App der Woche: FantomNeue Musik von Massive Attack als iPhone- und Apple-Watch-Experiment

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Mit der App „Fantom“ veröffentlicht das legendäre Projekt aus Bristol nicht nur vier neue Tracks, sondern überlässt viele Parameter der Songs euren Bewegungen und eurem Puls.

Smartphone- und Tablet-Apps, bei denen die Interaktion mit Musik im Vordergrund steht, sind eine schwierige Angelegenheit, in der Regel zumindest. Brian Eno hat ein paar sehr gute, weil einfache Ideen zu diesem Thema in Code gepackt und seinem Faible für generative Musik so ein nachhaltiges Denkmal gesetzt. „Bloom“, „Trope“ und „Scape“ sind kleine Jukeboxen, die – ganz Eno-like – automatisch vor sich hin dudeln und einen so tief in seine Wunschvorstellung von Ambient hineinziehen, sich gleichzeitig aber „spielen“ lassen. Ohne Klaviatur, ohne musikalisches Grundwissen kann man so seinen eigenen Klangteppich bauen und den vom Algorithmus der Apps weiterverarbeiten lassen. Mensch und Maschine waren nie putziger und bunter. Oft genug sind diese Apps aber leider nur lauwarme Marketing-Maßnahmen: geladen, ausprobiert, vergessen. „Fantom“ von Massive Attack überrascht mit einem cleveren Konzept.

Zunächst veröffentlicht die Band aus Bristol auf diesem Wege vier neue Tracks: „Dead Editors“, „Ritual Spirit“, „Voodoo In My Blood“ und „Take It There“. Für letzteres scheint die Band erstmals seit langer Zeit wieder mit Tricky zusammengearbeitet zu haben; ein Blick auf die Credits belegt das. Die Stücke lassen sich in der App jedoch nicht komplett und in ihrer finalen Form anhören. „Fantom“ bietet Ausschnitte des neuen Materials, die Tracks wurden für die App speziell aufbereitet. Wie sie klingen, entscheiden die Nutzer der App. Der Bewegungssensor des iPhones beeinflusst das Stereobild der Musik. Je schneller und heftiger man sich bewegt, desto wilder geht es unter dem Kopfhörer zu. Wer eine Apple Watch besitzt, hat noch mehr „Remix“-Möglichkeiten. Die Daten des Pulsmessers der Smartwatch beeinflussen den Bass-Anteil der Tracks. Wer sich schnell bewegt, wessen Puls als schneller ist, bekommt mehr Sub.

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Dazu liefern beide Kameras des Telefons schwarz-weiß gefiltertes Videomaterial. Bild und manipulierter Sound können als Video gespeichert und geteilt werden. Was die Kameras, die während die App läuft immer aktiv sind, einfängt, soll übrigens auch Einfluss auf den Sound haben, genau wie die aktuelle Uhrzeit.

Der Ansatz von „Fantom“ scheint einfach und genial zugleich. Weil die Musik im Mittelpunkt stehen und die Interaktion praktisch automatisch geschieht. Kein endloses Klicken und Touchen à la Oldschool-Adventure, keine Gamification, zumindest nicht im klassischen Sinn. Vier sich immer wieder anders in die Ohren drückende Songs. Darauf muss man erstmal kommen.

Für „Fantom“ benötigt man mindestens ein iPhone 5s. Die App ist kostenlos und dürfte von Band und Entwickler-Team bald um neue Inhalte ergänzt werden. Ob daraus ein Album entsteht? Es sieht ganz danach aus. Und deshalb die gute Nachricht ganz zum Schluss: Die vier Tracks klingen ganz geil. Und wer kein mehr oder weniger aktuelles iPhone hat – auch eine Android-Version scheint nicht geplant zu sein – kann sich auf der Webseite einen ersten Eindruck verschaffen.

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