Im Hamsterrad des ErfolgsMano Le Tough über Jetset, Kanye West und Schweizer Wanderwege
30.10.2015 • Sounds – Interview & Fotos: Benedikt BentlerNiall Mannion alias Mano Le Tough spielt um die hundert Shows im Jahr und hat es mittlerweile in die Top Ten der DJ-Charts beim Resident Advisor geschafft. So richtig passt er aber gar nicht in diese Liste zwischen Kollegen wie Ben Klock, Ricardo Villalobos und Âme – zumindest erscheint es so, wenn man sein feinsinnig komponiertes und introvertiertes Album „Trails“ hört, dass dieser Tage bei Permanent Vacation erscheint und völlig ohne Dancefloor-Banger auskommt. Vielleicht ist aber genau das der Kontrast, den Mano Le Tough zwischen Jetset und völliger Ruhe in seiner neuen Wahlheimat Zürich lebt. Wir haben ihn zum Interview getroffen und über das Tourleben, eine ehrliche Platte und den Augenöffner EDM gesprochen.
Auf deiner neuen Platte gibt es den Song „Running In Constant Circles“. Worin besteht dieser konstante Kreis?
Jeder Tag ist wie ein Kreis, was nicht unbedingt eine gute Sache ist. Der eine hat einen Nine-to-Five-Job im Office, mein Kreis besteht aus Shows, Reisen und Musik. Es geht um dieses Gefühl des Kreislaufs und darum, sich innerhalb dessen seine eigene Realität zu schaffen.
Kann man aus diesem Hamsterrad ausbrechen?
Nein, nur wenn wir sterben. Man landet immer wieder in so einer Regelmäßigkeit, kann aber natürlich die Situation als solche verändern. Also was man in diesem Ablauf tut.
„Liebe ist entscheidend. Bei jedem Gig musst du etwas transportieren, etwas rüberbringen, den Leuten etwas geben, was hängenbleibt.“
Zum Beispiel durch einen Ortswechsel. Dein neues Album hast du in der Schweiz aufgenommen, wo du jetzt auch lebst. Hatte die neue Umgebung einen anderen Effekt auf deine Musik als dein Leben in Berlin?
Das weiß ich gar nicht. Alles passiert im Kopf und es ist ja nicht nur eine Frage des Ortes – es ist schon komplexer. Es geht darum, wo du im Leben stehst, mental. Der physische Ort mag eine Rolle spielen, aber die eigene Realität im Kopf ist entscheidend. Wenn ich unterwegs bin, arbeite ich ja auch an Ideen und Konzepten. Und gerade wenn du so viel reist wie ich, werden bestimmte Orte immer unwichtiger. Wenn du für zwei Jahre irgendwo hingehst, speziell um Musik zu machen, dann mag da eine sehr viel stärkere Verbindung zu dem Ort der Produktion entstehen. Aber der größte Einfluss des Ortes bestand für mich darin, dass ich mich richtig wohl gefühlt habe. Ich konnte meine Ideen genau verfolgen, war sehr konzentriert. In Zürich habe ich totale Ruhe.
Du produzierst zu Hause?
Ja. Das ganze Wohnzimmer ist schon voll mit Kram (lacht). Es kommt mehr und mehr Equipment dazu. Und dann noch Platten. Aber der Raum klingt wirklich toll. Das erleichtert die Arbeit enorm.
Lebst du in Zürich das komplette Gegenteil deines Tourlebens?
Ja, wobei mein Tourleben auch sehr geregelt ist. Ich trinke nicht viel Alkohol, wenn ich als DJ unterwegs bin – außer natürlich, wenn ich mal mit Freunden spiele. Aber in der Regel bin ich nüchtern. Wenn du einen harten Tourkalender hast, dann ist das einfach gesünder. Aber zu Hause ist es dann doch noch viel ruhiger. Ich mache Musik, höre Platten und bin viel draußen. Ich hab ja Wälder und Wanderwege vor der Haustür.
Es gab in diesem Jahr ja schon einige schöne House-Releases, zum Beispiel die Alben von George FitzGerald oder Bob Moses. Alle versuchen sich an starken Lyrics, an echten Aussagen – genau wie du. Ich glaube das ist etwas, das sich erst jetzt in der Dance- und House-Musik etabliert. Vor Jahren waren Lyrics nur Füller, irrelevant um was es inhaltlich ging. Gefällt dir diese Entwicklung?
Es ist schon eine coole Entwicklung, denn Leute haben auch in der Tanzmusik den Weg gefunden, sich über Lyrics auszudrücken. Elektronische Musik bekommt dadurch so eine Singer-Songwriter-Komponente.
Das schafft oft einen Kontrast zwischen Produktion und Vocals bzw. Lyrics. Bei dir ist das ja ähnlich, deine Stimme kreiert so eine Art Disharmonie, weil sie sehr roh bleibt und ohne viele Effekte auskommt. Das verschafft der Platte Ehrlichkeit.
