Leseliste 06. Oktober 2019 – andere Medien, andere ThemenMediatheken, Wachstumszwang, Deutschland 2025 und Greta-Marketing

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

ARD, ZDF, Online

Es gab eine Zeit, da liefen populäre Serien ausschließlich in ARD und ZDF. Mit dem Sendestart der privaten Sender verloren die Öffentlich-Rechtlichen schnell das Interesse an den vornehmlich US-amerikanischen Formaten und produzierten neben Freitag-Krimis nur noch eigene Soaps. Heute sind die Mediatheken der gebührenfinanzierten Sender zwar erfolgreich – gegen Netflix, Amazon und Co. haben sie, was Serien angeht, aber immer noch wenig zu bieten – zu wenig. Dazu kommt, dass jeder Sender in der ARD seine eigene Mediathek betreibt – ein Totschlag-Argument für verwöhnte User*innen, von denen nicht wenige die Berechtigung des Rundfunkbeitrags immer noch infrage stellen. Der Programmdirektor des NDR, Frank Beckmann, geht nun mit einer Initiative zusammen. Mediatheken zusammenlegen, UX auf das Niveau von Netflix hieven, und: mehr Geld in Serien investieren, die vornehmlich für den nicht-linearen Konsum, also für online produziert werden. 20 Millionen Euro will die ARD dafür 2020 in die Hand nehmen. Von Science Fiction und Fantasy ist die Rede. Über diesen Etat können sich die Streaming-Anbieter natürlich nur totlachen, denen den Markt zu überlassen, will man sich in der ARD dennoch nicht vorstellen. Gut so.

„Im Vordergrund steht bei der Serienoffensive erstmals der Erfolg unserer Mediathek, nicht der des linearen Programms.“

"Können nicht Konkurrenz beklagen und uns klein machen"

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Wachstumszwang

Rendite, Rendite, Rendite – dank Wachstum. Das ist, was unser Wirtschaftssystem am Laufen hält. Und leider lässt sich dagegen wenig tun, denn für den einzelnen Akteur, also das einzelne Unternehmen, ist ein Ausstieg aus dem Wachstum faktisch nicht möglich, sondern unmittelbar existenzbedrohend. Die Postwachstumsökonomie, von der seit Jahren geredet wird, bleibt nach wie vor graue Theorie oder auch: Utopie. Dabei wäre es bitter nötig, etwas zu ändern – nicht nur im Sinne der Umwelt. Warum Veränderung so schwer ist, „Maßhalten“ unmöglich erscheint, und was sich demgegenüber trotzdem tun ließe, erklärt der Ökonom Mathias Binswanger in brand eins.

Wenn die Mehrheit der Menschen Verzicht übte, dann wäre das gefährlich für die kapitalistische Wirtschaft. Doch diese Gefahr existiert nicht: Der Konsum wächst auch in den reichsten Ländern mit schöner Regelmäßigkeit von Jahr zu Jahr weiter.

„Das System funktioniert nur, wenn wir weiterwachsen — ob wir wollen oder nicht.“

AfD-Deutschland 2025

Die AfD gehört in Deutschland mittlerweile zu den stärksten Parteien. Das haben die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg manifestiert. Und noch immer gibt es diejenigen, die die rechten Inhalte der Partei klein reden, dass es eh nur ein temporäres Phänomen wäre oder fest davon ausgehen, dass so eine Partei so oder so nie an die Macht kommen würde. Wie ein Zukunftsszenario allerdings aussehen könnte, beschreibt Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit für die taz. Denn für Totalitarismus reichen 33 Prozent.

Im ZDF versucht Claus Kleber seinen Zuschauern zu erklären, dass die neue Regierung künftig offen gegen die stärkste Partei regieren wird. Die Demokratie kämpft mit dem Problem, nicht dem Willen der stimmenmäßig stärksten Partei zu folgen. Die Partei, die auf demokratischem Weg 33 Prozent der Stimmen erzielte, wird nicht den Bundeskanzler stellen. Für die nüchterne Demokratin ist das kein Drama. Aber der Konservative macht daraus eins. Kommentatoren wie Jan Fleischhauer werden offen ihre Sympathien für die starke AfD zeigen, die von den Schwachen und Feigen hinterrücks ermordet wird.

So könnte die AfD an die Macht kommen – Deutschland 2025

Greta-Marketing

Es war ja zu erwarten: Dass eine ikonische Person wie Greta Thunberg schnell von der Industrie- und Unternehmenswelt als Marketing-Figur entdeckt würde. Als Kämpferin, Vordenkerin, ja, schöpferische Zerstörerin und so weiter. Dass sie mit all dem nichts zu tun haben will, ist klar – aber der Branche egal. Es passiert einfach, das kleine Mädchen mit den Zöpfen wurde zum Beispiel auf der Gründermesse „Bits & Pretzels“, zu der seltsamer Weise auch Barack Obama ging, zum Vorbild für neue Entrepreneurship ernannt. Geht es ihr nicht um weniger Konsum? Worum geht es ihr überhaupt, haben die smarten Gründer das verstanden? Vermutlich schon, allein: Auch das ist ihnen wohl egal.

Skandalös ist es, Greta Thunberg das zu nehmen, was sie auszeichnet: Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit. Ein Unternehmensgründer, der das wirklich unterstützen will, hält sich am besten von ihr fern.

Kasse machen mit Greta

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Nick Cave & The Bad Seeds, DIIV und Klein

The Sado & Omagari DiariesDas Filter auf Reise in Japan | Teil 2