10 Jahre Das FilterWir sind noch lange nicht fertig

10 Jahre Das Filter Susann Massute

Vor ziemlich genau zehn Jahren ging Das Filter online. Wir hatten viel vor und haben viel erreicht. Längst nicht genug, nein, Aber eine Dekade online zu sein, bedeutet uns viel. Ohne euch, liebe Leser:innen, hätten wir das nie geschafft. Vielen Dank für eure Unterstützung.

Als wir 2014 den Schalter umlegten und Das Filter online stellten, waren bereits mehr als zwei Jahre Planung vergangen. Das Inhaltliche, das Technische – vor allem aber die generelle Haltung und Ausrichtung unseres Magazins beschäftigten uns ab dem 1. Tag. Wir wollten eine Plattform etablieren – für Ideen, Konzepte, dringliche News und nachhaltige Konzepte. Lange Texte, schnelle News, offene Debatten und umfangreiche Recherchen. Den Begriff der Kultur neu hinstellen in all seinen Ausprägungen – zwischen Musik, Film, Literatur, Technik, Kunst, Politik, Sozialem und Quatsch. Mit Text, Links, Bewegtbild und Sound. Wo wir zehn Jahre später stehen, entscheidet ihr, liebe Leser:innen. Zum Jubiläum droppen wir subjektive Erkenntnisse des nicht ganz objektiven Ganzen. Danke für alles. Und meldet euch, wenn ihr mitmachen wollt.

Garten-Breaker

Jan-Peter Wulf

Wirklich keine leichte Aufgabe, sich aus zehn langen Filter-Jahren etwas raus zu picken. So viele tolle Storys und vor allem Menschen, die uns über diese Jahre begleitet haben. Manche haben für eine Geschichte kurz bei uns hinein geschaut – danke dafür. Manche tun dies immer wieder – danke dafür. Und manche sind die ganze Zeit bei uns – danke dafür! Repräsentativ dafür Texte von ihnen, für uns, für euch.

Videothek Rückblick 2024

Foto von Laura V auf Unsplash

Filmreviews von Tim Schenkl

Tim ist über die Jahre nicht nur ein guter Freund geworden, sondern hat uns auch immer wieder mit schönen Filmkritiken versorgt. Ob „Der Goldene Handschuh“ von Fatih Akin, „Magic Mike XXL“ oder eine Rückschau auf die Berlinale, die er übrigens auch immer für uns redaktionell koordiniert hat, danke auch an Christian Blumberg, Sulgi Lie und Alexander Buchholz für eure Texte von dort und darüber hinaus. Für mich persönlich, das gilt für die Platten wie für die Filme, sind unsere Kritiken immer auch eine Orientierungshilfe, was ich mir im Medien-Dschungel anschauen oder anhören soll, allen Algorithmen und Play- und Verkaufslisten zum Trotz. Für mich das genuine Filter-Verständnis: Aus dem Rauschen kommt hier der Ton, bzw. das Bild. Danke!

Tims Reviews

Reportagen von Monika Herrmann

Monika Herrmann hat mir in ihren Berichten von oft abseitigen Orten der Stadt vor Augen geführt, dass Berlin nicht nur sexy ist, was man ohnehin in Frage stellen kann, sondern eben auch arm. Berlin ist die Hauptstadt von Deutschland, einem Land, in dem knapp die Hälfte der Bevölkerung am Ende des Monats keinerlei Ersparnisse mehr hat. In dem jedes fünfte Kind von Armut bedroht ist und im Zweifelsfall arm ist. In dem Wohnen zum Luxus geworden ist, wo es doch ein Grundrecht ist. Gentrifizierung, Obdachlosigkeit, rassistische oder sexuelle Gewalt, Flucht – Monika Herrmann hat für uns hingeschaut, ist hingegangen, hat mit den Menschen hinter den traurigen Geschichten gesprochen und mit denen, die sich unermüdlich dafür einsetzen, dass die Perspektiven der Betroffenen ein wenig heller werden und unsere Welt ein kleines bisschen besser wird. Liebe Monika, hab vielen Dank dafür, und alles Gute!

