Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
Wohin mit Eiche rustikal und Tafelsilber?
Die Kinder der Babyboomer-Generation stehen vor einem Problem: Wohin mit dem Tafelsilber der Eltern? Was tun mit der dunklen Eichenschrankwand, wenn die nicht passt, in die neue, kleinere, barrierefreie Wohnung? Eine Nachkriegsgeneration, die sich maßgeblich über materiellen Wohlstand definiert, der nicht selten in Überfluss ausgeartet ist, hinterlässt vollgestopfte Einfamilienhäuser voller Kram, den keiner will, auch nicht die eigenen Kinder. Und das liegt nicht nur daran, dass dieser Besitz unnötig erscheint oder Platzmangel herrscht, sondern auch an einem veränderten Verständnis von Ästhetik und Geschmack.
„‚Some children take the objects just to keep Mom and Dad quiet,‘ said Roger Schrenk, Mr. Fultz’s business partner at Nova Liquidations. ‚They’ll take them and store them until Mom’s dead, and then they can’t wait to get rid of them.‘“
Aging Parents With Lots of Stuff, and Children Who Don’t Want It
##Chronik eines nicht angekündigten Todes
Über den Flughafen Berlin-Brandenburg zu witzeln, gehört zum Hauptstadtschnack dazu wie über ständig steigende Mietpreise und ist halt nicht mehr so wie früher zu schwadronieren. Kriegen es nicht hin, den Flughafen zu eröffnen, die Berliner, höhö, und jetzt, wo auch noch die Airline insolvent ist, naja, wer braucht ihn dann noch. Fakt ist: Über sechs Milliarden Euro sind im märkischen Sand vor den Toren der Stadt verbaut worden, und ob sie jemals mehr sein werden als mausetotes Kapital – Fragezeichen. Was hat das Projekt, im Grunde ein überschaubares, bloß so ruiniert? Für gut angelegte 40 Cent zieht Spiegel Plus eine umfassende, wenngleich ergebnisoffene Bilanz.
„Die Regierenden Bürgermeister von Berlin, die Ministerpräsidenten von Brandenburg und die in Bundes- und Landesregierungen zuständigen Minister und Staatssekretäre waren und sind mit der Aufgabe, in staatlicher Regie einen Flughafen zu bauen, überfordert. Konsequenzen daraus: null.“
Die Fotografie versinkt im Massengrab
Die Züricher Kulturjournalistin Daniele Muscionico hat für die NZZ einen Abgesang auf die Fotografie geschrieben. Was bedeuten Fotos, wenn sie omnipräsent sind? Gibt es so etwas wie eine fotografische Wahrheit überhaupt noch? Ist Fotografie tot? Wie heißt hier so schön: „Die Fotografie ist die Krankheit, für deren Therapie sie sich hält.“ Dabei ist Muscionico gar nicht allzu kulturpessimistisch, sondern liefert eine interessante, teils steilthesige Diskursflanke.
„Doch in ihrer epidemischen Vielzahl, mit der sie die Alltagskulturen dominieren, haben sie sich selber überflüssig gemacht. Obwohl, nicht ganz: Fotografische Bilder sind eine moderne Seuche, und sie sind unsere Schwäche, gegen Bilder immun werden wir niemals. Die moderne Hirnforschung verwendet nämlich bildgebende Verfahren als Belege. Bei der Wahrnehmung eines Wortes reagiert lediglich das Sprachzentrum. Bei der Wahrnehmung eines Bildes hingegen wird in unterschiedlichen Hirnregionen ein neuronaler Flächenbrand aktiviert. Wir sind nicht Herr im eigenen Gehirn!“
Vor dem Internet
Diesen Text darf man natürlich nicht online lesen. Man muss zunächst die Hose suchen, Hemd und Schuhe anziehen, zum Bahnhof laufen und den Zeitungsladen aufsuchen, in der Hoffnung, dass der New Yorker schon geliefert wurde und noch nicht ausverkauft ist. All das tut man, weil einen nach dem Aufwachen das Gefühl beschlich, dass in dieser Ausgabe ein Text geradezu auf einen wartet, einer von Emma Rathbone. Es ist eine kurze und sehr persönliche Erinnerung daran, wie man in der Zeit vor dem Internet seine Zeit verbrachte oder verbringen konnte. Herrlich still und vollkommen subjektiv. Schon im Juni veröffentlicht, scheint die Kolumne ein Hinweis darauf zu sein, wie man seine Ferien gestalten könnte: offline.
„You made your own fun.“