Februar ist Berlinalezeit. Tim Schenkl hat das Programmheft gewälzt und seine persönlichen Highlights aus den Kategorien Wettbewerb, Forum und Panorama zusammengetragen.
Heute startet die Berlinale. Es ist die 68. Ausgabe des Festivals und gleichzeitig die vorletzte unter der Leitung von Dieter Kosslick. Dieser ist bei Werbetreibenden und großen Teilen des Publikums sehr beliebt, sieht sich jedoch seit längerer Zeit mit Vorwürfen der Filmkritik konfrontiert, die ihm und seinem Team eine zu starke Willkür und das Fehlen eines überzeugenden kuratorischen Gesamtkonzepts bei der Programmierung vorwerfen. Auch ein von 79 deutschen Regisseuren wie Maren Ade, Fatih Akin, Nicolette Krebitz und Andreas Dresen unterzeichneter offener Brief an die mit der Neubesetzung der Festivalleitung betraute Staatsministerin Monika Grütters, in dem eine konzeptionelle Neuausrichtung des Festivals gefordert wird, kann eigentlich nur als ein Seitenhieb gegen den Festivalleiter verstanden werden – auch wenn einige der Unterzeichner sich öffentlich gegen diesen Eindruck wehren. Eine Person konnte sich nicht dazu durchringen, den Brief zu unterzeichnen – der diesjährige Jurypräsident Tom Tykwer (Lola rennt, Das Parfüm). Zufall? Gemeinsam mit seinen fünf Kollegen, zu denen unter anderem der japanische Komponist Ryūichi Sakamoto (The Revenant) und die belgische Schauspielerin Cécile de France (L’auberge esagnole) zählen, ist er dieses Mal für die Vergabe der bärigen Preise des Wettbewerbs verantwortlich.
Wettbewerb
Der Wettbewerb ist die Visitenkarte jedes A-Festivals, hier lassen sich die größten Regisseursnamen und bekanntesten Schauspieler finden. Nach solchen musste man im letzten Jahr lange suchen. Selten kam ein Wettbewerb so bescheiden und unglamourös daher wie 2017. Man konnte den Eindruck gewinnen, auch die letzten Regisseure von Weltruhm hätten Berlin den Rücken gekehrt, um genau wie alle anderen auch die Weltpremieren ihrer Filme lieber beim Festival von Cannes zu feiern. Dabei sollte man jedoch nicht vergessen, dass es in diesem Jahr mit A Fantastic Woman und dem Gewinner des Goldenen Bären On Body and Soul zwei Filme aus dem Berlinale Wettbewerb 2017 – und somit genau so viele wie aus dem von Cannes – zu den Oscars in der Kategorie bester ausländischer Film geschafft haben.
Ob 7 Days in Entebbe auch oscarwürdig ist, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Der Film schildert die Entführung einer Air-France-Maschine im Jahre 1976 in Uganda. Gedreht hat ihn der brasilianische Regisseur José Padilha, der für seinen Film Tropa de Elite 2008 den goldenen Bären erhielt. Die Rolle eines der Entführer übernahm der in Berlin lebende Schauspieler Daniel Brühl. Padilha steht für sehr solides internationales Actionkino und konnte sich mit der Netflix-Serie Narcos auch bei den Freunden des Home-Entertainments einen Namen machen.
Mit internationalem Actionkino hat der philippinische Regisseur Lav Diaz so rein gar nichts am Hut. Diaz setzt sich in seinen Arbeiten mit der Geschichte seiner Heimat auseinander. Dabei nimmt er sich gerne ein wenig mehr Zeit: A Lullaby to the Sorrowful Mystery setzte 2016 einen neuen Rekord in Berlin: Mit 482 ist der Film der längste Wettbewerbsbeitrag in der Geschichte der Berlinale. Season of the Devil ist nur 234 Minuten lang. Das ist immer noch viel Kino für den Preis eines Tickets.
Gute Chancen auf einen der Hauptpreise des Wettbewerbs hat sicherlich Transit von Christian Petzold, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Anna Segher. Für seinen Film konnte Petzold mit Paula Beer (Frantz, Das finstere Tal) und Franz Rogowski (Victoria, Happy End) zwei der angesagtesten deutschen Jungstars verpflichten, die beide auch schon in internationalen Produktionen auf sich aufmerksam machten. Der völlig berechtigte Hype um Franz Rogowski lässt sich auch daran ablesen, dass er gleich in zwei Wettbewerbsfilmen zu sehen ist. An der Seite von Sandra Hüller (Toni Erdmann) spielt er auch noch in In den Gängen von Thomas Stuber.
Forum
Der Koreaner Hong Sangsoo wird mehr und mehr zum Stammgast bei der Berlinale. Dieses Jahr ist er jedoch nicht wie die letzten beiden Male im Wettbewerb zu sehen, was vermutlich mit der Länge seines neuen Films in Verbindung steht. Grass hat eine Laufzeit von nur 66 Minuten und erzählt von einer jungen Frau (Kim Minhee), die in einem Café in Seoul die anderen Gäste beobachtet und deren Geschichten zu den ihrigen macht.
Besonders Fußballfans ist Fotbal infinit von dem rumänischen Regisseur Corneliu Porumboiu zu empfehlen. Aus der Beschreibung aus dem Programmheft wird man nicht so wirklich schlau, aber anscheinend dokumentiert der Regisseur Gespräche mit einem Freund über den Fußball, das Leben und deren Verbindung.
Im Werk von Sergei Loznitsa wechseln sich fiktionale mit dokumentarischen Arbeiten ab. Im diesjährigen Forumsprogramm präsentiert Loznitsa den Dokumentarfilm Victory Day. Dieser zeigt einen Tag rund um das sowjetische Ehrenmal im Treptower Park in Berlin. Immer am 9. Mai, dem Tag des Sieges über das Deutsche Reich, kommen hier die unterschiedlichsten Menschen zusammen.
Panorama
Um einen Dokumentarfilm handelt es sich auch bei Shut up and play the Piano. Der Regisseur Philipp Jedicke porträtiert in diesem den kanadischen Musiker Chilly Gonzales und gibt einen Überblick über die abwechslungsreiche Karriere des wandlungsfähigen Multitalents.
Bei ihrem letzten Spielfilm Winterdieb (2014) arbeitete Ursula Meier mit Léa Seydoux zusammen. Für ihr neues Werk Shock Waves – Diary of my Mind konnte die Regisseurin den französischen Filmstar Fanny Ardant für die Hauptrolle gewinnen. Ardant spielt die Lehrerin Esther Fontanel, die aufgrund eine Tagebucheintrags eines ihrer Schüler zum Mittelpunkt einer Mordermittlung wird.
Wie jedes Jahr: Ich wünsche gute Projektion!