Monika Herrmanns Texte

Musik und Kunst mit Matti Hummelsiep

Mattis Reportagen und Reviews aus der Kunst- und Kulturszene Berlins zeigen mir immer aufs Neue, was ich in der Stadt verpasse, wo ich meinen Allerwertesten mal hinbewegen sollte bzw. hätte sollen. Mal ist es ein Bild, mal eine Person, mal ein Ort, den er ins Zentrum seiner Texte für uns stellt, ich nehme aus diesen, selbst wenn sie so kurz und knapp sind wie die „Das Filter guckt Kunst“-Reihe, immer etwas mit. Danke Matti, dass du unser Magazin in diesem wichtigen Bereich schon so lange supportest. Und es ist ein Unding, dass wir beide uns bis dato nicht persönlich kennen gelernt haben. Das ist in einer Stadt wie dieser nicht ungewöhnlich, aber ein Unding. Der nächste Drink geht auf mich!

Mattis Texte

UDC Illu Hochkant 24

Illustration: Susann Massute

Technologie- und Fundamentalkritik mit Timo Daum

Ich war wohl nie so stolz auf Das Filter wie bei der Verleihung des Deutschen Sachbuchpreise „Das Politische Buch“ 2018 an Timo Daum. Ist übrigens lustig, stolz zu sein, ohne wirklich etwas dazu beigetragen zu haben. Timo hatte damals die Idee, etwas über digitalen Kapitalismus zu schreiben, wir haben uns gefreut, ihm dafür bei uns das Inventar bereitstellen zu können, er hat es in ein Buch weiterentwickelt, here you go. Und es folgten danach eine ganze Reihe weiterer Bücher. „Understanding Digital Capitalism“ und seine weiteren Texte für uns sind ein großer Erkenntnisgewinn für mich, auch dadurch, dass ich sie mit redigiert habe. Timo trägt zweifellos dazu bei, dass Das Filter ein auch linkes Medium ist, und das ist gut so, denn da schlägt das Herz. Hat Lafontaine mal gesagt, als er noch nicht so eine Flitzpiepe war. Aber geschenkt. Danke lieber Timo. Übrigens: Ihr könnt ihn am 25.4. live in Berlin sprechen hören – zum Thema Der Klimakrise kann man nicht davon fahren.

Timos Texte

Illustrationen von Susann Massute

Was wäre Das Filter ohne Susanns Illustrationen? Ein recht mausgraues Unterfangen. Ihre kraftvollen, oft poppigen Designs machen gute Laune, regen zum Nachdenken an, haben oft schon in sich eine Logik und Sprache, die dem Text fast ein tldr drübersetzt. Und dann ist da noch der Raumfahrer, ein episches Werk. Wie viele Stunden deiner Zeit hat das noch mal gekostet? Insgesamt, über die vielen vielen Jahre, müssen es hunderte gewesen sein. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Tausend Dank für deinen Einsatz, deine Hilfe, deine Inspirationen und Ideen, deine gute Laune (und das bei uns Mieslingen!) und deine Freundschaft.

Susanns Illustrationen

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Garten-Breaker

Ji-Hun Kim

Pressereisen sind eine zweischneidige Angelegenheit. Zwar sieht man, von anderen mit gewissen Erwartungshaltungen bezahlt, die Welt und viele tolle Dinge und daher auf jeden Fall ein Privileg. Aber es ist auch nicht immer mit den schönen Seiten verbunden. Zum einen ist man ja doch beruflich unterwegs. Man teilt die toll inszenierten Momente nie mit den Liebsten, und letztlich man kann sich nicht aussuchen, mit wem man unterwegs ist. Teilweise entstehen gute Kontakte und Freundschaften, manchmal gibt es auch einfach unerträgliche Menschen. Viele mögen das Gleiche über mich denken. Früher wurden wir viel häufiger zu solchen Reisen eingeladen. Heute übernehmen das in der Regel Influencer, was auch völlig okay ist. Man muss es können und wollen, ständig das eigene Gesicht in die Kamera zu halten. Hier einige Behind-the-scenes-Geschichten, die es damals nicht in die Artikel geschafft haben, auch weil sie da auf gar keinen Fall hingehörten.

