Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Streaming-Bootlegs
Ob in der analogen oder der digitalen Welt: Lug und Betrug sind immer derselbe. Stichwort Musik-Streaming: Die Anbieter kämpfen immer wieder mit illegal hochgeladenen Tracks bekannter Musikerinnen und Musiker – und brauchen oft lange, um diese Aufnahmen wieder von den Plattformen zu entfernen, oft so lange, das bereits reichlich Tantieme geflossen sind. Was früher die Produktion eines Bootlegs war, den man für viel Geld auf dem Flohmarkt kaufen konnte, ist heute nur ein paar Klicks weit weg – für alle Beteiligten. Das Problem ist ein Stück weit hausgemacht: Es gibt keine einheitlichen Standards für Metadaten, die Informationen also, die in die Files eingebettet werden und alle wichtigen Informationen enthalten, um Musik eindeutig identifizieren zu können. Und weil so ein File oft durch viele Hände, bzw. Server geht, bis wir es dann hören können, ist eine gewisse Fehlerquote unvermeidbar. In die Röhre gucken die Urheber*innen. Wieder mal. Noah Yoo hat für Pitchfork recherchiert.
“When there’s a million gallons of water and a two-foot pipe for all of that water to come through, people start to figure out another way through.”
How Artist Imposters and Fake Songs Sneak Onto Streaming Services
Ich bin kein Hippie, aber ...
Richie Hawtin zählt zu den DJs, die sich schon recht früh mit dem Thema Fliegen – ständig genutztes Fortbewegungsmittel der Zunft – und Klimaschutz auseinander gesetzt haben, die CO2-Emissionen kompensiert er seit vielen Jahren. Dass das nicht reicht, ist ihm aber auch klar. Und dass sich die ganze Branche ändern muss, erst recht. Im Gespräch mit der taz geht es um Kolleg*innen, die an Veganismus interessiert sind, aber ihr Flugverhalten nicht reflektieren. Um eine Partyszene, in der der lokale Club und die in anderen gesellschaftlichen Bereichen en vogue gewordene Regionalität seiner Meinung nach keine Rolle spielen – und was man von Detroit lernen könnte.
„Bei Rockbands ist das früher anders gewesen, sie veröffentlichten Alben und gingen damit danach auf Tour, meist so, dass die Wege zwischen den Konzerten kurz waren. Für DJs gilt: Heute London, morgen Tokio, übermorgen New York. Das ist nicht nur normal, sondern auch cool. Fans lieben es, wenn solche Routen auf Instagram gepostet werden.“
Bewusster Oktopus
Meeresbiologen haben für viele Jahrzehnte den Oktopus unterschätzt. Man hielt ihn für ein Weichtier wie Muscheln oder Meeresschnecken. Mittlerweile ist aber klar, dass Oktopusse zu den klügsten Lebewesen überhaupt zählen. Ihre Intelligenz erstaunt Forscher bei näherer Betrachtung immer mehr, zugleich stellen sie fest, dass sie mit der Art und Weise wie Wirbeltiere denken nur wenig zu tun hat. Michael S. A. Graziano ist Professor für Neurowissenschaften und Psychologie und beschäftigt sich mit der Evolutionstheorie des Bewusstseins. Kann man das menschliche Bewusstsein und das Bewusstsein eines Oktopus in Vergleich setzen? Sein Text „An Alien Among Us“ ist ein Auszug aus seinem Buch „Rethinking Consciousness“.
Octopuses, squid, and cuttlefish are true aliens with respect to us. No other intelligent animal is as far from us on the tree of life. They show us that big-brained smartness is not a one-off event, because it evolved independently at least twice—first among the vertebrates and then again among the invertebrates.
Deutschlands CO2-Budget
Dass das Klimapaket, welches die Bundesregierung in einer Nachtsitzung am Tag des Klimastreiks letzte Woche zusammengeschustert hat, aus Sicht eines ernsthaften Klimaschutzvorhabens ein Witz ist, war schnell klar. Viel höher hätte die CO2-Besteuerung angesetzt werden müssen, viel konkreter und ambitionierter hätte der Zeitplan angelegt werden müssen. Das Klimapaket sei gar ein bewusster Bruch mit den eigenen Klimazielen der Bundesregierung im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015. Um das nachvollziehen zu können, lohnt sich ein erneuter Blick auf diesen Artikel aus dem März. Klimatologe Stefan Rahmstorf legt darin dar, wie groß das verbleibende CO2-Budget des Landes noch ist, um die eigenen Versprechen zur Emissionsverminderung einhalten zu können. Die Korrektheit seiner Analyse ist kurz nach Veröffentlichtung sogar vom Bundesumweltministerium bestätigt worden.
Vergleicht man die Taten und Pläne der Bundesregierung mit dem, was zur Umsetzung der Paris-Ziele nötig wäre, fragt man sich: hat die Politik die grundlegenden Fakten überhaupt verstanden?