Das war auch ein entscheidender Punkt. Es macht die Sache sehr persönlich. Ich bin ja nicht gerade der beste Sänger der Welt. Es wäre einfach, das mit ordentlich Reverb, Delay und ein paar harmonischen Effekten zu kaschieren. Aber ich glaube es ist besser, die Vocals so vorne stehen zu lassen, wie sie wirklich klingen. Es fühlt sich viel natürlicher an.
Wie schafft man es eigentlich in die Top 10 der DJ-Charts bei Resident Advisor?
Aussehen vielleicht (lacht)? Liebe ist entscheidend. Bei jedem Gig musst du etwas transportieren, etwas rüberbringen, den Leuten etwas geben, was hängenbleibt. Das ist alles, was ich sicher sagen kann. Aber ich denke da nicht weiter drüber nach, letztendlich ist es doch nur eine Umfrage im Internet. Trotzdem sind die RA-Charts eine gute Sache, denn ist es ein einfaches Voting. Nicht wie beim DJ-Mag, wo du erstmal Werbung schalten musst, um dich überhaupt für die Teilnahme zu qualifizieren (lacht).
Du hast ja auch diese größeren EDM-Festivals in den USA bespielt, in Miami zum Beispiel.
Das war nicht gut. Es war furchtbar (lacht). Aber ich war eh gerade in der Gegend und habe es mitgenommen.
Zumindest zahlen sie gut.
Auf jeden Fall.
„Kurz denkst du: Wow, Kanye ist ein Genie. Und dann auf einmal: No way man, das ist totaler Müll, ein riesiger Witz.“
Wie würdest du den Unterschied beschreiben zwischen der hiesigen Clubkultur und dem EDM dort? Du kennst ja immerhin beides.
Es ist das komplette Gegenteil. In Deutschland, besonders aber in Holland hast du so unglaublich viele Festivals mit so ausgezeichneter Musik, von Dekmantel bis DGTL. Dort wie hier erreichst du viele Leute, nur hier sind die Line-ups einfach viel besser. Mittlerweile gibt es die in Amerika zwar auch, gerade an der Westküste. Aber es ist trotzdem eine andere Kultur. Diese Clubkultur wie hier gibt es dort einfach nicht.
Viele Leute beschweren über dieses EDM-Ding.
Was hat das für einen Zweck? Es existiert. Das heißt ja nicht, dass man es hören muss. Es muss ja gar nicht Teil deiner Realität werden.
Ich habe kürzlich einen Artikel gelesen, in dem Musiker gefragt wurden, ob EDM ein Zugang zu besserer Musik sein kann. Wie siehst du das?
Auf jeden Fall. In den Neunzigern, als ich noch ein Kind war, da haben viele Leute Trance gehört – den totalen Müll. Aber dann sind sie dadurch später doch noch zu guter elektronischer Musik gekommen. Das passiert definitiv auch in den USA. Das ist ein Augenöffner. Es hört sich doch niemand ewig lang diesen Mist an.
Du kennst die Clubs hier sehr gut. Ich habe das Gefühl, dass inzwischen mittlerweile fast überall das Gleiche gespielt wird. Ein bestimmter Stil von House, mit prägnant-ikonischen Elementen, die immer funktionieren. Viele Künstler haben es sich in dieser kleinen House-Ecke gemütlich gemacht. Jeder mag das, aber irgendwie lahmt die Entwicklung.
Ich weiß nicht. Ich glaube schon, dass Musik sich permanent entwickelt. Klar gibt es immer diesen bestimmten Zeitgeist mit bestimmten Präferenzen, aber trotzdem geht es immer voran. Als ich damals nach Berlin gezogen bin, war die ganze Stadt auf Minimal unterwegs. Dann ist es in diesen Bongo-House übergegangen und schließlich in melodischen House. Aber die Leute werden sich immer irgendwann langweilen, deshalb muss es auch weitergehen.
Du selbst hast ja diese poppigen Elemente in der Musik. Interessierst du dich auch für Popmusik?
Für elektronische Indie-Sachen zum Teil, aber ich hab absolut keine Ahnung, was in den Top 40 los ist. Ich interessiere mich nur für dieses eine Ende der Popmusik. Das Album von Tame Impala zum Beispiel ist wirklich toll. Aber wenn es um Kanye West geht, bin ich raus. Wobei: Ich habe seinen Glastonbury-Auftritt im Fernsehen gesehen. Das war interessant. Und seltsam. Kurz denkst du: Wow, Kanye ist ein Genie. Und dann auf einmal: No way man, das ist totaler Müll, ein riesiger Witz. Es schwankt immer zwischen diesen beiden Extremen. Es ist ein seltsames Talent, mit dem was du tust, so polarisieren zu können. Kanye hat ein riesiges Ego und glaubt selbst so sehr, an das was er tut, dass dich das bis zu einem bestimmten Punkt einfach mitreißt. Und dann ist es ganz plötzlich vorbei.