Carsten Aermes aka Phon.o ist nicht nur ein sympathischer Wahlberliner mit dem Herz am rechten Fleck, sondern gehört auch zu den fortschrittlichsten Produzenten aus unseren Landen. Glücklicherweise ließ sein knackevoller Terminplan doch noch ein wenig Platz für ein exklusives Filter Tape, das mit noisigem Techno vorwärts stampft, gleichzeitig viel Raum für sphärische Klänge, Melodien und Chords lässt, aber ganz schnell wieder zurück zu deepen, straighten Bässen findet. Phon.o veröffentlicht aktuell auf 50 Weapons, einem der beiden Labels der Berliner Duos Modeselektor.
Lieber Carsten, vielen Dank für den Mix. Es war offenbar nicht ganz einfach, Zeit dafür bei dir freizuschaufeln. Was treibst du im Moment so?
Ich versuche aktuell, so viel Zeit wie möglich im Studio zu verbringen und an neuen Songs zu arbeiten. Nebenbei kümmere ich mich um die Entwicklung einer Software für Visuals, die es ermöglichen soll, mit dem Publikum während der Show zu interagieren. Dafür habe ich mit meinem Hacker-Team sogar den Jurypreis des Berlin MusicHackDay zur Berlin Music Week bekommen. Leider hab ich aber auch einen echt nervigen, komplizierten Umzug an der Backe der das ganze ziemlich torpediert.
Wenn du als Künstler unterwegs bist: vor allem mit deiner eigenen Musik als Live-Act oder als DJ?
Außerhalb Berlins werde ich meistens als Live-Act gebucht. Das Verhältnis liegt irgendwo bei 70/30. In Berlin versuche ich das bewusst zu vermeiden und lege deshalb meist auf.
Wenn du das überhaupt beantworten kannst: Was ist schöner?
Das ist wirklich eine schwere Frage. Ich mag beides mehr oder minder gleichermaßen. Man kann das nicht vergleichen. Das Schöne am Auflegen ist, dass man über eine längere Zeit eine Geschichte erzählen kann und es viel mehr Möglichkeiten gibt, auf die Leute einzugehen. Ein Live-Set ist intensiver und ich muss 75 Minuten voll konzentriert spielen. Aber natürlich ist es am schönsten zu sehen, wenn das Publikum zu 100% Phon.o und somit zu meinem Live-Act abgeht.
Das ist wirklich ein toller Moment und es kann schon süchtig machen.
Dein Filter Tape ist ziemlich offenherzig auf die 12, allerdings mit genau den subtilen Details und vor allem Melodien, die auch deine eigenen Tracks auszeichnen. Kannst du den für dich perfekten Club-Sound beschreiben? Welche Schnittstellen müssen bedient werden, was muss zusammenkommen, damit es funktioniert?
So auf die 12 sehe ich den gar nicht. Aber klar: Er ist schon recht clubbig und auch dreckig. In meinen Augen hat er aber auch genug Up and Downs. Womit wir auch beim Thema wären. Für mich muss guter Club-Sound eine gute Dramaturgie besitzen, musikalisch unterhalten und überraschen. Persönlich kann ich schon seit vielen Jahren nicht mehr nur ein Style spielen oder anderen dabei zuhören. Das macht das Ganze natürlich etwas schwieriger als nur gerade 4/4 Tracks zu mixen und zu spielen. Auch das Kombinieren von melodiösen Songs macht es wegen der unterschiedlichen Harmonien nicht gerade einfacher. Wichtig ist, dass man die Crowd nicht über- oder auch unterfordert und verwirrt. Am Ende sollte ein guter Mix gleichermaßen in die Beine sowie ins Herz gehen und die Leute auf eine Reise schicken.
