Review: Libratone Q AdaptWie klingt der erste Kopfhörer der Lautsprecher-Schmiede?
9.12.2016 • Technik & Wissen – Text & Fotos: Thaddeus HerrmannLibratone hat sich mit seinen drahtlosen Lautsprechern in den vergangenen Jahren einen soliden Ruf erarbeitet. Keine Selbstverständlichkeit auf einem Markt, der zigfach übersättigt ist. Jetzt sind die ersten Kopfhörer fertig, die Q-Adapt-Reihe. Einmal InEar mit Lightning-Anschluss für iPhones und iPads, einmal klassisches Bügel-Design mit Bluetooth. Alleinstellungsmerkmal beider Geräte ist die aktive Geräuschunterdrückung. Sie blendet die Umgebung nicht nur ein und aus, sondern soll in vier Stufen die genau richtige Abschirmung garantieren. Klappt das? Und vor allem: Reicht das, um auf dem noch viel übersättigteren Kopfhörer-Markt auch nur ansatzweise etwas zu bewegen? Hören wir mal.
Die haben doch einen an der Waffel.
Das war mein erster Gedanke, als ich Ende August die Pressemeldung auf den Tisch bekam, dass Libratone jetzt auch ins Kopfhörer-Business einsteigt. In jeder nur erdenklichen Preisklasse herrscht grelles Überangebot; durchblicken kann man da nicht mehr, geschweige denn auf dem Laufenden bleiben. Die big player, die neuen Mitstreiter, die Punks, die Spinner, die mit den wirklich guten Ideen: Im MediaMarkt versendet sich sprichwörtlich alles zu einem fiesen Rauschen unter Neonbeleuchtung. Jetzt also auch noch Libratone. Ich verfolge die dänische Firma seit dem ersten Tag und habe nach wie vor das erste Produkt bei mir auf dem Schreibtisch stehen: einen tollen Lautsprecher mit (mittlerweile leider defektem) WiFi und – vor allem dank Bändchenhochtöner – brillantem Sound. Schade und blöd, dass man diese Technik in den neuen Versionen der Zip-Reihe nicht mehr einsetzt, aber ich schweife ab. Ganz bewusst, um ehrlich zu sein, denn Lautsprecher und Kopfhörer sind zwei Produktkategorien, an denen ich mich in den vergangenen Jahren über Gebühr abgearbeitet und leergeschrieben habe. Vermeintliches Expertentum sucht neuen Wortschatz.
Der Bügelkopfhörer der Q-Adapt-Familie, der mir zum Test vorliegt, lässt gleich zwei persönliche Warnleuchten aufblitzen: Bluetooth wegen der Verbindungsabbrüche, über ich bereits mal mehr, mal weniger geklagt habe und OnEar-Design. Das heißt, dass die Ohrmuscheln auf den Ohren aufliegen und sie nicht umschließen. Das ist für mich als Brillenträger auf Dauer besonders unbequem und ist generell nicht so kuschelig wie das OverEar-Pendant. Geschmacksache, ich weiß, ich weiß: Der Q Adapt ist für meinen Kopf jedoch leider einfach einen Tick zu klein, liegt zu eng an und übt ergo so viel Druck auf die Ohren aus, dass ich ihn von der persönlichen Einkaufsliste selbst dann streichen müsste, würde er mich ansonsten überzeugen. Aber soweit sind wir ja noch nicht, ein bisschen Spannung muss schließlich bleiben.
„DasTouch-Interface ist komplett unberechenbar.“
Dass mir der Q Adapt nicht recht passen will, ist ein bisschen schade, denn Design und Verarbeitung gefallen mir eigentlich sehr gut. Der Bügel ist robust und mit Stoff ummantelt, die Ohrmuscheln sind aus ebenso robustem Kunststoff, deren Innenseiten mit unauffälligem Kunstleder bezogen worden ist. Das kommt zwar schon nach ein paar Tagen ein wenig knitterig daher, erhält dadurch aber eine gewisse Patina, die gut passt. Irgendwie. Die rechte Ohrmuschel (die mit dem Vögelchen) ist auf der Außenseite berührungsempfindlich. Hier können Anrufe angenommen werden, lässt sich die Lautstärke regeln, Musik pausieren und wieder starten und auf den nächsten Titel vorgespulen. Dazu braucht man mal einen Finger, mal zwei, mal die ganze Hand. Denn bedeckt man mit ihr die gesamte Muschel, stoppt die Musik und die Geräuschunterdrückung wird durchlässig. Zumindest in der Theorie. Denn leider funktioniert dieses Touch-Interface nicht sonderlich verlässlich. Ach was, es ist komplett unberechenbar, genau wie beim schon getesteten H8 von Beoplay übrigens. Mir taugt das nichts. Es sieht bescheuert aus, ist nicht praktisch und überhaupt. Immerhin als haptische Taste ausgelegt ist der Klicker für die vierstufige Geräuschunterdrückung.
