Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Gin küsst Basilikum
Jedes Jahr finden zahlreiche Cocktail-Wettbewerbe der großen und kleinen Spirituosenmarken statt, oft mit der Idee, einen so genannten „signature drink“ zu finden – einen, den man mit der Marke/Spirituose assoziiert. Das klappt manchmal. Viel seltener klappt es jedoch, einen Klassiker zu erschaffen wie den Old Fashioned, den Negroni oder den Cosmopolitan – allesamt alte Drinks. Im 21. Jahrhundert hat es bislang einmal geklappt, ohne Cocktail-Wettbewerb: Jörg Meyer, Bartender aus Hamburg, und Hariolf Sproll, Bartender aus Ulm, experimentieren zeitgleich (2008) und unabhängig voneinander mit Gin und Basilikum, erfinden quasi parallel den selben Drink. Wie es oft bei großen Erfindungen ist: Zwei kommen zugleich auf den Gedanken, aber nur einer wird mit ihr assoziiert. Wie dem auch sei: Dem Gin Basil Smash ist's egal, er hat sein eigenes Leben wie jeder Drink, und Basilikum wird heute rund um die Welt im Gin gemuddelt. Ein moderner Klassiker.
Essenziell für ein Gelingen ist allerdings der Umgang mit dem Basilikum. „Wir packen eine ganze Handvoll in den Shaker, allerdings mit den Stielen, das ist wichtig für die Farbgebung. Es darf auch nicht zu intensiv gemuddelt werden. Sonst wird die Farbe zu grasgrün und der Drink wird mosig-muffig, daran erkennt man schon im Augenschein einen funktionierenden oder nicht funktionierenden Versuch“, sagt Meyer.
30 Minuten pendeln
Die Geschichte der Stadtentwicklung ist seit jeher auch eine Geschichte des Pendelns. Die klassische Pendeldauer von 30 Minuten ist dabei eine bemerkenswerte Konstante. Schon das alte Rom hatte ziemlich genau die Ausmaße, die eine Durchquerung zu Fuß in rund 30 Minuten so gerade noch möglich machten. Die Entwicklung neuer Transportmittel erhöhte die Geschwindigkeit der Pendler. Mit den Eisenbahnverbindungen entstanden die „railroad suburbs“ – von wo aus der Weg in die Stadt wieder rund eine halbe Stunde dauerte. Das Citylab hat sich mit der historischen Bedeutung dieser 30 Minuten auseinandergesetzt und einen kurzweiligen interessanten Longread dazu veröffentlicht.
Steam trains couldn’t stop very frequently, because of their slow acceleration, and they were comparatively expensive. But once in motion, they could move passengers at an unprecedented rate: 10 miles or more in a half-hour. Instead of gradually extending the city, they created little villages around their stations a couple miles apart—railroad suburbs.
Klimakiller E-Scooter
Vielen sind die Elektroroller einfach nur lästig. Weil sie in den Städten achtlos zurückgelassen werden, die Bürgersteige blockieren und bei einer vorbeifahrenden Tram durch die verursachten Vibrationen ihren Alarm anschalten. Aber auch das Versprechen, die Roller seien eine klimafreundliche Fortbewegungsalternative, scheint immer weniger haltbar. Dafür spricht eine Studie, die an der State University in North Carolina durchgeführt wurde und den US-amerikansichen Markt untersucht hat. Die Ergebnisse sind erschreckend. Die Elektroroller haben nicht nur einen amtlichen CO2-Fußabdruck auf der Habenseite, wenn sie aus den chinesischen Fabriken in den USA ankommen. Auch die geringe Lebensdauer trägt genauso wenig zum Klimaschutz bei, wie die Tatsache, dass sie nachts mit LKWs von Juicern eingesammelt, aufgeladen und morgens wieder in den Städten verteilt werden. Die Untersuchung belegt vor allem, dass viele Nutzer*innen früher mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs waren, und mit den E-Scootern in den Emmissionsausstoß einsteigen. Die Forscher kommen unter anderem zu dem Schluss, dass es umweltfreundlicher ist, mit dem Bus zu fahren, als mit dem E-Scooter, selbst dann, wenn der ÖPNV mit Diesel betrieben wird. Auf heise.de wird die Studie zusammengefasst.
In gut zwei Dritteln aller Fälle generieren E-Scooter mehr Klimagase als ihre Alternativen. Und diese erhöhten Emissionen sind größer als diejenigen, die durch unterlassene Autofahrten eingespart wurden.
Reportagereise durch Brandenburg
Passend zur Wahl in Brandenburg heute reist in diesem Text Lennart Laberenz durch eben jenes Bundesland. Es geht nach Blankenfelde, Cottbus, Herzberg, Potsdam und Neuruppin. Er spricht mit einem Bürgermeister, einer SPD-Politikerin, einer Mitarbeiterin einer Stadtverwaltung, mit gut situierten Rentnern und mit einer Alleinerziehenden. Menschen, mit brüchigen Biografien – ob durch die Wende oder den Wandel in der Nachwendezeit. Die Beobachtung: Eine Idee von Politik löst sich allmählich auf – es geht weniger ums Zuhören, als ums Rechthaben, um Empörung und Konfrontation.
Müssten sich den DDR-Kritikern von 1989 nicht die Fußnägel aufrollen beim AfD-Personal, das ja größtenteils aus Westdeutschland kommt und jetzt über Marktplätze „Vollende die Wende“ blökt?