Helsinki Unsplash 2024

Foto von Nicolas Messifet auf Unsplash

Helsinki (2014)

Bei Pressereisen macht es einen großen Unterschied, in welcher Branche man jeweils unterwegs ist. Tech-Veranstaltungen sind in der Regel männlich dominiert, und so war es auch bei dem Besuch der Konferenz Slush in Helsinki. Handy-Tester, Tech-Blogger, Nerds, ihr wisst schon. Auch ich habe viele Jahre meiner Arbeit in dem Bereich aktiv verbracht und war eigentlich schon einiges gewohnt. Da die Konferenz aber auch mit stabilem Abendprogramm, guter Livemusik und viel Freibier zu überzeugen wusste, sind in solchen Konstellationen Ähnlichkeiten zu Klassenfahrten nicht weit entfernt. Der Hauptspaß eines Großteils der Gruppe bestand allerdings darin, wie Geier durch die Säle zu stromern und jede hübsche Frau anzugaffen, mit dem Finger auf sie zu zeigen und zu brüllen: „Boah, hast du die gesehen!“ oder „Alter, wie krass ist die denn?“ – stundenlang und in einer Tour. Ich dachte, so etwas kann es doch gar nicht geben. Geifern, glotzen, sabbern, und nicht mal ahnen, was man für ein Bild dabei abgibt. Wow. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich für meine Berufszunft aufrichtig geschämt oder für deutsche Männer oder was auch immer. Zum Glück musste ich so etwas in der Form nicht nochmal erleben.

Krasse Finnen. Ein Bericht vom Tech-Spektakel Slush in Helsinki

Mexiko Merida Markt Bananenblätter

Foto: Ji-Hun Kim

Mexiko (2016)

Eigentlich hätte Kollege Wulf ja nach Mexiko fahren sollen. Die Einladung überließ er 2016 aber netterweise mir, fast als hätte er geahnt, was er verpasst. Eine Woche Yucatan. Eine kleine bunte Gruppe bestehend aus Bartendern, Journalist:innen, Foodfestival-Managern, Bloggern und Influencern reiste an. Kulinarik, Hospitality, Kultur und Geschichte standen auf der Agenda und man muss wissen, dass nach spätestens drei Tagen, egal in welcher Konstellation, kleine Gruppen explosiv werden können. Im Guten wie im Schlechten. Reality-TV lässt grüßen. Auch deshalb dauern die meisten Pressereisen zwei, maximal drei Tage. Das Motto der Reise war schnell auserkoren: „Viva Tequila!“. Während der Fahrten lief Rupert Holmes' „Pina Colada“ auf Dauerschleife. Und so sollte es bis zum letzten Tag bleiben. Der Druck auf dem Kessel war immens, an Betankung und exzellenter Verpflegung mangelte es nicht, und es dauerte nicht lange, bis sich die ersten amourösen Konstellationen und damit kleine dramaturgische Nebenschauplätze ergaben. Als wir eines Nachmittags eigentlich nur einen kurzen Zwischenstopp in einer Kneipe machen wollten, endete er damit, dass wir Stunden später den Laden leergesoffen haben. Es war aber auch ein magischer Moment mit unfassbarem Licht, eiskaltem Corona inklusive Karaoke. Ich gebe zu, dass ich eher die Spaßbremse war. Mein Arm war wegen einer OP eingegipst, meine Liebe vermisste ich in Berlin. Unter anderen Prämissen, wär ich wohl mehr auf dem Dancefloor gewesen und hätte seltener den grimmigen Deckshark gemimt. Diese Woche war teils chaotisch, skurril, dekadent, hedonistisch, manchmal surreal, voller Höhen und Tiefen und zugleich irre intensiv. Einmal besuchten wir einen Schweizer Schamanen, der in einer Höhle nahe eines Luxushotels Rituale abhielt. Er fuchtelte mit Weihrauch vor meiner Nase herum, schaute auf meinen Gips und meinte prophetisch: „Ich spüre, du hast Schmerzen. Aber die gehen vorüber.“ Wow, echt jetzt?! Die WhatsApp-Gruppe von dem Trip ist noch immer aktiv. Man trifft sich immer noch und tauscht sich aus. Das spricht für die Qualität und Einmaligkeit dieser Pressereise. Wenn man will, dass es knallt, sollte man es auch einfach mal zulassen. Gracias por todo.

