Leseliste 08. Oktober 2017 – andere Medien, andere ThemenSoziologische Wahlanalyse, Musikkritiker in der Kritik, Hollywood für China & Interim Theater

Leseliste 20171008

Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.

Darum AfD (im Osten)

Na klar gilt es die AfD abzulehnen. Die völkischen, rechtsnationalistischen und rechtsradikalen Ansichten sind verabscheuungswürdig. Wie kann man das noch nicht verstanden haben, spätestens wenn entscheidende Köpfe die Partei(führung) verlassen, weil sie ihnen zu rechts ist? Gute Frage, die sich vor allem junge, linke Menschen stellen, aufgewachsen in der Überzeugung, dass der rechte Weg schon immer ins Verderben geführt hat. In Sachsen ist die AfD stärkste Partei geworden, in den anderen Bundesländern der ehemaligen DDR zweitstärkste. Kann man die Wählerschaft einfach als Rechte und Nazis abstempeln? Und vor allem: Hilft das? Mitnichten. Zwei Texte dazu, die eine soziologische, nachvollziehbare Erklärung versuchen. In der freitag geht’s um die Geschichtsverarbeitung im Osten, im anderen spricht der bekannte Soziologe Wilhelm Heitmeyer mit der SZ. Wohl die beiden wichtigsten Texte zur AfD-Wahl-Analyse.

„[Es] wurden die Erzählungen einer relativ kleinen Gruppe, der Oppositionellen, in den Mittelpunkt gestellt. Die Zeit für jenen Gegenentwurf ist reif. Überreif, wie der Erfolg der AfD zeigt. Es fehlen Erinnerungsmuster, die Lebenswegen gerechter werden, als das bisher der Fall ist.“

Vergessene Lebenswege

„Bekanntlich ist der, der nicht wahrgenommen wird, ein Nichts. Das wiederum schwächt den Glauben an die Demokratie. Sie verliert an Bedeutung. Es kommt zu einer Demokratie-Entleerung. Das heißt, der Apparat läuft zwar wie geschmiert, aber die notwendige Substanz des Vertrauens verflüchtigt sich.“

Erwachen aus wutgetränkter Apathie

Der alt-right Video-Rezensent?

Es geht gerade hoch her, im englischsprachigen Musikjournalismus. Anthony Fantano betreibt mit The Needle Drop einen der erfolgreichsten Youtube-Channel für Plattenkritiken. Über eine Million Abonnenten, jede Woche neue Videos. Im Feature bei The Fader rückt man Fantano nun in ein ganz anderes Licht: Sexist, alt-right, rassistische Tendenzen. Dafür werden eine Reihe von Videos seines zweiten Channels namens „thatistheplan“ herangezogen, in denen er augenscheinlich völlig andere Ansichten vertritt, als in den bekannten Rezensionen. Der Channel ist seit letzter Woche geschlossen. Was Ezra Macrus schreibt, scheint ziemlich nachvollziehbar. Aber Fantano will das nicht auf sich sitzen lassen, seine Antwort könnt ihr euch oben ansehen.

„Next, we see a background image of another black person being choked, right as Fantano says the words “choked to death.” He’s playing the specter of black suicide and death for laughs.“

The Needle Drop pioneered music review vlogs. His lesser-known channel pandered to the alt-right.

Leseliste 20171008 China Kino

Screenshot aus dem Trailer zu „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten“

Hollywood für China

Während man hierzulande über Hollywood manchmal nur noch kotzen möchte, ob der ganzen Sequels und Prequels, die dem Gelegenheitsgänger die Filmauswahl kaputtmachen, ist China der Wachstumsmarkt schlechthin. Das hat Gründe. Die Mittelschicht wird größer und mit ihr das für Kultur zur Verfügung stehende Kapital. Beim fluter hat man „die sich häufende Heldenhaftigkeit von Chinesen“ auf der Leinwand unter die Lupe genommen.

„Die Zensurbehörden lehnten den Film in erster Instanz ab. Die Produzenten ließen die Handlung also umschreiben und drehten noch einmal nach. Das Virus brach nun in Südkorea aus. Durch die Zensur schaffte es der Film trotzdem nicht.“

Chinas Popcorn-Propaganda

Interim Theater

Im Theater-Business (welch Unwort), ist alles Kunst und Teil von Inszenierung – auch eine Besetzung. Um die geht’s hier aber nicht. Es geht um Ausweichspielstätten an den Beispielen der Städte Köln, Düsseldorf, Dortmund und Bonn. Wie bedingen sich Raum und Inszenierung? Welche inhaltlichen, ästhetischen und akustischen Folgen hat der Umzug eines Theaters in eine Fabrikhalle oder eine Fanartikel-Halle des BVB? Der Theaterblog nachtkritik betrachtet dazu vier Interim Spielstätten und das jeweilige Programm. Eine von außen betrachtet durchaus nerdige Debatte – aber nicht uninteressant.

„Wenn also z.B. Milo Rau, designierter Intendant des Nationaltheaters Gent, klagt über ‚Stadttheateräume, die zwar über die ganze Infrastruktur verfügen, aber überhaupt nicht adaptabel sind für die Realität des Theaters‘, so trifft das nicht die Interimsspielstätten, wohl aber die alten Prachtbauten.“

Im Interim: Zur Ästhetik und Politik von Ausweichspielstätten

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Kelela, Ducktails und Marc Almond

Rewind: Klassiker, neu gehörtPhotek – Modus Operandi (1997)