Filter Tapes 007„Ein Tag im Leben“ von Quarion
28.6.2014 • Sounds – Interview: Ji-Hun Kim, Illustration: Tim JolasUnser neues Filter Tape mit der Nummer 7 stammt von Quarion (Yanneck Salvo). Der aus Genf stammende Musiker, Produzent und DJ lebt seit vielen Jahren in Berlin. Als Quarion veröffentlicht Yanneck seit 2006 auf Labels wie Drumpoet Community oder seinem eigenen Label Retreat, das er gemeinsam mit Hauke Freer von Session Victim betreibt. Im Frühjahr erschien seine aktuelle EP Sunday Night. Der Titeltrack ist bislang einer der erhabendsten House-Nummern des Jahres. In seinem exklusiven Mix für Das Filter zeigt uns Yanneck seine wichtigen musikalischen Einflüsse. Von HipHop über Jazz bis hin zu House. Wir trafen ihn und sprachen über die Idee des Mix, traumatische Saxophon-Erinnerungen und Techno im fortgeschrittenen Alter.
Hi, na?
Was war die Idee deines Filter Tapes?
Die Idee war eine Art „The Day in the Life“ zusammen zu stellen. Also ein Mix mit Musik, die ich im Laufe eines Tages höre und die mich beschäftigt. Ich habe mein Studio zu Hause, daher verbringe ich viel Zeit dort. Am Ende des Mix kommen einige House-Stücke, da House für mich als Produzent und DJ eine wichtige Rolle spielt. Da ich mit meiner Freundin zusammen lebe und sie natürlich auch Musik hört, habe ich ein Stück von Connan Mockasin mit drauf getan. Ich habe die Band über sie kennen gelernt. Sie hatte die Platte, hat mich auf ein Konzert geschleppt und seitdem bin ich großer Fan.
Es ist aber auch viel Jazz und HipHop dabei.
Ja. HipHop war und ist immer noch die Musik, die ich am meisten höre. Ich liebe einfach diesen Sound wie den von Madlib oder The Alchemist. Da mag ich mit meinem Geschmack zurück geblieben wirken, aber diese Art und Weise mit Samples zu arbeiten, beeindruckt mich noch immer. Ich mag auch die ganzen kleinen Interludes, Intros und Skits bei HipHop-Alben. Dieses Spielerische.
Ist Madlib eigentlich der Beste?
Schwierig. Aber vielleicht ja. Ein DJ Premier ist ohne Frage einer der Größten, wobei mich die aktuellen Produktionen nicht begeistern. J Dilla muss man auch nennen. Aber Madlib ist noch immer so produktiv und konstant gut. Der wäre wahrscheinlich mein Favorit.
Und deine Liebe zum Jazz?
Jazz war die logische Konsequenz von HipHop. Viele Samples basierten auf alten Blue Note-Platten oder ähnlichem Jazz. HipHop hab ich als Junge zuerst gehört, bin aber dann auf die Suche gegangen. Wo haben die Samples ihren Ursprung? Die Samples, die mir am besten gefielen kamen häufig von Jazz-Platten. Später als Teenager habe ich Saxophon gespielt, da habe ich mich auch mit Jazz auseinandergesetzt. Mein momentaner Liebling ist wohl Wayne Shorter. Seine Kompositionen sind außergewöhnlich. So wie er zwischen Dur und Moll wechseln kann, die Tonarten auch vermischt. Das klingt immer ein bisschen anders als das, was man sonst kennt. Im Kern steh ich auf Jazz der 60er bis Mitte der 70er.
Wenn wir eine Band gründen würden, spielst du dann Saxophon?
Nee, ich hab da wirklich kein Bock mehr drauf. Seit fünf Jahren hab ich mein Saxophon nicht mehr angerührt. Ich habe so lange in meinem Leben gespielt, ich ertrag den Klang des Instruments einfach nicht mehr. Zumal ich Alt-Saxophon gespielt habe. Das klang irgendwann echt grauselig.
Als Produzent samplest du im Moment aber ziemlich wenig.
Das stimmt. Früher habe ich mehr gesamplet. Ich versuche mittlerweile aber eigenständiger zu arbeiten. Manchmal überkommt mich die Lust, dann sample ich was. Aber ich finde Samples als Hauptelement eines Tracks gerade ein bisschen langweilig. Ich verwende die dann eher im Hintergrund. Als Drumsounds beispielsweise.
Wie gehst du dann deine Tracks an?
Die letzten Jahre über hatte ich das Gefühl, mir eine Art eigenen Käfig gebaut zu haben. Es gibt irgendwann Routinen, ein Regelwerk, das man sich selbst geschaffen hat. Das Sampling hat damals eine wichtige Rolle gespielt. Das fährt sich irgendwann fest. Also habe ich versucht, mich von all dem zu befreien. Manchmal überkommen einen noch die antrainierten Reflexe (lacht). Ich glaube aber, dass das ganz gut geklappt hat.