Mehr als Nachos und Tequila. Eine kulinarische Spurensuche in Mexiko

Fußballtor Unsplash

Foto von Jerome auf Unsplash

Bodensee oder wie ich mal Fußball in der Sauna guckte (2018)

Dass ich WM-Spiele zwischen Südkorea und Deutschland nicht in größeren deutschen Gruppen gucken sollte, lernte ich bereits 1994 in Norwegen. Ich war dort auf einer Jugendfreizeit während der Sommerferien, und als Deutschland mit Klinsmann, Riedle und Kohler 3:0 zur Halbzeit führte, war der Drops eigentlich schon gelutscht. Dass Südkorea in der zweiten Hälfte auf 3:2 verkürzte, löste in mir große Freude und Aufregung aus. Die Blicke in dem Schullandheim wurden aber immer böser und vielleicht war ich am Ende sogar froh, dass es bei dem Spielstand blieb. Als ich Ende Juni 2018 bei einer Pressereise eines großen Autozulieferers war, wurde in dem exklusiven Hotel am Bodensee ebenfalls ein Public- bzw. Closed-Viewing, des dritten Vorrunden-Gruppenspiels zwischen Deutschland und Südkorea mit Bier und Chips angeboten. Ich entschied mich stattdessen für die Sauna und versuchte das Spiel auf dem Handy zu streamen, was gar nicht so einfach war, weil das Handy sich nicht entscheiden konnte, ob es gerade in Deutschland oder Österreich war. 90 Minuten passierte nicht viel. Als Korea in der Nachspielzeit das erste und dann noch das zweite Tor schoss, sprang ich wie gepiekst im Bademantel auf und verkniff mir die Eine-Person-Polonaise. Darauf ein letzter Gang – und da ging es aber schon los. Ein Hotelgast schimpfte über die blöden Asiaten und dass man denen paar verpassen müsse. Er dachte wohl, ich verstehe kein Wort und musste mir ein triumphierendes Lachen verkneifen. Zur Abendveranstaltung natürlich auch Doppelpass-Smalltalk. Das Bier war kalt, das deutsche Vorrunden-Aus um so kälter. Der Schuldige war mit Mesut Özil schon a priori ausgemacht, der vor dem Turnier wegen eines Fotos mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan die volle Breitseite Rassismus des Landes abbekam. Ich gab es wie so oft auf, zu erklären, wie systemischer Rassismus funktioniert. Für mich freuen, wollte sich, bis auf die ausländischen Kollegen, ohnehin niemand. In Korea wurde der Sieg dafür umso mehr gefeiert und Son Heung-Min sollte in einem Interview später erklären, dass das 2:0 für ihn eines der wichtigsten Tore seiner Karriere gewesen ist, weil er aufgrund jahrelanger rassistischer Diskriminierung in Deutschland (er spielte in Hamburg und Leverkusen) zumindest für sich eine offene Rechnung begleichen konnte.

