst durch Liberalismus
Woher die german angst trotz florierender Wissenschaft und geringer Arbeitslosigkeit: Die Wissenschaftler Sigrid Wetzelt und Ingo Bode sind der Sache auf den Grund gegangen. Die Wurzeln der Angst, so ihre Analyse, liegt in den Reformen der Agenda 2010 der Schröder'schen Sozialdemokratie begründet: Er hat den gesellschaftlichen Reformdruck auf die Individuen übertragen und sie damit überlastet. Aus der Idee der Veränderung wurde Angst, abgehängt zu werden. Auch dass die Agenda-Reformen den heutigen wirtschaftlichen Stand hervorgerufen hätten, stellen die Wissenschaftler in Frage. Und jetzt? Weg von der Individualisierungslogik, ist ihr Credo.
Der von einflussreichen Medien gestützte Diskurs hat dazu beigetragen, dass viele Menschen dieses Narrativ verinnerlicht haben. Sie akzeptieren die neuen Zwänge und grenzen sich zugleich gegen die angeblich “faulen Schmarotzer” ab, und immer steht die Bedrohung im Raum, selbst einmal dieser stigmatisierten Gruppe anzugehören.
Falsche Versprechungen
Es ist immer gut, sich regelmäßig dessen gewahr zu werden, was das digitale Leben tatsächlich mit unserem echtem Leben anstellt und bereits angestellt hat. Natürlich sind Facebook, Zuckerberg, seine Anhörungen in Washington der aktuelle Aufhänger, der unbedingt genau beobachtet und analysiert werden muss. Noch wichtiger aber ist es, diesen Moment zu nutzen, um darüber nachzudenken, wie es überhaupt dazu kommen konnte und welche Rolle wir – die User – dabei spielen und wo wir falsch abgebogen sind. Jason Parham tut für Wired genau das. Es ist nicht die Zeit für Technik-Hörigkeit und blindes Vertrauen.
„Erfindungen werden auch weiterhin leichte Beute bleiben für die Perversion der menschlichen Sittenlosigkeit. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich ihr unterwerfen müssen.“
Wie kreative Arbeit verhunzt wird
Jeder Texter, Illustrator, Gestalter, Programmierer, Designer – kurz: jeder Handwerker der Kreativbranche – kennt das Leid, wenn der Chef oder Kunde oder Projektmanager mit dem Ergebnis nicht richtig zufrieden ist oder schlimmer noch: der Arbeit seinen persönlichen Stempel aufdrücken muss. Diese Formulierung abändern, diese Farbe durch jene ersetzen, dort noch ein Schnörkel rein – dank vollkommener Ahnungslosigkeit im jeweiligen Fachgebiet, führt die nachdrücklich gewünschte Änderung zu Inkonsistenz und damit zur vollkommenen Verhunzung der gesamten Arbeit. Darum geht’s in diesem Text von Peter Wagner, der sich aber nicht im Selbstmitleid des Kreativendaseins suhlt, sondern aus Entscheiderperspektive schreibt und eine klare Botschaft an die Kollegen und Auftraggeber richtet: Vertraut den Kreativen vom Fach! Sie haben in der Regel mehr Plan.
„Ich finde es frustrierend, wenn Menschen in Entscheidungspositionen nichts beizutragen haben, als ihre ästhetische Meinung zu äußern. An der Stelle, wo nichts zum Prozess, zum großen Ganzen, zur Funktionalität gesagt wird, sondern bestehende Entwürfe auf Details reduziert werden, ist für mich der Drops gelutscht.“
“Die Outline muss tighter oder ich verlasse den Raum" - Über die Konsistenz von Kreativentscheidern.
Denunzieren als Hobby
Markus Krause heißt eigentlich gar nicht Markus Krause und hat kürzlich mit der taz über sein Hobby gesprochen. Ein für Außenstehende schwierig nachzuvollziehendes Vergnügen. Seit Jahren zeigt er systematisch Ärzte an, die seiner Meinung nach gegen den Paragrafen 219 a verstoßen und somit vermeintlich „Werbung“ für Abtreibungen schalten. Bis zu 70 Strafanzeigen sind es mittlerweile geworden. Andere denunzieren als Freizeitbeschäftigung, legitim oder ein Fehler in unserem Rechtssystem?
„Wenn ich Zeit habe, am Wochenende meistens, suche ich in meinem Arbeitszimmer am Computer über Google nach Schwangerschaftsabbrüchen und danach, wo man die vornehmen könnte. Ich überlege mir: Wo würden schwangere Frauen im Internet suchen? Also auf Seiten von Arztpraxen. Ich gucke dann, ob ich auf Seiten stoße, auf denen angegeben ist, dass Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Wenn das der Fall ist, dann erstatte ich online Strafanzeige.“