##Techno, oder was?
Du bleibst aber bei House.
Letztens spielte ich mit Session Victim und Iron Curtis in Paris. Johannes (Iron Curtis) und ich haben zusammen back to back aufgelegt und irgendwie kam ein lupenreines Techno-Set dabei raus. Das hat sich einfach so ergeben. Ich fand’s super! Währenddessen mussten wir uns anschauen, ich fragte Johannes: „Wie jetzt, spielen wir hier jetzt Techno, oder was?!“ Worauf er antwortete: „Naja, jetzt sind wir alt genug!“ Aber irgendwas stimmt daran. Das sieht man bei vielen Leuten. DJ Deep bspw. hat früher käsigen Deephouse gespielt. Heute, im fortgeschrittenen Alter, brettert der Techno. Wobei es gerade ja auch einen kleinen Hype um Techno gibt. Irgendwie wollen alle wieder hart.
Ich hör mir gerade auch gerne dreckige Sachen aus Holland an.
Echt? Da schau!
Wie kann man denn bitte alt genug für Techno werden?
Weiß ich nicht. Früher war das irgendwie umgekehrt, da haben die Kids Techno gehört. Ich halte von diesen Trends aber wenig. Weil jetzt ist die Zeit, gute House-Musik zu produzieren. Auch weil das typische Deephouse-Ding durchgenudelt ist und viele auf einmal Richtung Techno schielen. Ich habe die letzte Zeit über so viel krasses Zeug entdeckt. Die aktuellen bzw. kommenden Sachen von Genius of Time, ob zusammen oder solo. Die sind großartig. Ich merke aber auch, dass meine Produktionen und Remixe Synthesizer-lastiger werden. Für Chopstick & Johnjon habe ich gerade einen Remix angefertigt, der fängt traditionell housig an und später wird das irgendwie Jeff Mills-mäßig. Ich find den Remix sehr speziell. Das beschäftigt mich scheinbar.
Dein Label Retreat, das du gemeinsam mit Hauke Freer (Session Victim) betreibst, hat dieses Jahr Fünfjähriges gefeiert.
Dieses Jahr war wichtig. Die Compilation, die wir herausgebracht haben, hat super funktioniert. Die gemeinsame Tour hat mir auch viel Spaß gemacht. Einfach mit Hauke und Matze unterwegs zu sein und zusammen zu spielen, war wieder toll. Seitdem es auch mit Session Victim so gut läuft, sehen wir uns immer seltener. Mich freut die Entwicklung, die die beiden gemacht haben. So professionell zu werden und noch immer diese Leidenschaft an den Tag zu legen. Das sieht man selten. Viele andere Musiker, die erfolgreich werden, wirken irgendwann abgestumpft. Mit Retreat machen wir dieses Jahr vielleicht noch eine Platte. Es ist ja nicht unser Hauptprojekt, aber eine große Leidenschaft.
Euer Label veröffentlicht weiterhin nur auf Schallplatte. Wieso?
Damals war das eine Reaktion, da wir das Gefühl hatten, dass mit Beatport und so die Musik beliebig geworden ist. Wir wollten Musik machen, die das Medium Vinyl auch verdient hat. Auch weil da mehr Zeit und Geld drin steckt. Es ging uns auch um Wertschätzung. Wir wollten einen direkteren Bezug zu DJs herstellen. Eine Mail mit tausend Adressen und Downloadlink war uns zu unpersönlich. Da wir aber fürs Erste keine Alben planen, halten wir an unserer Idee fest. Es hat die letzten fünf Jahre ja auch gut funktioniert.
Tracklist
• Arthur Verocai - Caboclo - Kindred Spirits/Warner
• Wayne Shorter - El Gaucho - Blue Note
• Bennie Maupin - Quasar - Mercury
• Madvillain - Space Ho's Coast To Coast - Stones Throw
• The Hints - Jupiter - Unreleased
• Todd Terje - Preben Goes To Acapulco - Olsen
• Jeru the Damaja - Brooklyn Took It - Payday
• Keith Murray - The Rhyme (The Slum Village Instrumental) - Jive
• Quarion - The Shore Of Our Subconscious - Unreleased
• Freddie Gibbs - Bomb Feat. Raekwon - Madlib Invazion
• Step Brothers - See The Rich Man Play Feat. Roc Marciano - Rhymesayers
• Connan Mockasin - I'm The Man, That Will Find You - Phantasy
• Tiny Hearts - Centerfold - Dirt Tech Reck
• Loose Ends - What Goes Around - MCA
• Lawrence - Lucifer - Dial
• The Smoke Clears - Trace - Further
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