„Wir müssen aufhören, linear zu denken“. Interview: Mamatha Chamarthi leitet beim Autozulieferer ZF die digitale Transformation

Sado Fischerdorf

Foto: Ji-Hun Kim

Japan (2019)

In Japan war ich 2019 über eine Woche lang alleine auf einer Pressereise. Das hatte ich noch nie. Hat man in einer Gruppe noch so etwas wie eigene Dynamiken, Grüppchenbildungen, war ich hier quasi unter ständiger Beobachtung, was von einer der Organisatorinnen sehr wörtlich und streng aufgefasst wurde. Das ging schon in der Vorbereitung los, in der ich mehrfach aufgefordert wurde, das eng gesteckte Programm sorgfältig zu studieren, was ich natürlich machte. Es würden viele Steuergelder ausgegeben, man möge die Einladenden bitte nicht enttäuschen. No pressure! Bevor es losging, wurden mir noch laminierte Folien gezeigt, auf denen gezeigt wurde, dass man sich die Schuhe in Räumen auszuziehen hat wie noch andere soziale No-Gos, die mir aber nicht unbedingt fremd waren. Allerdings fragte ich mich, wie müssen sich denn andere Kolleg:innen verhalten haben? Am ersten Tag im Taxi, ich noch völlig gejetlaggt, fragte mich die Organisatorin wie viele Tage wir auf der Insel Sado verbringen würde. Ich faselte etwas von vier Tagen, worauf sie mich sofort unterbrach: „Das ist falsch, wir sind fünf Tage hier! Wieso bereiten Sie sich nicht vor!“ Die giftreiche Schikane ging ohne Unterlass weiter. Wie ein gehandicappter Oktopus fuchtelte ich bei allen Terminen mit Spiegelreflex-Kamera, Gimbal und Smartphone herum, um möglichst viele Bilder und Eindrücke aufzunehmen. Ständig machte ich Notizen auf dem Telefon, bis mich meine Aufsicht angiftete, wieso ich keinen Notizblock und Stift in der Hand halten würde, weil das würde sich für einen Journalisten ja wohl so gehören. Das sei ihren Vorgesetzten ja auch schon aufgefallen. Dass wir im 21. Jahrhundert seien, entgegnete ich, dass man Audioaufnahmen und Notizen auch mit einem Telefon machen könne und ich gerne eine Fotografin oder einen Fotografen dabei hätte, aber nun müsse ich ja alles selber machen. Das wollte sie aber nicht hören. Dass ich mich recht gut mit den Tourismusbeauftragten vor Ort verstand, missfiel ihr genauso. Ich solle mich nicht so anbiedern, das wäre nicht professionell. Sie sei ja auch Journalistin gewesen und wüsste wie das funktioniert. Ab dem zweiten Tag fragte sie mich ständig, wie lang und welche Geschichte ich denn schreiben würde, damit sie es ihren Kunden mitteilen könne. Ob ich nicht erstmal die Reise abschließen dürfe, um dann zu gucken, wie ich die Story gestalten möchte, wurde mit einem giftig bösen Blick quittiert. Das erste Mal in meinem Leben, erwägte ich, eine Reise vorzeitig abzubrechen. Ich äußerte, dass ich ihr Verhalten als übergriffig und unangebracht empfand. Das war ihr dann wohl zu viel des europäischen Individualismus. Bis zum Ende der Reise, obwohl wir eigentlich fast jeden Tag miteinander zu tun hatten, grüßte sie mich nicht mehr, wich mir aus und zeigte mir die kalte Schulter, als hätte ich ihre Mutter mit dem Auto überfahren. So kann es also auch gehen, diese Dimension war mir neu. Die Eindrücke und Geschichten, die ich dort erlebte, waren dennoch so reich und intensiv, dass ich die Reise in zwei Teilen niederschrieb. Irgendwann erhielt ich noch eine Mail von ihr, dass die Veranstalter der Reise sehr happy mit meiner Reportage seien. Bei mir bedankt hat sie sich nie.