Wie ist das bei deiner eigenen Musik? Meinem Empfinden nach hast du deine Produktionen in den letzten Jahren sehr bewusst in eine bestimmte Richtung gedreht. Es muss groß sein und groß klingen, einen physisch umhauen und umwerfen. Das ist interessant, weil der big room ja normalerweise eher etwas für small brains ist. Deine Tracks sind aber auch immer wie ein lexikalischer Eintrag zu etwas Wichtigem, zu Geschichten, die unbedingt neu erzählt werden müssen. Worum geht es dir, wenn du im Studio bist und was ist dir besonders wichtig?
Ha! Ich hab überhaupt nicht den big room vor Augen wenn ich Musik mache. In erster Linie möchte ich beim Sounddesign nur, dass man in dem Sound „baden“ bzw. eintauchen kann. Das macht es vielleicht so „big“. Ich versuche auch fast immer, statt Tracks Songs zu kreieren. Das ist sehr wichtig für mich, weil ein Song immer eine Geschichte erzählen kann und ich dadurch die Chance hab, mehrere Ebenen zu entwickeln und auch mehr Emotionen zu wecken. Genau wie bei einem DJ-Mix hab ich den Anspruch, dass meine Musik in die Beine und ins Herz gehen soll. Im besten Falle kann man meine Songs zu Hause und auch im Club hören.
„Wenn meine Musik farbig wäre, dann wäre sie ein warmes Grau.“
Warum? Was fasziniert dich an dieser Stimmung?
Ein warmes Grau besteht aus förmlich allen Farben und widerspiegelt auch meinen Hang zum Layern und Texturieren von Sounds und Melodien.
Ein warmes Grau ist ein großartiger Matsch aus allem und immer angenehm.
Ein paar Sätze zum Mix. Der ja auch eine sehr britische Angelegenheit ist, mit Berliner Einsprengselungen.
Mein Mix ist eine für mich typische Melange aus UK-Sounds und Berlin-Techno-Referenzen. Ich denke man kann ganz gut die letzten 20 Jahre an elektronischer Clubmusik heraushören und meinen Hang zu verschieden Rhythmen, Melodien und Stimmungen. Es ist nie leicht, einen clubbigen Mix zu Haus zu mixen, denn es fehlt ja die Crowd, der physische Druck einer dicken Anlage usw. Auch neigt man schnell zu einem viel analytischeren Mix, weil man ja die Zeit hat, alles aufeinander abzustimmen. Deshalb versuche ich einen Mix immer schnell und in einem Rutsch aufzunehmen und mir vorzustellen, ich wäre gerade in einem Club. Am besten funktioniert das immer abends in einer recht dunklen Atmosphäre.
Was kommt von dir als nächstes?
Als nächstes kommen recht verschiedene Sachen. Es sind drei verschiedene Projekte bzw. Features (weil zum Teil mit Vocals). Aber das Ganze ist erst zu 75% fertig und deshalb kann ich noch nicht mehr verraten. Ich werde aber auch meine Liebe zu darken Bangern ausleben. Aber erstmal muss ich all meine Baustellen fertigstellen.
##Tracklist
Phon.o - Moonwalk (50Weapons)
Acre - Symbols (-)
Dark Sky - Voyages (Monkeytown)
Midland - Safi (Autonomous Africa)
Scntst - Totally Together (Boysnoize Rec.)
Customer - Hunderpantsie (Whistleblower Rec.)
Head High - Megatrap (Mix Mix) (Power House)
Airhead - Macondo (Hemlock)
Jaona - Midnight Drummer (Clubwerks)
Hybrid Theory - Raw Sex (Formula)
Throwing Snow - Sanctum (Sneaker Social Club)
Robert Hood – Rhythm of Vison (Metric System remix) (Trope)
Phon.o - Go (50Weapons)
Scntst - Ghetto Youth (Boysnoize Rec.)
Martyn - Forgiveness Step 3 (Ninja Tune)
SBTRKT - Hold On (Sisi Bakbak RMX) (Young Turks)
Alex Banks - Be The One (Monkeytown)
Phon.o - Defrost (50Weapons)