##Stille in vier Stufen
Diese regelbare Geräuschunterdrückung – Libratone nennt das Prinzip „CityMix“ – ist solide, ihre Vierstufigkeit macht Sinn, überzeugt schlussendlich aber nicht so wie z.B. jene von Bose. Der Q Adapt filtert auf höchster Stufe nicht so zupackend, die Taste ist zudem problematisch positioniert, weil man immer wieder die berührungsempfindliche Ohrmuschel „miterwischt“, was zu den skurrilsten Ergebnissen führt: Musik aus, nächster Track oder auch ein unkontrolliertes An- und Ausschalten der Geräuschunterdrückung als solches, gepaart mit Dropouts und sonstigen Artefakten. Die Bedienung bei laufendem Betrieb des Q Adapt ist schlicht nicht ausgereift, geschweige denn zu Ende gedacht. Schade. Auch ein Software-Update, das während des Tests über die dazugehörige App installiert wurde, schaffte keine Abhilfe.
Erfreulich gut ist hingegen die Verbindungsstabilität zum Telefon. Dropouts sind selten, doch wenn sie auftreten, dann sind sie so heftig, dass man das Gefühl hat, der Kopfhörer würde mal eben neu starten. Zum Glück kommt das wirklich nur ab und an vor.
Dann müssen wir jetzt wohl über das sprechen, was bei einem Kopfhörer ja irgendwie im Mittelpunkt steht: den Klang.
Vorbemerkung: Ich komme von einem kabelgebundenen Beoplay H6, der ja in seinem still und leise veröffentlichen Redesign eine ziemliche Welle gemacht hat im Netz. Zurecht. Ich kennen keinen besseren Kopfhörer in der 300-Euro-Klasse. Kabel und Funk zu vergleichen ist eh unfair, aber von dieser Warte aus schwächelt der Q Adapt schon ziemlich, klingt für einen Bluetoother aber noch auf ziemlich hohem Niveau. Der Q Adapt klingt sehr ok, sein Sound ist jedoch nicht weiter bemerkenswert, eher unauffällig – er hat keinen hörbar eigenen Charakter. Geil, könnte man nun denken, der Q Adapt klingt neutral. Tut er natürlich nicht. Aber das Tuning ist ein bisschen schlapp, zwar modern, mit Betonung auf den wichtigen Frequenzen, aber nicht mitreißend. Nichts, woran man sich gewöhnen oder abarbeiten müsste. Das ist bei einem Preis von 250 Euro schade, aber immer noch viel besser als die 300-Euro-Plastikbass-Schleuder von Beats. Wer auf dieses Niveau im Bass-Bereich hoch will, macht die App auf und nutzt eine der insgesamt drei Voreinstellungen. Die mit mehr Bass. Eh klar, oder?
Bei Libratone bekommt man immerhin ein schönes Stück Hardware. Das, wenn es einem denn gut passt, durchaus zu einem treuen Begleiter werden kann. Der Scratch-Wahnsinn auf der Ohrmuschel könnte durch Software-Updates schon bald besser werden und den größten Kritikpunkt an Bluetooth-Kopfhörern – die Verbindungsstabilität – hat der Q Adapt sowieso ganz überzeugend im Griff. Hoffen wir also auf ein paar clevere Coder bei Libratone, die die Firmware des Q Adapt zeitnah so pimpen, dass sich die Frustration zukünftig in Grenzen hält. Und am besten gleich noch eine neue App schreiben: Mann, ist die crazy blöd. Der Anfang von Libratones Kopfhörer-Geschichte hingegen ist durchaus interessant und ermutigend. Jetzt heißt es dran bleiben.