Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Ausweg aus dem Selfie-Dilemma
Das Internet und Soziale Medien haben den Menschen mittlerweile mehr in der Hand als den meisten recht sein dürfte. Selfie-Wahnsinn, Liveticker, Schlaf tracken, Instagram-Food – es gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht von vernetzten Medien und Technologien durchdrungen ist. James McWilliams hat für The American Scholar zu dem Thema den spannenden Artikel „Saving the Self in The Age Of Selfies“ geschrieben. Hier wird erklärt, wieso wir mittlerweile das Smartphone morgens noch vor der Zahnbürste in der Hand halten. Der Autor spannt einen theoretischen Bogen von Sokrates, über Martin Heidegger, Jaron Lanier bis hin zu David Foster Wallace. Es gibt laut McWilliams unterdessen nur einen Weg, aus der Digitalhölle wieder rauszukommen: So wie wir das menschliche Leben digitalisiert haben, müssen wir nun anfangen das digitale Leben zu vermenschlichen.
The underlying concern with the Internet is not whether it will fragment our attention spans or mold our minds to the bit-work of modernity. In the end, it will likely do both.
##Tim Cook über FBI, Verschlüsselung und Donald Trump
Apple war in den vergangenen Wochen ausnahmsweise nicht nur dank neuer Produkte und überwältigenden Geschäftsberichten in den Schlagzeilen. Die öffentliche Auseinandersetzung mit dem FBI bezüglich der Entschlüsselung des San-Bernadino-iPhones hat die Themen Sicherheit und Encryption medienwirksam wieder aufs Tapet gebracht. Edward Snowden hat den Konflikt auf seinem Twitter-Account zu einem seiner Hauptthemen auserkoren während Donald Trump gleich zum Boykott aller Apple-Produkte aufrief. Die TIME-Autoren Nancy Gibbs und Lev Grossman sprachen mit Apple-CEO Tim Cook über diese Themen. Das Interview wird Titelstory der morgigen TIME-Ausgabe sein. Online gibt es bereits eine ungekürzte Transkription des Gesprächs.
„I don’t own encryption, Apple doesn’t own encryption. Encryption, as you know, is everywhere. In fact some of encryption is funded by our government.“
##Hardcorepunkhouse
Es kommt immer auch die Perspektive an. Chicago steht für ganz unterschiedliche Musikrichtungen. Da ist natürlich House, geschätzt und verehrt, die große Tradition der Tanzmusik. Aber was ist mit Menschen wie Steve Albini und seiner Band Big Black, was ist mit dem Punk und Hardcore der frühen 1980er-Jahre? Und wie hängen diese Szenen zusammen, wenn überhaupt? Woher kamen die Einflüsse, wer legte wen übers Knie, redete mit wem worüber am Tresen von Wax Trax!, dem einzig ernstzunehmenden Plattenladen der Stadt? Welche Alben kursierten und welche Sounds prägten der Stadt eine Identität ein, die die Transformation von Hardcore zu House ermöglichte. Es geschah 1984. Sagt Michaelangelo Matos, der für Pitchfork dieses Jahr als epochalen Wendepunkt in der Musikgeschichte der „Windy City“ ausgemacht hat. Ein lesenswertes Stück über die Stadt und ihre Menschen, die uns heute mit hyperaktiv-verkifftem Footwork verzaubert.
„It's that shit you be playing down at the Warehouse.”
Yearbook: The Chicago House and Hardcore Revolutions of 1984
Visa Vie über Deutschrap/Sexismus
Sexismus in der Techno-Szene haben wir bereits einige Male thematisiert, zum Beispiel in den Interviews mit Clara Moto oder Helena Hauff. Noch schwerer haben es Frauen aber unbestreitbar im Rap- und HipHop-Business. Einer Musik, die strukturell wie inhaltlich tiefer von Sexismus und Frauenverachtung durchzogen ist, als jede andere – der Schrägstrich in der Headline hat daher seine Berechtigung. Ein Lied davon singen kann Visa Vie und tut es auch: ausführlich im Interview mit Broadly. Mit ihren Interviews für 16Bars ist die Moderatorin zur gefragtesten HipHop-Journalistin Deutschlands geworden. Von 16Bars hat sie sich mittlerweile befreit und führt ihre Interviews nun auf ihrem eigenen Youtube-Channel und beim Radiosender Fritz. Manches ändert sich eben, andere Dinge scheinbar nie. Zum Beispiel die Kommentare über den „geilen Arsch“ und „hübsche Titten“ mit denen sie sich traurigerweise auch nach so vielen Jahren noch herumschlagen muss. Besserung in Sicht?
„Ich glaube, Nein. Natürlich finden mehr Frauen statt, weil sich vielleicht auch mehr Medien trauen, das auszuprobieren. Aber an der Tatsache an sich, was die Reaktionen darauf sind und wie sowohl die Konsumenten und Rapfans, als auch die Künstler damit umgehen, hat sich nichts geändert. Man ist wie Frischfleisch und der Sache komplett ausgeliefert.“
„Ich möchte keine ‚geile Sau‘ sein“: Visa Vie über Sexismus im Deutschrap