The Sado Diaries – Teil 1
The Sado Diaries – Teil 2

Garten-Breaker

Thaddeus Herrmann

Bestimmte Dinge gibt unser CMS nicht her. Zum Beispiel, wie viele Geschichten, News, Reviews und Interviews wir in zehn Jahren Das Filter veröffentlicht haben. Das wäre eine interessante Messlatte, ein Filter, um wirklich Stories zu sieben, die in meinen Augen, Ohren und Erinnerungen immer noch nachhallen. Also anders geregelt. Die Zeitmaschine im Gehirn angeworfen und ein paar Favoriten aus dem Archiv geholt – aus meiner Feder genau wie von Kolleg:innen.

jean-Michel Jarre

Foto: Tom Sheehan / EDDA

Interview – Jean-Michel Jarre (2016) (mit Ji-Hun Kim)

Mein Onkel ist Schuld. Er schenkte mir die Kaufkassette von „Oxygène“. Ich war nicht älter als zehn Jahre, merkte aber sofort, dass ich Synthesizer-Musik super finde. Finde ich bis heute. Mein Kollege Ji-Hun Kim auch – sonst würden wir wohl auch kaum schon seit so langer Zeit zusammenarbeiten. 2016 bekamen wir das Angebot, Jean-Michel Jarre zu interviewen – ein No-Brainer. Jarre residierte im Berliner SoHo-House, spielte Journalist:innen im hauseigenen Kino erst sein neues Album vor und gab danach Interviews. Irgendwie hatten wir es geschafft, der Promo-Agentur 60 Minuten aus dem Kreuz zu leiern. Jarre empfing in einem dieser unsäglichen „Hotelzimmer“ der früheren SED-Zentrale. Seine Managerin lungerte auf der Couch und schaute auf ihr Telefon. Wir wollten von ihm nicht weniger als die Geschichte der elektronischen Musik according to Jarre, und Jarre lieferte. Ein ausgesprochen angenehmer Gesprächspartner. Was nicht weiter überraschend ist – eigentlich. Aber dann doch irgendwie. Dass wir das Gespräch dann als Oral History gebaut und veröffentlicht haben, war ein Experiment. Gelungen, wie ich finde. Haben wir viel zu selten gemacht. Überhaupt nochmal?

„Rave war meine Idee“. Oral History: Jean-Michel Jarre über die Geschichte der elektronischen Musik

Kolumne – Filter Tapes (2014-2023)

Das Filter ist nicht nur Text per se – Musik spielt seit dem ersten Online-Tag eine entscheidende Rolle. Zu diesem Kosmos gehören auch unsere Mixtapes. 48 davon sind mittlerweile online. Da ist keine Regelmäßigkeit zu erkennen, die Dringlichkeit schwingt aber immer mit. Vor allem, weil die Mixe schon sehr bald nach Start der Reihe immer von umfassenden Interviews begleitet wurden. Meine Highlights:

Apple park

Foto: Redaktion

Reportage – Backstage in Cupertino (2019)

