App der Woche: PruneBonsai-Pflege, meditativ gamifiziert
27.7.2015 • Kultur – Text: Thaddeus HerrmannManchmal wird einem alles zu viel. Da will man nur noch „den Kopf zumachen“. Prune, ein neues Spiel für iOS, ermöglicht genau das. Und den Kopf aufmachen will man danach nie wieder.
Bäume wachsen nicht in den Himmel. Diese hier schon. Das muss auch so sein.
Das letzte Spiel, mit dem ich mich auseinandergesetzt habe, war das wundervolle Monument Valley. Das hätte ich nicht mal spielen müssen. Den Sounds zuzuhören und dabei die Grafik des Startscreens des ersten Levels anzuschauen hätte vollkommen ausgereicht. Durchgespielt habe ich es doch. Und das, obwohl mir die zwei Dinge, die man für MV braucht – räumliches Vorstellungsvermögen und logisches Denken –, vollkommen abgehen. Bei Prune braucht man nicht mal das. Einfach nur ein wenig Geduld, Müßiggang und ein geschicktes Händchen an der virtuellen Gartenschere.
Genau darum geht es. Der Bonsai sprießt aus dem Boden und braucht beim Wachsen ein wenig Orientierungshilfe. Stamm und Äste winden sich dabei um Hindernisse herum. Das Ziel ist das Sonnenlicht, der Himmel. Denn erst dann blüht der Bonsai und das Level ist geschafft. Klingt einfach. Ist es auch. Auch wenn das Gameplay natürlich kontinuierlich komplexer wird und man die Bäume mit der Zeit nicht nur um die abstrakten Objekte steuern muss, sondern auch heftige Winde miteinbeziehen muss in die Kalkulation, welchen Ast man denn nun abschneidet, damit sich der andere weiter gen Himmel reckt. Gelingt es nicht, wird einfach von vorne angefangen.
Und man wünscht sich erstaunlich schnell, dass es einem nicht gelingt und eine extra Runde durch das Level absolviert werden muss. Prune darf nie enden. Dazu summt der Soundtrack zu sanft, dazu windet der Wind zu geheimnisvoll. Und wenn die Blüten aufgehen erklingt die Welt. Hier zeigt sich auch die Verbindung zu Monument Valley. Bei genau diesen Sounds sind sich beide Spiele sehr ähnlich, auch wenn die Soundtracks nicht unterschiedlicher sein könnten. Das Bindeglied ist die Atmosphäre. Und die ist bei Prune nur an der Oberfläche ein wenig düster. Es ist eine dieser Parabeln des Lebens. Was kommt, vergeht. Kaum springen die Knospen auf, weht der Wind sie auch schon wieder weg. Nothing lasts forever.
Ausgedacht hat sich das Spiel Joel McDonald, ein Programmierer, der die letzten Jahre vor allem an der Entstehung bekannter und erfolgreicher Shooter mitgearbeitet hat. Prune muss therapeutische Wirkung gehabt haben.