Natürlich war es als Apple-Fanboy immer mein Traum, mir das HQ in Cupertino anzuschauen. Wohl wissend, dass es bei allen Apple-Terminen nur das wohl Orchestrierte zu sehen und zu hören gibt. Aber nachdem ich 2017 Tim Cook schonmal die Hand geschüttelt hatte, interessierte mich, wie der wohl wohnt. Und folgte dem kurzfristigen Angebot, den Apple Music Awards und dem Konzert von Billie Eilish im Steve Jobs Theatre beizuwohnen, nur allzu gerne. Solche Pressereisen klingen fancy, sind in der Regel aber bis auf die letzte Minuten durchgetaktet, so dass selbst fünf Minuten me-Time bei einem Flat White im Starbucks der pure Luxus sind. Anderswo kann man in San Jose übrigens praktisch keinen Kaffee bekommen. Ich übertreibe, aber kalifornisches Downtown im Dezember-Nieselregen kann sehr trist sein. Schlaflos ob des Jetlags marschierte ich morgens um vier Uhr durch die Stadt, vorbei am „deutschen Weihnachtsmarkt“ mit seinen vereinzelten Neonlichtern, geschlossenen Bars und Off-Licenses, kreuz und quer und wieder zurück. Was für ein Wasteland. Der Apple Park hingegen ein perfektioniertes Uhrwerk, clean und seelenlos, aber doch sehr angenehm. Wer von seinem Büro aus so weit blicken kann, dem oder der fällt auch Großes ein. Und bevor ich mich versah, war Billie schon wieder von der Bühne, ich wieder aufgestanden und mein Flugzeug nach DE abflugbereit. Auf dem Weg erst über den Kontinent und dann den Atlantik hörte ich Leonard Cohen, trank Weißwein und schluchzte ein bisschen in mich rein. Warum ist die große weite Welt immer nur so kurz um mich herum? Die Stewardess schenkte proaktiv und regelmäßig nach. In Frankfurt schüttelte ich ihr zum Abschied die Hand.

So waren die Apple Music Awards. Exklusiv: Backstage in Cupertino

Water Works

Reportage – Water Works (2020-2021) – Julia Kausch

Das Filter wäre nichts ohne unsere zahlreichen Autor:innen. Im Jahr 2020 kam Julia Kausch mit der Idee für eine Artikel-Reihe auf mich zu, die sich mit Südafrika und den gesellschaftlichen Folgen der Wasserknappheit beschäftigen sollte. Es entwickelte sich eine zehnteilige Serie mit tiefen Einblicken in die Verhältnisse vor Ort, reportiert durch die popkulturelle Brille kluger Beobachtung mit jeder Menge Drive. Ich bin dankbar diesen Mehrteiler redaktionell begleitet zu haben.

Water Works – Geschichten aus Südafrikas (Wasser)krise

Technik – Review iPhone X (2017)

Ich kann beim besten Willen nicht zählen, wie viele Gadget-Reviews ich geschrieben habe in meiner journalistischen Laufbahn. Hier und auf anderen Plattformen. Auf meinen Text zum iPhone X bin ich aber nach wie vor ein bisschen stolz. Ich erinnere mich aber, dass ich 2017 in Bezug auf Handy-Reviews schon ziemlich abgegessen war. Es waren einfach zu viele. Und ich hatte von Anfang versucht, der „kalten“ Technik eine gewisse „feuilletonistische“ Wärme zu verleihen, die Texte also nicht nur auf Fakten aufzubauen, sondern die Geschichte drum herum zu erzählen. Als das iPhone X auf den Markt kam, war ich leergeschrieben. Ich saß in der Redaktion, war begeistert von meinem Testgerät und fand keinen Ansatz. Der Lockenschopf von Jan-Peter tauchte mir gegenüber hinter dem Monitor auf, und ich bekam den Stupser, nachdem ich gesucht hatte: „Du hast die Teile doch alle. Warum kein Borderline-Kamingespräch zwischen iPhone 1 und iPhone 10?“ Was für eine gute Idee. Die auszuformulieren dauerte eine Weile. Gelohnt hat es sich allemal, finde ich. Als ich mit dem Text fertig war und nur noch mit der Einleitung kämpfte, saß Susann Massute neben mir. Und auch sie gab mir den alles entscheidenden Anstoß, Hinweis und Tipp. Schnell ausformuliert, sie machte die Illu und raus damit.

Review: Auf einen Drink mit dem Apple iPhone X. Exklusiv: Zehn Jahre Smartphone-Geschichte im Zwiegespräch

Plattenkritik: Adam Wiltzie – Eleven Fugues For Sodium Pentothal (Kranky)Kein Eskapismus

Plattenkritik: Erlend Øye & La Comitiva – La Comitiva (Bubbles)Sounds aus Südwegen